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Mehr Rechte für Schuldner

Von Andrea Möchel

Wirtschaft
Die Kostenlawine erst so richtig ins Rollen bringen Inkassobüros. Deren intransparente Klauseln sorgen für Beschwerden von Betroffenen und eine Klage des Vereins für Konsumenteninformation.
© fotolia/akf

Ein Urteil des Oberlandesgerichtes stärkt die Position von Verbrauchern gegenüber der Inkassobranche.


Wien. Mehr als 1,1 Millionen Inkassofälle werden pro Jahr in Österreich dokumentiert. Die Tendenz ist steigend. Der Stein des Anstoßes ist meist eine Bagatelle, denn die Höhe der Forderungen beträgt zu 90 Prozent "nur" zwischen 50 und 300 Euro. Sobald die Gläubiger jedoch Inkassobüros mit der Einbringung der Schulden beauftragen, kommt die Kostenlawine oft erst so richtig ins Rollen. Die zu bezahlende Summen können dann dank Zinsen und Gebühren explodieren.

Rund 10.000 Beschwerden gegen Inkassoinstitute gingen im Zeitraum von 2011 bis 2012 bei der Arbeiterkammer und dem Verein für Konsumenteninformation (VKI) ein. Die Probleme reichen von intransparenter Kostenaufgliederung bis hin zu unangemessen hohen Inkassokosten. Um diesem Missstand einen Riegel vorzuschieben, hat der VKI im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums eine Verbandsklage angestrengt. Ein kürzlich ergangenes Urteil in zweiter Instanz durch das Oberlandesgericht (OLG) Wien stärkt nun die Position der Verbraucher.

Gegenstand der Klage sind jene Vertragsformblätter, die den Schuldnern häufig von den Inkassobüros im Auftrag der Gläubiger vorgelegt werden. Bei Unterzeichnung dieser Verträge erkennen die Verbraucher die Schulden, Zinsen und Inkassokosten an und stimmen einer Ratenvereinbarung zu.

Hat man unterschrieben, sind Einwendungen dagegen nicht mehr möglich. Das Problem: Diese Form der Schuldentilgung gleicht einem Blindflug, denn die tatsächliche Höhe der anzuerkennenden Forderung ist häufig völlig unklar. Den Ratenzahlungsangeboten werden neben der eigentlichen Forderung weitere Kosten wie monatliche Evidenzgebühren, Mahnkosten oder Erhebungskosten zugeschlagen. Außerdem sind die Klauseln der Formblätter in vielen Fällen völlig intransparent.

"Das Gericht hat das Ratenzahlungsangebot des Inkassobüros als ‚entgeltliche Zahlungsaufschübe‘ im Sinn des Verbraucherkreditgesetzes beurteilt", erläutert VKI-Juristin Maria Ecker das OLG-Urteil. "Damit kommen die Verbraucherschutzbestimmungen dieses Gesetzes zur Anwendung."

Die Folge: Der Verbraucher kann binnen 14 Tagen ab Unterschrift von einer Vertragserklärung zurücktreten. "Wird er darüber nicht korrekt belehrt, beginnt diese Frist erst mit der Belehrung", betont Ecker. Dieses Recht sei für jene von Interesse, die eine umstrittene Grundforderung oder die Inkassokosten in unberechtigter Höhe anerkannt haben. Ecker: "Der Rücktritt beseitigt die Rechtswirkungen des Anerkenntnisses - man kann also nun die Forderungen bestreiten und, wenn der Gläubiger klagt, gerichtlich prüfen lassen."

Weiters habe der Verbraucher laut OLG-Urteil ein Recht darauf, umfassende Angaben im Vertragsformblatt zu bekommen - insbesondere die Angabe des effektiven Jahreszinssatzes. Fehlt diese Angabe, dann kann der Verbraucher verlangen, dass er nur den gesetzlichen Zinssatz von vier Prozent bezahlt und seine Raten neu berechnet werden.

Und wie steht die Inkasso-Branche zu diesem Richterspruch? "Zum Urteil des OLG Wien ist festzuhalten, dass es nicht rechtskräftig ist und daher allein aus diesem Grund eine abschließende Bewertung nicht möglich ist", hält sich Gerald Waffek, Sprecher des Inkassoverbandes Österreich (IVÖ) auf Anfrage der "Wiener Zeitung" bedeckt. "Festzuhalten ist lediglich, dass nicht die Inkassoinstitute selbst ,Kreditgeber‘ der säumigen Zahler sind, sondern die Ratenvereinbarungen ausschließlich im Auftrag ihrer Kunden, der Gläubiger, vereinbaren."

Grüne Gesetzesinitiative

Abseits des juristischen Streits machen sich die Grünen derzeit auf parlamentarischer Ebene für eine grundlegende Reform der Inkasso-Verordnung stark. Konsumentensprecherin Aygül Berivan Aslan hat bereits im Jänner einen Entschließungsantrag im Nationalrat eingebracht, der vorsieht, dass die Inkassokosten maximal zehn Prozent der ursprünglichen Forderung exklusive Zinsen betragen dürfen.

Demnach sollen für einzelne Bearbeitungsschritte keine zusätzlichen Gebühren mehr verrechnet werden können. Ende März hat Aslan einen weiteren Antrag eingebracht. Dieser sieht vor, dass Inkassoinstitute zukünftig nicht mehr zur Bezahlung von bereits verjährten Zinsen auffordern dürfen.