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Über Kanada in die EU

Von Alexander U. Mathé

Politik

Das Freihandelsabkommen mit Kanada ist so gut wie fertig und könnte auch US-Firmen nützen.


Wien/Brüssel. Die Angst vor außergerichtlichen Klagerechten für Firmen, einer Verwässerung von Umweltstandards und mangelnder Transparenz haben TTIP, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, gebremst. Doch über ein anderes - fast fertig ausgehandeltes - Abkommen könnten die umstrittensten Punkte auf Umwegen bereits Geltung erlangen, während über TTIP noch lange diskutiert wird.

Laut Plan sollte TTIP längst unter Dach und Fach sein. Doch nachdem die Transatlantische Investitionspartnerschaft ins Stocken geriet, wird sich heute, Donnerstag, der EU-Handelsministerrat erneut mit dem Thema befassen, bevor am 19. Mai die nächsten Verhandlungen mit den USA anstehen.

Ceta ist so gut wie fertig

Ceta ist das Freihandelsabkommen, das die EU mit Kanada abschließen will. Im Schatten von TTIP steht es heute als Berichts- und Diskussionspunkt auf dem Programm des EU-Handelsministerrats. Dieses Abkommen ist so gut wie fertig. Dabei geht es selbstverständlich um mehr als den freien Verkehr von Ahornsirup und Lachs. Ceta ist eine Art Vorbild-Abkommen für das viel größere Projekt TTIP. Alles, was in Ceta verankert ist, soll später auch für TTIP gelten. Das ist nicht nur in Theorie so, sondern auch in der Praxis. Denn über Zweigniederlassungen bei ihrem Partner des nordamerikanischen Freihandelsabkommens Kanada können US-Firmen auch in den Genuss von Ceta kommen.

Umso brisanter ist es, dass in dem Abkommen mit Kanada Regelungen verankert sind, die in den Verhandlungen zu TTIP noch heftig umstritten sind. Darunter etwa eine Investitionsschutzklausel, die es Firmen ermöglicht, an regulären Gerichten vorbei Staaten vor Privattribunalen zu klagen, wenn sie durch politische Entscheidungen der Regierung ihre Profite geschmälert sehen. Die EU-Kommission hat diesen Teil des Abkommens bereits veröffentlicht. Er soll eine Art entschärfte und akzeptable Variante des Investitionsschutzes sein, den man schließlich auch in TTIP integrieren will.

Dieses Vorgehen wirkt zumindest ambivalent. Schließlich hat die EU-Kommission die Verhandlungen über den Investitionsschutz vorläufig ausgesetzt - dermaßen groß war der Widerstand dagegen. Bei Ceta hingegen wurde die sogenannte ISDS-Klausel sang- und klanglos festgesetzt. Sehr zum Missfallen von Kritikern wie etwa der NGO Greenpeace. "Wir lehnen ISDS in Ceta ganz klar ab. Denn systemische Schwächen werden überhaupt nicht behandelt", sagt Sprecher Florian Schweitzer.

Daneben bleibt die grundsätzliche Frage offen, warum die EU bereit ist, Kanada Rechte einzuräumen, bei denen sie gegenüber den USA noch zögert.

Übereinkunft bereits 2013

Vorhersagen zu anderen Punkten von Ceta lassen sich nicht mit absoluter Sicherheit tätigen. Dies deshalb, weil der Text des Vertrags, auf den sich EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und Kanadas Premierminister Stephen Harper bereits im Oktober 2013 geeinigt haben, heute, mehr als ein halbes Jahr später, noch immer nicht öffentlich ist. Auch den betroffenen Behörden - wie etwa dem Wirtschaftsministerium - liegt der Abschlusstext eigenen Angaben zufolge nicht vor.

Umso erstaunlicher war es, dass für den heutigen EU-Handelsministerrat ursprünglich sogar die Vorlage von Ceta zum Beschluss geplant war. Laut Informationen der "Wiener Zeitung" wird es dazu aber letztlich nicht kommen, da noch einige Fragen zu dem Freihandelsabkommen offen sind.

Abseits des offiziell Bekannten gelangten Informationen sonst nur durch geleakte Dokumente an die Öffentlichkeit. Auch die sorgen für Unsicherheit und Kritik. So sollen etwa Regierungen nicht mehr die Möglichkeit haben, Moratorien gegen die umstrittene Gasgewinnungsmethode Fracking zu erlassen. Auch Umweltstandards - so die Befürchtung - könnten gelockert werden. Mit dem Vorwurf mangelnder Transparenz sind die Verhandler bei Ceta ebenso konfrontiert wie beim Schwesterabkommen TTIP.

So wie bei TTIP gehen die EU-Mitgliedstaaten davon aus, dass Ceta erst vom EU-Rat beschlossen werden und dann vom Europaparlament sowie den nationalen Parlamenten ratifiziert werden muss. Doch schon bei TTIP hört man aus der EU-Kommission, dass man die nationalen Parlamente nicht als Entscheidungsträger dabeihaben will. Sollte sich diese Ansicht auch bei Ceta durchsetzen, könnte das Abkommen schon sehr bald Geltung erlangen.