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Kirchners Pokerspiel um den Bankrott

Von WZ-Korrespondent Tobias Käufer

Wirtschaft

Die US-Hedgefonds bleiben im Schuldenstreit hart. Nur noch eine 30-tägige Gnadenfrist bewahrt Argentinien vor dem Zahlungsausfall.


Buenos Aires. Die Geldwechsler in Buenos Aires haben wieder einmal Hochkonjunktur. Dollars und Euros sind heiß begehrt in der argentinischen Hauptstadt, denn über dem südamerikanischen Land kreisen wieder einmal die Geier. Schuld daran ist ein Streit zwischen internationalen Gläubigern und der argentinischen Regierung. Es geht darum, wie sie viel von dem Geld zurückbekommen, das die Investoren im Vertrauen auf die Einhaltung der Zahlungszusagen verliehen haben. Vor gut einem Jahrzehnt war Argentinien schon einmal bankrott. Mit der Mehrzahl der Gläubiger konnte die argentinische Regierung damals einen Schuldenschnitt vereinbaren. So erhielten die Gläubiger zumindest einen Teil ihrer Investitionen zurück, einen großen Teil mussten sie aber abschreiben.

Nicht alle Gläubiger ließen sich jedoch auf diesen Deal ein. Hedgefonds hatten sich damals mit argentinischen Anleihen eingedeckt, als diese wegen ihres hohen Ausfallrisikos stark im Kurs gesunken waren. Die Geldgeber beharren nun auf einer vollen Rückzahlung plus Zinsen. Sie sind im juristischen Sinne im Recht: Bisher haben alle gerichtlichen Instanzen in den USA den Hedgefonds-Managern Rückendeckung gegeben. Das führte für die argentinische Regierung zu bisweilen peinlichen Szenen: Cristina Fernandez de Kirchner mietete Flugzeuge, damit ihre Präsidentenmaschine nicht gepfändet werden konnte. Auch argentinische Schiffe sahen sich der Gefahr ausgesetzt, in ausländischen Häfen an die Kette gelegt zu werden.

Seit Tage wird nun schon fleißig gepokert. Die argentinische Zentralbank hinterlegte 832 Millionen Dollar für Zinszahlungen an Anleihehalter auf Konten der Bank of New York Mellon. Doch damit verstößt die argentinische Regierung eigentlich gegen die von einem US-Gericht gemachten Auflagen. Das Urteil verbietet es, andere Gläubiger zu bedienen, solange der Streit mit den Hedgefonds nicht beigelegt ist.

Argentinen will die "Geierfonds", wie Präsidentin Kirchner die Gruppe um US-Investor Paul Singer nennt, aber nicht aus politischen Gründen nicht bezahlen. Denn die Regierung befürchtet, dass eine Begleichung der Schulden bei den Hedgefonds auch andere Gläubiger auf den Plan rufen würde, die dem Schuldenschnitt nicht zugestimmt hatten. Dabei könnte es um Forderungen von bis zu 15 Milliarden Dollar gehen, und so viel Geld kann Argentinien derzeit auf keinen Fall für den Schuldendienst lockermachen.

Der Stichtag für die nächste Zinszahlung an jene Gläubiger, die sich am Schuldenschnitt beteiligt hatten, wäre eigentlich der gestrige Montag gewesen. Doch Argentinen bleibt noch eine letzte Gnadenfrist von 30 Tagen, bevor der sogenannte technische Zahlungsausfall tatsächlich als Staatsbankrott gewertet wird. Bis dahin könnte doch noch ein Vergleich mit den Hedgefonds gefunden werden.

Vertrauen steht auf dem Spiel

Der Fall hat auch eine politische Dimension: Argentinien versucht, aus seinem Streit mit dem US-Gericht und den US-Fondsmanagern auch einen Streit Lateinamerika gegen USA zu konstruieren. Deswegen erhält Kirchner gegen die verhassten "Gringos" politische Unterstützung aus breiten Teilen des linksregierten Kontinents. Dort gelten Hedgefonds als der Inbegriff des bösen Kapitalismus. Banken- und Finanzkrise haben dazu beigetragen, diese Vorurteile in der Realität mit Leben zu erfüllen. Kirchner selbst bezeichnet die Zahlungsforderungen als Erpressung. Vor allem der Milliardär Singer und sein Hedgefonds NML Capital sind in Argentinien wegen ihrer unbeugsamen Verhandlungstaktik unbeliebt und Ziel der Regierungsattacken. Er gilt als Inbegriff des skrupellosen Kapitalisten, der auch einen Staat über die Klippe springen lässt, wenn es den eigenen Zielen dient. Kirchner, die während ihrer Amtszeit aufgrund von "glücklichen Investitionen" zur Multimillionärin aufgestiegen ist, ist an der Konfrontation aber nicht ganz unschuldig. Sie hat das Problem jahrelang ignoriert und sich nun in eine schwierige Lage manövriert.

Für das Land steht eine Menge auf dem Spiel: Gelingt es Kirchner nicht, eine Einigung mit den Gläubigern zu erzielen, droht nicht nur ein Staatsbankrott, sondern auch der Verlust der Glaubwürdigkeit. Argentinien würde den Status als eine Regionalmacht verlieren, in die es zu investieren lohnt. Andere Länder ziehen an der stolzen Nation vorbei und dabei spielt deren politische Ausrichtung keine Rolle. Das vom Linkspopulisten Rafael Correa regierte Ecuador ist zu einem Liebling der Investoren avanciert, auch weil der Wirtschaftswissenschaftler zwar gerne sozialistische Reden schwingt, ansonsten aber sehr pragmatische kapitalistische Entscheidungen fällt. Auch das bürgerlich regierte Kolumbien rückt mehr und mehr in den Fokus ausländischer Investoren und hat mit seinen guten Wachstumszahlen Argentinien bereits den Rang abgelaufen.