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Energieriesen in der Bredouille

Von Alexander U. Mathé und Julia Mathe

Wirtschaft

Niedrige Strompreise und Förderung von neuen Energien treiben Konzerne in die roten Zahlen.


Wien. Wer auf herkömmliche Energie setzt, der hat schon verloren. Quer durch Europa geraten Energiekonzerne in arge Bedrängnis, die mit Atom-, Gas-, Öl- oder Kohlekraftwerken Strom produzieren. Grundlegendes Problem: Eingekauft werden teure fossile Brennstoffe; verkauft wird zum niedrigen Börsenstrompreis. Nicht zuletzt dank Förderung der erneuerbaren Energien einerseits und dem Überangebot andererseits, sinkt der Stromgroßhandelspreis stetig. Auch die Politik der EU schmeckt den Energieriesen, die nicht auf Ökostrom setzen, nicht: Sie hat als drei Ziele für 2030 ausgegeben: 40 Prozent CO2-Reduktion, 27 Prozent erneuerbare Energien und nun 30 Prozent Energieeinsparung.

Neuestes Beispiel eines angeschlagenen Unternehmens ist EnBW, der drittgrößte Energieversorger Deutschlands. Er rutschte in der ersten Hälfte dieses Jahres mit 735 Millionen Euro drastisch in die Verlustzone. Das Unternehmen führt dies auf milliardenschwere Wertberichtigungen bei seinen Gas- und Kohlekraftwerken zurück, die immer unprofitabler werden. Die EnBW ist in Österreich mit rund einem Drittel am niederösterreichischen Versorger EVN beteiligt und damit zweitgrößter Aktionär nach dem Mehrheitseigentümer Land Niederösterreich.

Deutsche Energiekonzerne haben es derzeit besonders schwer. Dafür sorgt einerseits der Atomausstieg des Landes, andererseits das neue Gesetz für erneuerbare Energien, das für diese eine ordentliche Förderung zulasten der herkömmlichen Energien bringt. Das bekommt unter anderen auch der schwedische Energiekonzern Vattenfall zu spüren, der in Deutschland einige Atomkraftwerke betreibt. Für die Stilllegung der Meiler schlugen sich bereits 400 Millionen Euro an Rückstellungen auf die Bilanz.

In Österreich zieht der Energieversorger Verbund Konsequenzen. Das Gaskraftwerk im steirischen Mellach sowie die beiden Anlagen in Frankreich - Pont-Sur-Sambre und Toul - werden 2015 eingemottet. Das Ölkraftwerk Neudorf/Werndorf II wird im Dezember geschlossen. Das Steinkohlekraftwerk Dürnrohr soll - vorbehaltlich einer Entscheidung des deutschen Netzbetreibers Tennet für eine mögliche Inanspruchnahme als Kaltreserve - im kommenden Jahr geschlossen werden. Die Wertpapierexperten von der Erste Group senkten diese Woche das Kursziel des heimischen Energieversorgers Verbund von 12,5 auf 12,3 Euro.

Auch der deutsche Energiekonzern RWE will aufgrund von Gewinneinbrüchen weitere Kraftwerke stilllegen, hat jedoch bereits im vergangenen Jahr Anlagen mit einer Leistung von mehr als 12.600 Megawatt eingemottet.

Was passiert, wenn die Ökostromförderung wegfällt, zeigte sich vor kurzem in Spanien. Beim Energiekonzern Iberdrola ging der Nettogewinn im ersten Halbjahr um 13 Prozent zurück, nachdem die Subventionen für erneuerbare Energien gekürzt wurden.

Doch auch Atomstrom wird punktuell noch subventioniert. Die staatlichen Beihilfen für Betreiber von Kernkraftwerken werden auf 35 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Und so konnte der französische Energiekonzern EDF seinen Gewinn im ersten Halbjahr stärker steigern als erwartet. Umstritten ist dabei jedoch unter anderem das von EDF betriebene englische Atomkraftwerk Hinkley Point. Geplant ist, dass EDF für jede Megawattstunde Strom über 35 Jahre einen garantierten Betrag von 92,50 Pfund lukriert - fast das Doppelte des Marktpreises. Die EU-Kommission hat ein Verfahren eröffnet, weil sie bezweifelt, dass die geplanten Maßnahmen mit einem gemeinsamen Markt vereinbar seien.

All diese Fälle zeigen noch ein weiteres großes Problem auf: In Europa fehlt eine gemeinsame Strategie zur Energiepolitik. Denn derzeit treibt jeder Staat sozusagen sein eigenes Ding - und das, obwohl die europäischen Staaten in Sachen Energie längst untrennbar miteinander verbunden sind. Wenn etwa in Norddeutschland ein Kraftwerk temporär vom Netz genommen wird, kann es in Westösterreich zu einem Engpass kommen.

Dabei wird man darauf achten müssen, wer was produziert. So machen etwa Windräder in der stürmischen Nordsee durchaus Sinn, während in der spanischen Wüste eher Solarzellen angebracht sind. Letztlich werden bei aller Aufrüstung auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien die herkömmlichen vorerst unverzichtbar bleiben. Denn Wind und Sonne leisten an dunklen windstillen Tagen nur einen Bruchteil des nationalen Bedarfs. Dem Verbund wiederum macht heuer der niedrige Wasserstand vieler Flüsse zu schaffen, was im Halbjahr mit einem Gewinnrückgang um 16 Millionen Euro zu Buche schlug.

Auch das Leitungsnetz muss europaweit optimiert und erneuert werden. Derzeit ist es schwierig, auf den veralteten Trassen etwa von Norddeutschland nach Süditalien den Strom zu liefern. Die Erneuerung ist alles andere als leicht. Einerseits steht die Bevölkerung dem Bau neuer Stromnetze skeptisch gegenüber, andererseits stellt sich die Frage, wer dafür zahlen soll. Energiekonzerne oder der Staat?

Die Industrieverbände von Deutschland und Frankreich haben jedenfalls erst im Juli wieder für eine gemeinsame europäische Energiepolitik plädiert. Eine Politik, die wohl auch im Interesse der Energieriesen sein wird, die zurzeit heftig am Schrumpfen sind.