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Der Horror-Preis für Billig-Fleisch

Von Andrea Möchel

Wirtschaft

Massentierhaltung verletzt Tier- und Menschenrechte und schadet dem Weltklima mittlerweile mehr als der Verkehr.


Wien. Gerade erst ist der Klimagipfel der Vereinten Nationen in New York über die Bühne gegangen, schon steht im Dezember die nächste UN-Klimakonferenz im peruanischen Lima an. Ein Thema sollte dort besser nicht fehlen:
der wachsende Beitrag der Massentierhaltung zur Klimaerwärmung.

"Bereits 21 Prozent des jährlichen globalen CO2-Ausstoßes geht auf die Produktion von Billig-Fleisch zurück. Sie ist damit einer der größten CO2-Emittenten, noch vor dem Verkehr", schlagen Christine Chemnitz und Shefali Sharma, Mitarbeiterinnen der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, in ihrem Bericht "Der hohe Preis für billiges Fleisch" Alarm. Schuld an der massiven Emission von Treibhausgasen durch fabrikmäßige Tierhaltung ist nicht nur das von wiederkäuenden Tieren produzierte Methan. "Mist und Gülle der Tiere erzeugen ebenso wie Dünger und Pestizide, die zur Futtermittelproduktion eingesetzt werden, große Mengen von Stickoxiden", erklären die Expertinnen.

Globaler Fleischhunger

Doch der Hunger auf Billig-Fleisch nimmt weiter zu. Die Österreicher verputzen laut Statistik Austria derzeit 65 Kilogramm Fleisch pro Kopf und Jahr, 1960 waren es noch 41 Kilo. Waren Europäer und US-Amerikaner mit 60 bis 90 Kilogramm Fleischverbrauch pro Person und Jahr bisher die mit Abstand größten Fleischkonsumenten, entwickeln nun auch die wachsenden Mittelschichten in Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien immer größeren Appetit auf Fleisch.

"Um den wachsenden Bedarf zu befriedigen, werden die Agrarunternehmen in aller Welt versuchen, ihre Fleischproduktion von heute 300 Millionen Tonnen auf 480 Millionen Tonnen im Jahr 2050 zu steigern", prognostiziert die Heinrich-Böll-Stiftung.

Die Folgen des übermäßigen Fleischkonsums sind schon jetzt monströs. "Moderne Schlachtanlagen in Europa und den USA nehmen immer absurdere Dimensionen an", warnt Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, anlässlich der Präsentation des "Fleischatlas 2014", in dem die globalen Auswirkungen des Fleisch-Business untersucht werden. "Während wir in Deutschland 735 Millionen Tiere pro Jahr töten, schlachtet alleine die US-Gesellschaft Tyson Foods mehr als 42 Millionen Tiere in einer Woche. Dahinter kann kein gesundes Agrarsystem stehen."

Tatsächlich führt die Massentierhaltung in der gesamten Wertschöpfungskette - Futtermittel, Produktion, Verarbeitung und Verkauf - zu immer größeren Problemen. So verändert der Futtermittelanbau die Landnutzung drastisch. "Heute wird etwa ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche für die Produktion von Tierfutter verwendet, und der Gesamtanteil der für die Viehwirtschaft verwendeten Fläche beträgt einschließlich Weideflächen global etwa 70 Prozent", rechnen Chemnitz und Sharma vor. Gravierende soziale und ökologische Probleme sind die Folge.

"Das Futter für die zusätzliche Produktion von mehr als 150 Millionen Tonnen Fleisch pro Jahr wird Land- und Nahrungsmittelpreise explodieren lassen", warnt Barbara Unmüßig. "Die Zeche für den globalen Fleischhunger zahlen die Armen, die von ihrem Land verdrängt werden und sich aufgrund der hohen Preise weniger Nahrung leisten können."

Vor allem in den Entwicklungsländern werden Viehhirten und unabhängige Bauern mit den niedrigen Verkaufspreisen der Massentierhaltung, die nur deshalb so billig produzieren können, weil die wahren Umwelt- und Gesundheitskosten der Fleisch-Industrie ausblendet werden, nicht konkurrieren können.

Dazu kommt der Einfluss der industriellen Viehhaltung auf die öffentliche Gesundheit. Zum einen trägt der hohe Konsum von Fleisch- und Milchprodukten zu Gesundheitsproblemen wie Fettleibigkeit und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei. Dazu fördert die hohe Tierdichte auf engstem Raum die Ausbreitung von Infektionskrankheiten wie der Vogelgrippe, die auf Menschen übergreifen können. Zugleich sorgt der übermäßige Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung für gefährliche Resistenzen gegen antibakterielle Arzneimittel.

Tierleid

"Nicht zu vergessen die schrecklichen Bedingungen, unter denen die Tiere leiden, da sich die Industrie gegen vernünftige Tierschutzstandards sperrt", prangert die Heinrich-Böll-Stiftung an. In den Tierfabriken vegetieren Huhn, Rind, Schwein und Co. auf kleinstem Raum, werden per Turbomast zwangsernährt und oft ohne Betäubung kastriert oder enthornt.

Die Heinrich-Böll-Stiftung fordert nun eine Systemänderung innerhalb der Europäischen Union. So müsse die EU den Import von genetisch veränderten Futtermitteln verbieten und die Landwirte verpflichten, mindestens die Hälfte ihrer Tierfuttermittel in den eigenen Betrieben herzustellen. "Damit würden internationale Nährstoff-Ungleichgewichte beendet und die Macht multinationaler landwirtschaftlicher Gentechnikkonzerne wie Monsanto verringert", wissen Chemnitz und Shamar.

Zweitens müsste der unnötige Einsatz von Antibiotika in Tränk- und Fütterungssysteme, etwa zum Zweck der schnelleren Mast, verboten werden. Das würde die Landwirte dazu zwingen, Tiere auf Grundlage tierärztlicher Diagnosen individuell gegen Krankheiten zu behandeln. "Natürlich wären diese Aktionen nur wichtige erste Schritte", räumen Chemnitz und Sharma ein. Auch die Konsumenten müssten sich klarmachen, dass Massentierhaltung zu Klimawandel und Menschenrechtsverletzungen beiträgt: "Und das alles nur, um den ungesunden Appetit der westlichen Gesellschaften auf billiges Fleisch zu befriedigen."