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Kaufrausch statt Innovationen

Von WZ-Korrespondent John Dyer

Wirtschaft

Die zu Wochenanfang bekannt gewordenen Fusionen zwischen den Pharmafirmen Actavis und Allergan und den Ölförderern | Halliburton mit Baker Hughes sind symptomatisch für ein Jahr, das bereits drei Billionen Dollar an Übernahmen schwer ist.


Boston. Unternehmenskäufe haben in diesem Jahr ein Volumen von 3,1 Billionen Dollar (2,58 Billionen Euro) erreicht. Das sind 32 Prozent mehr als im vergangenen Jahr, haben die britischen Markforscher Dealogic festgestellt. In dieses Bild passen die am Montag bekannt gegebenen Fusionen der Pharmafirmen Actavis und Allergan sowie die der US-Ölförderer Halliburton und Baker Hughes.

Sie sind die letzten bekannt gewordenen Übernahmen in einem offensichtlich überhitzten Kaufmarkt. Das US-irische Generika-Hersteller Actavis kauft den Botox-Produzenten Allergan für 66 Milliarden Dollar, wodurch einer der größten Pharmagiganten der Welt entstehen soll. Allergan konnte durch die Allianz mit Actavis schließlich die feindliche Übernahme durch das kanadische Pharma-Unternehmen Valeant Pharmaceuticals International abwehren.

Dieser Kaufwille ist nicht ungewöhnlich für eine Branche, in der trotz Milliardeninvestitionen in die Forschung nur wenig neue Medikamente auf den Markt kommen. Die Lösung für weitere Expansion liegt in Kauf oder Fusion.

So hat in Deutschland Bayer im Mai die Verbrauchersparte von Merck für 14,2 Milliarden Dollar (11,34 Milliarden Euro) übernommen. Zuvor hatten Novartis, Glaxo SmithKline und Eli Lilly eine Vereinbarung bekanntgegeben, nach der sie für 28,5 Milliarden Dollar die Rechte an verschiedenen Medikamenten tauschten. "Das ist ganz klar ein Jahr steigender Käufe und Fusionen, aber ganz besonders in der Pharma-Branche", stellt der auf Firmenkäufe spezialisierte Anwalt Phillip Torrence fest. Für viele Firmen stellten auslaufende Patentrechte ein Problem dar. Der einzige Ausweg sei, "größer und immer größer zu werden."

Halliburtons Angebot von 34,6 Milliarden Dollar für den Konkurrenten Baker Hughes würde der Firma einige neue Ölfelder in Kanada und Russland einbringen.

Der Kauf kommt zu einem Zeitpunkt sinkender Rohölpreise und weltweit eingebremstem Wirtschaftswachstum.

Laut einer Erhebung der Nachrichtenagentur Reuters machen Käufe und Fusionen im Öl- und Gassektor in diesem Jahr 368,7 Milliarden Dollar aus. Das ist knapp das Doppelte von 2013.

Auch in der Hochtechnologie wird wie wild gekauft und zusammengeschlossen. Statistiken von EY (ehemals Ernst&Young) weisen 923 Verträge allein im dritten Quartal aus. Das ist die höchste Zahl seit der Internetblase Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre. Darunter sind der Kauf von Minecraft online durch Microsoft (zwei Milliarden Dollar) und Amazons Übernahme von Twitch, einem Internet-Videokanal, für eine Milliarde. Bei EY sieht man allerdings noch keine Gefahr einer neuen Blase. Die Technologiebranche sei jetzt nur reif für so etwas. "Früher hatten wir nicht die Infrastruktur, um die Möglichkeiten des Internets zu nutzen, wie wir es heute können", erklärt Jeff Lui, Leiter der Transaktionssparte von EY. Hohe Aktienpreise, wenige Nachfrage und billige Kredite durch niedrige Zinsen sowie verkaufswillige Anleger erleichtern die Übernahmen.

Kartellrecht bleibt letzte Hürde

Die Fusion von Halliburton und Baker Hughes ist aber noch nicht in trockenen Tüchern. Wenn sie fusionieren, wird die Zahl der Ölbohrer in den USA von drei auf zwei zurückgehen. Es bleibt nur noch der Konkurrent Schlumberger. Das könnte die Kartellwächter auf den Plan rufen, meint Fachanwalt Steven Cernak. "Das sieht nach einer Drei-zu-zwei-Fusion aus. Und die kommen meist nicht weit."