Hintergrund der neuen juristischen Eskalation ist offenbar die angekündigte Anklage gegen den Banker Julius Meinl V., die Bankdirektoren Peter Weinzierl und Günter Weiß sowie zwei weitere Bank-Verantwortliche. Vorgeworfen wird ihnen Untreue durch die Ausschüttung einer 211 Mio. Euro hohen Sonderdividende für das Geschäftsjahr 2008. Die Beschuldigten weisen alle Vorwürfe zurück.
Die jüngste Aktion im seit sieben Jahren bestehenden Rechtsstreit rund um Meinl wurde heute von Politikern und Organisationen kritisiert. "De facto klagt damit Julius Meinl die Republik Österreich auf 200 Millionen Euro, weil diese ein Verfahren gegen seine Bank wegen einer Reihe von vermuteten Vergehen im Zusammenhang mit Meinl European Land - etwa wegen Untreue, Betrug oder Abgabenhinterziehung - führt", erklärte SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter. Hier werde versucht, "Investorenschutz für Spekulationsschutz zu missbrauchen".
Auch von Europaabgeordneten kommt Kritik. "Die Meinl-Klage zeigt den ganzen Wahnsinn von Investitionsschutzabkommen", warnt Michel Reimon, Grüner Europaabgeordneter. Auch SPÖ-EU-Abgeordneter Jörg Leichtfried sieht sich in seiner Kritik an Sonderklagsrechten für Konzerne vor Privatgerichten bestätigt.
Greenpeace bekräftigt ebenfalls seine Kritik an Investor-State Dispute Settlement (ISDS) im Rahmen der geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA), der USA (TTIP) sowie Singapur (EUSFTA). "Österreichische Gerichte sollen mit dieser Klage in laufenden Verfahren eingeschüchtert und entmachtet werden. Die Bundesregierung darf nicht zulassen, dass Konzerne mächtiger werden als unsere Gerichte", fordert Greenpeace Sprecher Florian Schweitzer. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) habe noch vor zwei Tagen Kritik an ISDS mit dem Argument zurückgewiesen, Österreich sei noch nie im Rahmen von Investitionsschutz-Abkommen geklagt worden.
Ausgerechnet ein "Investor", der im Verdacht stehe tausende Anleger systematisch abgezockt zu haben, wolle nun die Republik aufgrund eines Abkommen mit einer bedeutenden Steueroase verklagen, kritisiert das österreichische Bündnis TTIP-stoppen (initiiert u.a. von Attac und Global 2000) und ortet eine "Sonderjustiz für Privilegierte".