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Ein E-Auto für den Staatschef

Von WZ-Korrespondentin Simone Schlindwein

Wirtschaft

In Uganda sollen jetzt Elektroautos in Serie produziert werden. Ein Mega-Projekt mit enormem Risiko. Ist dies nicht nur Wunschdenken des Präsidenten?


Kampala. Auf dem Parkplatz eines Miethauses in einem Mittelklasse-Wohnviertel von Ugandas Hauptstadt Kampala wird geschweißt, geschraubt und gehämmert. Mechaniker basteln an der Karosserie eines Busses, fixieren Solarpanels auf dem Dach. Ingenieur Paul Musasizi prüft, ob der Motor ordentlich sitzt: "Er wandelt die elektrische Energie in mechanische Energie um, denn wir testen gerade, wie wir die Sonnenenergie für unser öffentliches Transportsystem nutzen können", sagt Musasizi. Der große Mann wirkt stolz. Hier, im Hinterhof, bastelt er an Ugandas mobiler Zukunft.

Unter Musasizis Leitung tüfteln seit knapp vier Jahren Studenten der ugandischen Staatsuniversität Makerere an Ostafrikas erstem Elektroauto. "Kiira", so dessen Name, benannt nach dem Abfluss des Nils aus dem Victoriasee. Es ist ein ambitioniertes Projekt, das weiß Musasizi. Doch er hat einen Unterstützer gefunden: Präsident Yoweri Museveni höchstpersönlich. Dieser hatte 2010 Geld aus der Staatskasse lockergemacht, um die Idee zu verwirklichen, umgerechnet rund 160.000 Euro. Damit bestellte Musasizi weltweit Bauteile für sein erstes E-Mobil, ein kleines Stadtauto mit zwei Sitzen, das seine Studenten im Uni-Keller zusammenschraubten.

Als er damit 2011 Präsident Museveni erfolgreich über den Campus kutschierte, versprach dieser auch Unterstützung bei der Entwicklung eines neuen Models: einem Viertürer, wahlweise mit Hybrid- oder E-Motor. Diesen hat Musasizi vor wenigen Monaten präsentiert - und wieder hat Museveni mehr Geld versprochen: für eine Werksanlage, in welcher der Wagen in Serie produziert werden soll. Während derzeit das Fabrikgelände außerhalb Kampalas erschlossen wird, werkelt Musasizi schon an seinem nächsten Prototypen: dem E-Bus für den bislang nicht existenten öffentlichen Nahverkehr.

Dunst, Smog und Stau

Musasizi zeigt den Hügel hinunter, wo der Dunst und Smog über Kampalas Innenstadt hängen. Zu Stoßzeiten herrscht auf den engen Straßen Stau. Abgasnormbestimmung ist in Afrika ein Fremdwort. "Der Verkehr in Kampala ist so chaotisch, die Stadt stinkt", klagt Musasizi. Ugandas wachsende Mittelklasse kann sich immer mehr Autos leisten. Die meisten sind Gebrauchtwagen, importiert aus Japan oder Südkorea, die den dortigen Abgasbestimmungen nicht mehr entsprechen. Mit Musasizis Elektrofahrzeugen soll das anders werden.

Er zeigt auf seinem Computer aufwendige Animationen von den Werkshallen, wo 2018 der erste Kiira vom Band laufen soll. Die Diashow erinnert eher an Silicon Valley als an Ugandas schmutzige Werkstätten, wo Mechaniker jeden Tag improvisieren müssen, um in Ermangelung an Ersatzteilen alte Karren wieder flott zu kriegen.

"Die Zeiten sind vorbei, in denen man sein Auto sechs Wochen in die Werkstatt geben muss, bis irgendwann das Ersatzteil aus Japan eintrifft", sagt Musasizi. Bei Kiira-Motors sollen Reparaturen sofort möglich sein. 3000 Fahrzeuge sollen jährlich hergestellt werden. Dazu müssen jedoch zumindest zu Beginn der Produktion alle 30.000 Einzelteile aus aller Welt zugeliefert werden: vom Motor bis zum Rückspiegel. Bis auf die Reifen, die in Tansania hergestellt werden, und das Fensterglas, das aus Kenia importiert wird, wird kaum ein Einzelteil in Afrika fabriziert. "Noch nicht - aber wir haben Pläne, in sieben oder zehn Jahren irgendwann unseren eigenen Motor zu fertigen", sagt er.

Klingt das nicht etwas zu sehr nach Träumerei? Ugandas Wirtschaft basiert bislang auf Ackerbau, Viehzucht und Fischerei. Jenseits von Musasizis Ingenieursstudenten gibt es kaum qualifizierte Arbeitskräfte. Die Dämme am Nil produzieren nicht einmal genügend Strom für alle Haushalte gleichzeitig. Wie soll damit eine Industrieanlage und tausende von E-Autos versorgt werden? Der Verkaufspreis für ein E-Auto liegt bei rund 40.000 Dollar. Wer kann sich das denn leisten? Aber auch hier hatte Präsident Museveni Lösungen zugesagt: 350 Millionen Dollar sollen aus der Staatskasse in das Werk investiert werden. Erster Abnehmer wird die Regierung: E-Autos für Minister und Beamte. Für Privatkunden soll es günstige Leasingverträge in Kooperation mit Banken geben - ein ganz neues Konzept in Afrika. Doch geht das alles auf?

Keine Debatte

Ugandas Regierung hat hier kein Mitspracherecht. Wenn der Präsident, der seit 28 Jahren an der Macht ist, entscheidet, gibt es keine demokratischen Debatten. Nur die regierungskritische Zeitung "Daily Monitor" publizierte kritische Kommentare: "Bei unserer kleinen Wirtschaft muss Uganda komplett betrunken sein, sollte es tatsächlich hunderte von Millionen Dollar in die Idee investieren, ein elektrisches Auto zu bauen, das nicht der Leistung und Qualitätsansprüchen eines modernen Wagens entspricht", schreibt der Analyst Alan Tacca.