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Russlands Ölförderung auf Rekordhoch

Von Veronika Eschbacher

Wirtschaft

Ungeachtet westlicher Sanktionen überholte Russland im Mai Saudi-Arabien bei der Förderung. | Die Ölkonzerne fordern unterdessen Erleichterungen vom Staat.


Moskau/Wien. Im November noch hatte Russland laut über eine Förderkürzung beim Öl nachgedacht. Nachdem das Ölkartell Opec jedoch keine Anstalten machte, die Förderung zu drosseln, pumpte auch Russland weiter, um keine Marktanteile und Verkaufserlöse zu verlieren. Im Mai stieg Russland mit einer Ölförderung von 10,7 Millionen Barrel pro Tag zum weltgrößten Produzenten auf - und überholte damit Saudi-Arabien. Insgesamt förderte das Land seit Jahresbeginn 220 Millionen Tonnen Öl, ein Plus von 1,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Gleichzeitig stieg laut russischem Energieministerium der Ölexport in den ersten fünf Monaten um 5,8 Prozent. Russland förderte im Mai 11,3 Prozent des Weltöls (zum Vergleich: Die 12 Opec-Länder förderten 35 Prozent).

Große Freude mag angesichts dieser Zahlen bei den russischen Ölkonzernen dennoch nicht aufkommen. Denn die erzielten Preise sind um ein Vielfaches niedriger als im Vorjahr. Seit dem Sommer des Vorjahres fallen die Ölpreise und damit schmelzen die Gewinne der russischen Ölfirmen. Und auch wenn für Öl am Weltmarkt in US-Dollar bezahlt wird und der Rubel entwertete - laut Sergej Pikin, Direktor des russischen Fonds für Energieentwicklung, konnten die Mehreinnahmen gerechnet in Rubel den Einkommensausfall durch den niedrigeren Ölpreis "nicht in vollem Ausmaß kompensieren".

Zudem machen den Ölkonzernen die westlichen Sanktionen zu schaffen. "Der Teil der Sanktionen, der Erdölförder-Technologieexport nach Russland verbietet, hat bisher praktisch keine Auswirkung auf die Förderung gehabt", sagt der Experte zur "Wiener Zeitung". Die finanziellen Sanktionen hingegen hätten voll eingeschlagen. "Die betroffenen Firmen wurden völlig vom westlichen Finanzmarkt abgeschnitten, aber auch nicht sanktionierte Firmen tun sich heute schwerer, Finanzierung im Westen aufzustellen." Und auch wenn sich die Konzerne nun vermehrt Finanzquellen in Asien suchen: "Die asiatischen Geldgeber wissen, dass sie praktisch Monopolisten für die russische Öl- und Gasbranche sind." Sie hätten daher mittlerweile bei Finanzierungsprojekten hohe Anforderungen und verlangen höhere Kreditzinsen, erklärt Pikin. Gelder für Investitionen zur Erschließung neuer Förderquellen, ein weltweiter Trend im Ölsektor, fehlten auch in Russland vermehrt.

Aus diesen Gründen haben sich einzelne Konzerne wie der Branchenriese Rosneft an den Staat gewandt und Gelder aus dem staatlichen Wohlstandsfonds angefragt. Der Fonds speist sich aus überschüssigen Öleinnahmen und ist als Reserve gedacht. Bisher wurden aber noch keine Gelder an Ölfirmen ausgezahlt - nicht zuletzt, weil der Wohlstandsfonds für die Diversifizierung der Wirtschaft angelegt ist, die das Land aus der Öl- und Gasabhängigkeit bringen soll.

Steuerreform gefordert

Die Energiefirmen fordern vom Staat zudem Steuererleichterungen für die aufwendige und somit teure Ölförderung aus unkonventionellen Lagerstätten. Denn auch Russland geht das einfach zu fördernde Öl zunehmend aus. Konkret wollen die Konzerne in Zukunft nicht mehr pro geförderte Tonne Öl Abgaben bezahlen, sondern eine "Steuer auf das Finanzresultat". Dieser Vorschlag treibt dem russischen Finanzminister Anton Siluanow aufgrund von damit verbundenen Einnahmeausfällen freilich Schweißperlen auf die Stirn. "Ohne Erfüllung dieser Forderung wird es aber nicht möglich sein, das aktuelle Förderniveau zu halten", sagt Pikin. 60 Prozent der russischen Erdölreserven befinden sich in unkonventionellen Lagerstätten. Im Vorjahr wurden lediglich 4 Prozent der russischen Gesamtölförderung aus unkonventionellen Lagerstätten erzielt.

Der russische Staat sucht daher bereits nach Möglichkeiten, den Firmen die Ausbeutung dieser Lagerstätten zu erleichtern. Das Ministerium für Bodenschätze etwa will die Lizenzvergabe für solche Ressourcen vereinfachen und auf geringe Teile der Abgaben verzichten. Das würde vor allem kleineren Ölförderern zugute kommen. Russischen Experten zufolge wird so auch versucht, den Erfolg der amerikanischen Schiefergasrevolution zu wiederholen, die hauptsächlich auf kleineren, auf die schwierigere Förderung spezialisierte Firmen beruht.

Einen Zwischenerfolg können die Ölkonzerne bereits verbuchen: Im März stimmte der russische Premier Dmitrij Medwedew prinzipiell zu, dass - wohl ab Anfang 2016 - in einzelnen Pilotprojekten die Steuer auf das Finanzresultat getestet werden soll.

Die Energiewirtschaft ist für Russland von zentraler ökonomischer Bedeutung. Sie hat einen Anteil von einem Viertel am Bruttoinlandsprodukt und trägt etwa die Hälfte zur gesamten Industrieproduktion bei. Sie war in den Jahren bis 2014 der Motor der wirtschaftlichen Erholung Russlands seit der Finanzkrise 2008/9. Beim Ölexport findet Russland mittlerweile vermehrt asiatische Abnehmer. Die Ausfuhren nach China wuchsen im Vorjahr um 43 Prozent.