Dunkle Wolken hängen über der HSBC-Zentrale im Londoner Finanzdistrikt Canary Wharf. - © ap/Dunham
Dunkle Wolken hängen über der HSBC-Zentrale im Londoner Finanzdistrikt Canary Wharf. - © ap/Dunham

London. (apa/reu) Stuart Gulliver setzt erneut zum Kahlschlag an: Der Chef von Europas größter Bank, HSBC, baut bis zu 50.000 Stellen ab. Damit wird fast jeder fünfte Arbeitsplatz wegfallen, wie das britische Institut am Dienstag mitteilte. Es gebe keine heiligen Kühe mehr, sagte der seit Anfang 2011 amtierende Gulliver. Federn lassen muss unter anderem das Investmentbanking, aber auch Filialen werden geschlossen.

Es ist Gullivers zweiter Versuch, mit massiven Einsparungen den Gewinn zu steigern und die Firmenstruktur zu vereinfachen. Bisher haben ihm aber immer wieder Altlasten und Strafen für diverse Skandale sowie die niedrigen Zinsen und geringen Wachstumsraten in vielen Ländern einen Strich durch die Rechnung gemacht. Seit der weltweiten Finanzkrise vor sieben Jahren sind zahlreiche Banken auf Schrumpfkur. HSBC hatte 2010 noch 295.000 Mitarbeiter. Am Ende der jetzigen Sparrunde dürften es nur noch 208.000 Vollzeitstellen sein. Durch einen Verkauf der Töchter in Brasilien und der Türkei sollen 25.000 Mitarbeiter HSBC verlassen. Weitere 22.000 bis 25.000 Jobs werden im IT-Bereich, der Verwaltung und durch Filialschließungen gestrichen. Die Maßnahmen sollen 2017 abgeschlossen sein.

Ziel sei es, die Kosten um bis zu 5 Milliarden Dollar (4,5 Milliarden Euro) zu senken. Um dies zu erreichen, werden Sonderaufwendungen von maximal 4,5 Milliarden Dollar in den nächsten drei Jahren entstehen.

Börsianer dennoch unzufrieden


Der Kahlschlag sei nicht zwingend die Lösung, die Bank müsse in ihrer Struktur weniger komplex werden, sagte Branchenexperte James Antos vom japanischen Wertpapierhändler Mizuho Securities. Auch die Anleger an der Börse zeigten sich skeptisch. In London verloren HSBC-Papiere 1,2 Prozent an Wert.

Wie bei den britischen Rivalen RBS und Barclays oder der Deutschen Bank hat das Investmentbanking HSBC viele Jahre hohe Gewinne eingebracht, ist aber auch für zahlreiche Skandale - etwa um die Manipulation von Zinsen oder Devisenkursen - verantwortlich. Der Bereich schwankt zudem traditionell stark, worin sich das Auf und Ab an den Finanzmärkten widerspiegelt. Und die Großbanken müssen wegen der Verwerfungen im Zuge der Finanzkrise mittlerweile deutlich schärfere Anforderungen der Aufsichtsbehörden erfüllen, was zulasten der Rendite geht.

Gulliver war fünf Jahre oberster Investmentbanker von HSBC. Bis 2017 sollen in der Sparte sogenannte Risiko-Aktiva um ein Drittel oder 140 Milliarden Dollar gekürzt werden. Die Bank stellt in diesem Bereich also weniger Eigenkapital zur Verfügung, mit dem Geschäfte abgesichert werden. Weil es regulatorische Mindestanforderungen gibt, wird das de facto zu einem Teil-Rückzug führen. Konzernweit sollen die Risiko-Aktiva sogar um 290 Milliarden Dollar reduziert werden.

In einigen Wachstumssegmenten sowie im Compliance-Bereich, der die Einhaltung von Gesetzen und freiwilligen Kodizes überwacht, würden auch neue Stellen geschaffen, teilte HSBC weiter mit. In Asien soll zum Beispiel das Versicherungsgeschäft und die Präsenz im Süden Chinas rund um die Metropole Guangzhou ausgeweitet werden. 2014 hatte HSBC vor Steuern mit 18,7 Milliarden Dollar 17 Prozent weniger verdient als im Jahr zuvor. Trotz aller Sparmaßnahmen stiegen die operativen Kosten, und die Bank musste auch mehr Vorsorge für Rechtsstreitigkeiten treffen.

Aufgrund deutlich gestiegener Bank-Steuern in Großbritannien erwägt das Institut momentan, die Zentrale zu verlagern. Beobachter halten eine Rückkehr von HSBC nach Hongkong für naheliegend, wo das Institut vor rund 150 Jahren gegründet wurde. Es zog erst 1993 nach London, als die Midland Bank übernommen wurde.