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Und woher kommt dein Medikament?

Von Teresa Reiter

Wirtschaft
reuters/Vincent Kessler

Die Pharmazeuten warnen vor den tödlichen Auswirkungen, die Pillen unbekannter Provenienz haben können.


Alpbach/Den Haag. Über 50.000 Menschen in Niger wiegten sich in Sicherheit, als sie 1995 ihre Impfung gegen Meningitis erhielten. Was das epidemiegeplagte Land damals nicht wusste: Der Impfstoff, ein Geschenk des benachbarten Nigeria, war gefälscht. Erst als über 2500 der Geimpften der Krankheit erlegen waren, gegen die sie sich immunisiert glaubten, nahm man die Bedenken von Ärzte ohne Grenzen ernst, die bereits zuvor gemeldet hatten, dass das Medikament optisch anders aussehe als gewöhnlich. Der Handel mit gefälschten Medikamenten ist ein weltweites Problem noch unklaren, aber laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ständig wachsenden Ausmaßes. UN-Zahlen zufolge liegt das diesbezügliche Handelsvolumen im dreistelligen Dollar-Milliardenbereich.

Gut, neutral oder Asphaltfarbe

Luc Besancon, Generalsekretär der Internationalen Pharmazeutischen Vereinigung (FIP) zufolge, gehe es dabei nicht um angebliche Schlankmacher oder Schlafmittel mit zweifelhafter Wirkung, wie sie auch in Österreich legal verkauft werden, sondern um Medikamente, die vollständig außerhalb von staatlicher Kontrolle produziert würden. Und da reiche die Qualität von tatsächlicher positiver Wirkung bis hin zu Produkten, die für den Menschen giftig und manchmal sogar tödlich sind.

"Es handelt sich dabei um Medizin, deren wirklicher Produzent nicht erkennbar ist. Manchmal ist darin überhaupt kein Wirkstoff, manchmal zu wenig, sodass die Behandlung keine Wirkung zeigt, und manchmal können zu kleine Wirkstoffmengen sogar zu einer ungewollten Immunisierung von Bakterien gegen das eigentliche Medikament führen, ohne dass diese getötet werden", so Besancon. Er habe auch schon Medikamente gesehen, die mit derselben Substanz gefärbt wurden, mit der Straßenmarkierungen auf den Asphalt gepinselt werden.

Während der letzten Jahre beobachteten sowohl WHO als auch FIP eine Professionalisierung bei den Produzenten und Händlern der gefälschten Medikamente. Mafiöse Organisationen steigen verstärkt in das Geschäft ein, da die Gewinne groß und Strafen vergleichsweise niedrig sind. "Wenn jemand Ecstasy erzeugt, hat er auch schon die nötigen Maschinen, um andere Pillen herzustellen", erklärt Besancon. Ein leichter Verkauf über das Internet tut das seinige dazu.

Das Problem existiert sowohl in entwickelten als auch in Entwicklungsländern, wobei in Letzteren die Gesetze, beziehungsweise deren Durchsetzung weniger rigoros seien. In Afrika etwa boomt der Schwarzmarkt-Handel mit unzertifizierten Medikamenten. FIP-Zahlen zufolge sind China und Indien die weltweit größten Hersteller von legaler Medizin, auch die größte Quelle an gefälschten Medikamenten. 2013 wurden allein in diesen beiden Ländern insgesamt fast 44.000 Artikel konfisziert. Das liege auch daran, dass beide Staaten bei für den Export bestimmten Produkten längst nicht so strenge Standards anlegen würden wie bei jenen für den Eigengebrauch.

Auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und die Schweiz fallen in der Statistik auf - zwar nicht als Produzenten gefälschter Medikamente, aber als Umschlagplätze. Die VAE sind generell einer der größten Umschlagplätze für den globalen Medikamentenhandel. Ein Umschlagplatz in der Schweiz signalisiere dem Konsumenten, dass das Medikament europäisch sein würde, was als Qualitätsmerkmal gilt, so Luc Besancon.

Schmuggler von illegal hergestellten Medikamenten lernen schnell dazu. Während Zollbeamte vor einigen Jahren noch große Mengen sichergestellt hatten, so wird nun in kleinen Mengen geschmuggelt. Medikamente sind dabei auch schon in Teddybären eingenäht.

Internet-Endung für Qualität

Eine Herausforderung für die Bekämpfer des Handels mit diesen gefälschten Substanzen ist besonders das Erkennen solcher. Unter den Fällen, die von der internationalen kriminalpolizeilichen Organisation Interpol registriert wurden, findet sich auch eine Massenvergiftung durch Hustensaft, bei der 2006 in Panama mehr als hundert Menschen, viele davon Kinder, ums Leben kamen. Statt wirklichen Hustensirups enthielten die Flaschen einen großen Anteil an Diethylenglycol, eine Substanz, die auch als Frostschutzmittel eingesetzt wird. Die Behörden verloren das Rennen gegen die Zeit. Bis ein erster Verdacht gegen das Medikament aufkam, waren die Körper der Toten so weit in den Verwesungszustand übergegangen, dass akkurate Tests nicht mehr möglich waren.

Die FIP plädiert dafür als Prophylaxe im Internet die Endung ".pharmacy" zu vergeben - das sei fälschungssicherer als ein "Gütesiegel" - damit Konsumenten wissen, dass die Produkte auf der Seite den jeweiligen nationalen Gesundheitsstandards entsprechen und regelmäßig überprüft werden.