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Indigniert, irritiert, wütend

Von Gregor Kucera

Wirtschaft

EuGH-Urteil zu Datenaustausch wird in den USA unterschiedlich bewertet. Man blickt nach Dublin.


Washington. Es liegt im Wesen einer überraschenden Entscheidung, vor allem wenn es eine unliebsame ist, dass sich die Auswirkungen nicht gleich offenbaren. So ist vermutlich auch erklärbar, warum es in den USA - einen Tag nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum Ende des Datenaustausch-Abkommens "Safe Harbour" - noch so viel Ratlosigkeit und unterschiedliche Meinungen gibt. Indigniert, irritiert, wütend und enttäuscht, so die schnelle Zusammenfassung der ersten Stellungnahmen.

US-Konzerne wütend

Die großen US-Technologiekonzerne, die es wohl in einem ersten Schritt am meisten trifft, reagierten wütend. Chris Padilla, Vizepräsident bei IBM, sagte, die Entscheidung "gefährdet die lebenswichtigen Datenflüsse" und würde "Europas Plan für einen gemeinsamen digitalen Markt beschädigen". Er fügte hinzu, dass die Entscheidung dazu führen würde "einen unkoordinierten Ansatz für Internet-Regulierung in Europa mit einer erheblichen geschäftlichen Unsicherheit" zu schaffen. Der gleichen Meinung war auch US-Handelsministerin Penny Pritzker: "Wir sind tief enttäuscht von der Entscheidung." Das Urteil schaffe viel Unsicherheit für amerikanische und europäische Unternehmen, wie auch Verbraucher. Zudem stelle es ein Risiko für die Internetbranche dar. Josh Earnest, seines Zeichens Pressesprecher des Weißen Hauses, äußerte Bedenken über die drohenden wirtschaftlichen Konsequenzen des EuGH-Urteils.

"Wir können nicht davon ausgehen, dass jetzt irgendetwas sicher ist", meint Brian Hengesbaugh, Datenschutz-Anwalt bei Baker & McKenzie in Chicago, die am ursprünglichen "Safe Harbor"-Abkommen mitgearbeitet haben. "Das Urteil ist so pauschal und breit gefasst, dass jedes Instrument zum Datenaustausch mit Europa betroffen und bedroht sein könnte."

Von einem "Alptraum" für viele Unternehmen spricht Wikipedia-Gründer Jimmy Wales. "Wenn ich in Europa bin, hoffe ich, dass meine Daten auf einem nahegelegenen Server in Europa liegen. Ich will aber auch die bestmögliche technische Erfahrung. Wenn jetzt auf einmal unterschiedliche Regelungen für mich gelten und ich an verschiedenen Orten unterschiedlich agieren muss, so klingt das nach einem echten Alptraum. Deshalb mag ich die Idee einer rechtlichen Einheit, damit ich darüber nicht nachdenken muss", so Wales am Rande der IP Expo Europe in London.

Gespannte Blicke nach Dublin

Nicht weit weg von London, aktuell aber im Fokus der IT-Welt, wird in Dublin wohl bald weitere Geschichte geschrieben werden. Konzerne, Datenschützer, Anwälte und Anwender blicken gespannt in die irische Hauptstadt. In dieser begann 2013 mit einer Beschwerde von Max Schrems und seiner Initiative "Europe-vs-Facebook" bei der obersten irischen Datenschutzbehörde (Irish Data Protection Commissioner IDPC) das Verfahren gegen den Datentransfer. Und ebendort wird es nun auch seine Fortsetzung finden. Allerdings zeichnet sich ab, dass es eine breite, europäische Entscheidung - und zwar schnell und effektiv - geben soll, da das Urteil für Irland zu groß sei, hört man aus EU-Kreisen.

Aufruf für US-Datenschutz

Es gibt aber noch einen weiteren, spannenden Aspekt in den USA. Das EuGH-Urteil wird zum Anlass genommen, lauter über den Datenschutz zu diskutieren. Wenn man in Europa schon einen Meilenstein setzt, dann sollte man dies auch in den USA tun. Immerhin sind US-Bürger massiver Überwachung durch die Geheimdienste ausgesetzt.