Shanghai/Wien. (klh) Er ist ein Ausnahmefall - wurde er doch nach einem Philosophiestudium steinreich. Der Chinese Guo Guangachang gründete im Jahr 1992, nachdem er sein Studium an der angesehenen Shanghaier Fudan-Universität abgeschlossen hatte, mit Geschäftspartnern seine erste Firma. Das Startkapital betrug umgerechnet ein paar tausend Euro. Heute beläuft sich Guos Vermögen laut der Nachrichtenagentur Bloomberg auf 5,6 Milliarden Dollar, der Mann, der in ärmlichen Verhältnissen in einem Dorf aufgewachsen ist, zählt zu den 20 reichsten Chinesen.

Sein Unternehmen Fosun ist ein gigantischer Mischkonzern. Groß wurde die Fosun-Gruppe, als die Regierung im Zuge der wirtschaftlichen Reformen eine Branche nach der anderen liberalisierte. Im Pharmasektor, in der Immobilienbranche, der Stahl- und Eisenerzindustrie - immer war Fosun mit dabei. Zudem hat Guo sein Konglomerat in den vergangen Jahren durch ein Reihe von Transaktionen zu einem weitverzweigten Global Player gemacht und war zuletzt auch in Europa als Großeinkäufer unterwegs. Seine Gesellschaften besitzen den Tourismusriesen Club Med, den griechischen Modeschmuckhändler Folli Follie sowie eine Beteiligung am Cirque du Soleil.

Banker und Mitarbeiter beschreiben Guo, der auch Warren Buffet Chinas genannt wird, als detailverliebt, willensstark und zielstrebig. Das hat ihm sicher bei seinen Geschäften geholfen, aber auch seine Verbindungen zur Elite und Partei haben wohl nicht geschadet, schließlich war Guo von 2003 bis 2013 Abgeordneter des Nationalen Volkskongresses.

Doch auf den kometenhaften Aufstieg könnte nun der tiefe Fall folgen. Guo ist diese Woche plötzlich verschwunden. Die Mitarbeiter von Fosun konnten laut der Onlinezeitung "Caixin" ihren Chef seit Donnerstagvormittag nicht erreichen, niemand wusste, wo er verblieben war. User sozialer Medien berichteten, sie hätten gesehen, wie der Manager am Flughafen Shanghai von Sicherheitsbeamten abgeführt wurde. Freitagabend gab Fosun dann bekannt, Guo unterstütze die Behörden derzeit bei "bestimmten Untersuchungen".

All das heizte in China kräftig die Gerüchteküche an und dabei fiel ständig ein Schlagwort, das schon länger viele, die etwas zu verlieren haben, verunsichert: Anti-Korruptions-Kampagne. Präsident Xi Jinping fährt seit seinem Amtsantritt diese öffentlichkeitswirksame Kampagne, die bereits zur Festnahme und Verurteilung zahlreicher ranghoher Beamter geführt hat. Zuletzt geriet zusehends die Finanzwirtschaft ins Visier. Seit dem Crash im Sommer, als die Kurse an der Leitbörse in Shanghai um mehr als 30 Prozent einbrachen, wurden mehrere Manager verhaftet oder verhört.

Guo könnte nun der prominenteste Fall sein. Vielleicht hilft er nämlich nicht nur bei Untersuchungen, sondern ist selbst in Bedrängnis. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua nannte seinen Namen bereits in Zusammenhang mit unlauteren Geschäften.

Fosun verliert wohl Rennen
um BHF-Bank

Guos Fosun-Gruppe kam durch sein Verschwinden jedenfalls bereits in Turbulenzen. Der Handel mit Wertpapieren von Fosun International und der Tochterfirma Fosun Pharmaceutical wurde am Freitag an der Börse in Hongkong ausgesetzt.

Und auch im Übernahmekampf um die deutsch-britische Finanzgruppe BHF Kleinwort Benson, zu der die traditionsreiche Frankfurter BHF-Bank gehört, hat Fosun wohl das Nachsehen. Das Rennen dürfte die französische Privatbank Oddo & Cie machen, die nun eine wichtige Hürde für die Übernahme genommen hat. Die Europäische Bankenaufsicht nickte den Deal ab. Auflage ist allerdings, dass Oddo die in Aussicht gestellte Kapitalerhöhung von 100 Millionen Euro vollzieht. Die Franzosen wollen die BHF für rund 600 Millionen Euro übernehmen und bieten 5,75 Euro je Aktie - Fosun nur 5,10 Euro. Ohne den Vorsitzenden Guo scheint Fosun nun jedenfalls gelähmt.

Doch die BHF-Bank könnte bald ohnehin zu seinen geringeren Sorgen zählen. Denn bei seinem nächsten Match geht es für Guo vielleicht nicht um seine Millionen, sondern um seine Freiheit. Und Schauplatz wären dann nicht die Aktienmärkte dieser Welt, sondern ein chinesisches Gericht.