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"Mit Samthandschuhen"

Von Konstanze Walther

Wirtschaft

Die US-Notenbank Federal Reserve erhöht zum ersten Mal seit fast zehn Jahren den Leitzinssatz.


Washington. Ein paar Minuten bevor die US-Notenbank Fed ihre Entscheidung über die Zinserhöhung bekannt gab, war die Anspannung greifbar unter den Händlern auf der Wall Street. Alle starrten auf die Schirme, schließlich spielte ein Trader zur Auflockerung den Rock-Klassiker "The Final Countdown".

So sehr wurde die Entscheidung der US-Notenbank erwartet, ersehnt, herbeigeschrieben, so sehr fühlte man sich bis dahin gelähmt. Man hat schon im September mit einer Erhöhung gerechnet, und dann durch die Finger geschaut.

Doch jetzt, am 16. Dezember 2015 hat die Fed geliefert, was sie schon im März versprochen hat: Sie hat den Leitzinssatz um 0,25 Prozent angehoben. Damit beendet die Notenbank das Ende einer Ära, beendet die "außergewöhnliche Periode" der Nullzinsen-Politik, die mit 2008 im damaligen Wording von dem damaligen Fed-Chef Ben Bernanke für "eine gewisse Zeit" eingeläutet worden war, und von der niemand annahm, dass sie sieben Jahre lang dauert.

"Es ist schon eine Zeit her, seit die Fed die Zinsen erhöht hat", meint die jetzige Fed-Chefin Janet Yellen trocken bei der Pressekonferenz im Anschluss an den Offenmarkt-Ausschuß der Notenbank - eine nüchterne Art ist schließlich ein Einstellungskriterium für Notenbank-Chefs. Und sie setzte beschwichtigend hinzu: "Man muss das jetzt nicht aufbauschen. Es sind schließlich nur 25 Basispunkte." Unterdessen berichteten Fernsehsender, dass sich die Trader auf dem New Yorker Parketthandel euphorisiert "Jetzt geht’s los" zuschrieen.

"Nicht aufbauschen, schritteweise, vorsichtig"

Und was kommt danach? Für Yellen stehen die Prinzipien fest: "vorsichtig", mit Bedacht, werde man nun die Konjunktur beobachten, wie sie auf den ungewohnten Impuls, nämlich die Leitzinserhöhung, reagiert. Alles Spätere werde nur "schrittweise" erfolgen. "Die Entscheidung des Komitees zeigt unsere Zuversicht, dass sich die Wirtschaft erholt", erklärte Yellen. Die Fundamentaldaten passen. "Die bescheidene Erhöhung des Zinssatzes ist jetzt angemessen", da sich das Arbeitsmarktklima verbessert - die Arbeitslosenrate nähere sich ihrem Median-Wert, und man auch in Bezug auf die Inflationsentwicklung guten Mutes sei. Aber: "Wir wissen, dass unsere Geldpolitik noch immer zurückhaltend ist." Der Zinsschritt selbst, da waren sich die Märkte einig, war erwartet worden - auch in genau diesem Ausmaß, dass der Schlüsselsatz für die Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld auf eine Spanne von 0,25 bis 0,5 Prozent angehoben wurde. Was aber aufgefallen war: wie oft, Yellen die Worte "schrittweise" und "vorsichtig" wiederholt hat.

Ökonom Brzeski: "Fed scheint nicht völlig überzeugt zu sein"

"Es ist eine Zinserhöhung mit Samthandschuhen", diagnostiziert Carsten Brzeski, Chefökonom der Ing-Diba, den Schritt gegenüber der "Wiener Zeitung". "Man kann die Zinserhöhung eigentlich eine ‚lockere Straffung‘ - a dovish tightening - nennen." Angesichts der Wortwahl darf der Markt laut Brzeski nur mehr mit zwei -maximal drei - weiteren Zinserhöhungen im nächsten Jahr rechnen. Und auch Vorsicht kann seinen Preis haben. Die Gefahr der Strategie der Samthandschuhe sei nach Ansicht Brzeskis, "dass die Fed ein bisschen den Eindruck erweckt, dass sie von ihrer eigenen Entscheidung nicht vollständig überzeugt ist.

Die Folge an den Märkten wird wohl weiterhin hohe Volatilität sein." Trotzdem heißt es endlich einmal Durchatmen: "Die Zinserhöhung ist da. Damit können wir das endlose Thema ‚tun sie es oder tun sie es nicht‘ endlich zu den Akten legen", erklärt Brzeski. Unmittelbar nach der Fed-Entscheidung pendelte der Kurs des Euro zum Dollar leicht, blieb aber weitgehend stabil. Der Dow-Jones-Index, der die wichtigsten Aktien abbildet, stieg ein wenig.