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Strafzinsen für Japans Banken

Von WZ-Korrespondenten Sonja Blaschke

Wirtschaft

Finanzinstitute sollen so ermuntert werden, mehr Geld zu verleihen. Die Zentralbank hofft, damit die schwächelnde Wirtschaft anzukurbeln.


Tokio. Der Chef der japanischen Zentralbank ist bekannt für Überraschungen. "Bazooka Kuroda" nennt man Haruhiko Kuroda, nach einer Panzerfaust. Aber dass er erstmals in der Geschichte seines Instituts Negativzinsen für Finanzinstitute einführen würde, hatte wohl kaum jemand erwartet. Mit nur einer Stimme Mehrheit beschloss der geldpolitische Rat einen Zinssatz von minus 0,1%, weitere Vorstöße in den negativen Bereich nicht ausgeschlossen.

Das Ziel dieser Hauruck-Aktion: Kuroda will mit solchen "Strafzinsen" die Banken dazu bewegen, mehr Geld an Firmen zu verleihen - und damit mehr Geld in Japans Wirtschaft spülen. Er begründete den Schritt unter anderem mit der Auswirkung niedriger Ölpreise sowie mit dem zuletzt deutlich verlangsamten Wachstum der chinesischen Wirtschaft.

Hätte der negative Zinssatz den gewünschten Effekt, könnte Kuroda womöglich beweisen, dass seine Versprechungen, eine Inflation von zwei Prozent zu erreichen, nicht leer waren. Zwei Jahre wollte er dafür brauchen - aber auch drei Jahre später ist er weit entfernt davon. Zuletzt betrug die Inflation im Dezember, Kosten für Lebensmittel und Energie ausgenommen, gerade 0,8 Prozent. Nun will Kuroda bis zum Sommerhalbjahr 2017 sein Ziel erreichen.

Mit negativen Zinssätzen beschreitet die japanische Zentralbank für sie neues Terrain; europäische Zentralbanken bewegen sich darauf schon länger, obwohl die Idee ursprünglich aus Japan stammte. Die Schweiz kennt negative Zinssätze von minus 0,75 Prozent, Schweden minus 1,1 Prozent und Dänemark minus 0,65 Prozent. Die neuen Zinssätze betreffen nur Finanzinstitute, die Konten bei der Zentralbank haben, nicht Privatkunden. Es ist aber nicht auszuschließen, dass die Institute die höheren Kosten künftig an private Sparer weitergeben. Aber auch nicht alle Konten der Finanzinstitute sind betroffen. Über ein dreistufiges System von Zinssätzen - positiv, null und negativ - wolle man verhindern, dass durch die höheren Ausgaben die Funktion der Finanzinstitute als finanzielle Mittler geschwächt würde, hieß es in einer Erklärung der Zentralbank.

"Verzweiflungstat"

Die überraschende Ankündigung Kurodas brachte den Aktienmarkt zum Erzittern. Der japanische Yen, der in den letzten Wochen an Kraft gewonnen hatte, verlor klar an Wert gegenüber anderen wichtigen Währungen. Dabei hatte Kuroda, der früher Präsident der asiatischen Entwicklungsbank war, erst kürzlich gegenüber einem Budgetkomitee des Parlaments verkündet, dass er keine weiteren Stimulus-Maßnahmen plane.

Seit Jahren versucht Japan, möglichst viele der 127 Millionen Einwohner dazu zu bringen, ihr Geld nicht auf kaum verzinsten Sparkonten zu bunkern, sondern auszugeben. Einmal ging die Regierung sogar so weit, Einkaufsgutscheine auszugeben, um die Nachfrage anzukurbeln. Manche Beobachter sehen in der plötzlichen Aktion Kurodas eine letzte verzweifelte Maßnahme, Japans Wirtschaft aus ihrer Lethargie zu reißen. Dazu gehört Martin Schulz vom Fujitsu Institut in Tokio. "Negative Zinsraten gehören zu den letzten Instrumenten im Werkzeugkasten der japanischen Zentralbank", sagte Schulz der britischen BBC, "aber es ist unwahrscheinlich, dass sie einen starken Effekt haben werden." Die Wirtschaftspolitik von Premierminister Shinzo Abe, nach ihm kurz "Abenomics" benannt, steht erneut auf dem Prüfstand. Nachhaltige Erfolge lassen auf sich warten. Zuletzt musste einer der wichtigsten Architekten der "Abenomics" infolge eines Bestechungsskandals seinen Hut nehmen. Wirtschaftsminister Akira Amari wurde vorgeworfen, dass er und ein Mitarbeiter von einer Baufirma rund 12 Millionen Yen in bar und in Form von Geschenken und ausgiebigen Essen in Luxusrestaurants angenommen hätten. Amari galt als einer der wichtigsten Vertrauten des japanischen Premiers. Er verhandelte zuletzt den Beitritt Japans zum transpazifischen Partnerschaftsabkommen (TPP), einer Freihandelszone unter Leitung der USA. Anfang Februar sollte Amari zur feierlichen Vertragsunterzeichnung nach Neuseeland fliegen. Nun dürfte diese Aufgabe seinem auffallend schnell ernannten Nachfolger zufallen, Nobuteru Ishihara, einem früheren Generalsekretär der regierenden Liberaldemokraten.