"Wiener Zeitung": Haben Sie im Moment einen 500-Euro-Schein in der Tasche? Der soll ja abgeschafft werden.

Andreas Dombret: Nein. Aber ich hatte einmal kurz vor Weihnachten einen 500-Euro-Schein und erinnere mich noch gut an die Schwierigkeiten, damit zu bezahlen. Aber zu Ihrer Frage: Der EZB-Rat diskutiert in der Tat die Abschaffung des 500-Euro-Scheins. Zugleich wird auf europäischer Ebene über eine Obergrenze jener Summe diskutiert, in der man mit Bargeld zahlen darf. Das deutsche Finanzministerium hat eine Obergrenze von 5000 Euro ins Spiel gebracht. Beide Vorschläge werden damit begründet, auf diese Weise Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche bekämpfen zu können. Aus meiner Sicht sind jedoch Zweifel angebracht, ob dadurch Terroristen oder Kriminelle tatsächlich an illegalen Handlungen gehindert werden. Entscheidend ist, dass das Vertrauen der Bürger in die gemeinsame Währung keinen Schaden nehmen darf, auch weil der Eindruck entstehen könnte, Bargeld werde nach und nach abgeschafft. Aus Sicht der Bundesbank sollte es jedem Bürger überlassen bleiben, ob er lieber mit Bargeld oder unbar bezahlt.

Welche Auswirkungen hätte ein Austritt Großbritanniens aus der EU für die Union und für den Finanzplatz London?

Die gesamten Folgen eines Austritts sind heute nicht abzusehen. Das Vereinigte Königreich spielt eine wesentliche Rolle in der EU; der Brexit wäre ein bedeutender Rückschlag. Das sage ich als Vertreter des Finanzplatzes Frankfurt, der von einem Brexit vermutlich besonders profitieren würde. Dennoch betone ich, dass ich einen Brexit sehr bedauern würde. Letztlich ist die Frage eines Austritts oder Verbleibs des Vereinigten Königreiches in der EU eine Entscheidung, die allein das britische Volk in Form eines Referendums fällen wird. Aus ökonomischer Sicht profitieren alle davon, dass das Vereinigte Königreich EU-Mitglied ist. Es wäre aber - und das ist nicht als Warnung oder Drohung zu verstehen - durchaus eine Herausforderung für das Vereinigte Königreich und für den Finanzplatz London, eine neue Rolle außerhalb der EU zu finden. Und die Auswirkung auf den britischen Wechselkurs wäre zweifelsohne verheerend.

Es gibt aber auch Vertreter der Londoner City, die sich schon richtig darauf zu freuen scheinen, dem regulatorischen Korsett der Union - so empfinden sie es offenbar - zu entgehen.

Das mag sein. Wer wird schon gern streng reguliert. Fakt ist aber: Auch wenn das Vereinigte Königreich eine Insel ist, in der Regulierung gibt es auf der ganzen Welt keine Inseln mehr. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU einen Austritt aus den international vereinbarten Basel-III-Bankenregulierungsstandards oder den Vereinbarungen des Finanzstabilitätsrats nach sich ziehen würde. Viele Verpflichtungen, die sich aus diesen und anderen Mitgliedschaften ergeben, würden also weiter bestehen. Es wäre also falsch gedacht, dass man durch einen Brexit einen Austritt aus allen "Regulierungskorsetten" erreichen könnte.

Wie ist der Stand der Dinge bei der Bankenunion?

Die Bankenunion ist der wichtigste Integrationsschritt im Finanzbereich seit Einführung des Euro. Die Mitgliedsländer der Eurozone geben an zwei Stellen maßgeblich eigene souveräne Rechte auf: einerseits bei der Bankenaufsicht und andererseits bei der Frage, wie Banken im Falle einer Schieflage abgewickelt werden. Integrierte Kapital- und Bankenmärkte brauchen eine integrierte, harmonisierte Bankenaufsicht. Die Herausforderung bestand und besteht darin, ein System, das national aufgestellt war, jetzt in eine europäische Einheit zu überführen. Das System funktioniert sehr gut, es besteht aber noch Harmonisierungsbedarf.

Bei der gemeinsamen Einlagensicherung scheint es ebenfalls noch Diskussionsbedarf zu geben.

Dieser dritte Baustein der Bankenunion ist grundsätzlich sinnvoll. Denn der Versuch ist richtig, die Abhängigkeit der Kreditinstitute von der wirtschaftlichen Lage des jeweiligen Staates zu trennen und neben der Bankenaufsicht und der Bankenabwicklung auch in der Frage der Einlagensicherung eine europäische Lösung zu finden. Den Vorschlag der EU-Kommission sehe ich allerdings sehr kritisch, weil ich eine gemeinsame Einlagensicherung zum jetzigen Zeitpunkt für viel zu verfrüht halte.

Warum?

Weil wesentliche Voraussetzungen für eine gemeinsame Einlagensicherung heute noch nicht bestehen. Der Stand der wirtschaftlichen Integration innerhalb der Eurozone ist alles andere als ausreichend. Wir haben weiterhin einen erheblichen Einfluss der jeweiligen nationalen Wirtschaftspolitik auf die wirtschaftliche Lage der Kreditinstitute in den jeweiligen Ländern. Zudem sind die wirtschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen nach wie vor sehr unterschiedlich.

In welcher Hinsicht?

Es geht darum, die unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen zu harmonisieren: Wann gilt ein Kredit als notleidend? Wie sieht es mit dem Insolvenzrecht aus? Solche Fragen haben große und direkte Auswirkungen auf die Lasten, die die Banken und Sparkassen bei einer Insolvenz eines Kreditnehmers tragen müssen. Um die Einlagensicherung zu vereinheitlichen, müssen auch diese Rahmenbedingungen - die derzeit noch von Land zu Land so unterschiedlich sind - einander angeglichen werden.