Wien. Die Mehrheit der Anleger sind wachstumsorientiert. Sie kaufen Aktien einer Firma mit dem guten Gefühl, ein sicheres Investment getätigt zu haben. Dieses Gefühl hat seinen Preis, aber die Hoffnung lebt, dass dieser Unternehmenswert wächst. In Zeiten niedrigen Wirtschaftswachstums sind solche Aktien derart begehrt, dass sie teurer sind, als ihr Anteil am Unternehmenswert ausmachen würde. In den USA zählt man zu solchen "Growth Stocks" Technologiewerte wie Google oder Amazon, in Europa dagegen Branchen wie Nahrungsmittel, Pharmazie und Rüstungsindustrie.
Daneben gibt es die Gruppe jener Anleger, die einen wertorientierten Ansatz verfolgen. Sie sehen sich ein Unternehmen, eine Branche an und schlagen dort zu, wo das Unternehmen zu einem niedrigeren Preis als sonst gehandelt wird - wahrscheinlich unter seinem Wert - und sich aber nach Ansicht der Käufer erholen wird. Diese Gruppe der Aktienhändler (die mit "value stocks" handeln) bildet die Minderheit - und sie wird immer kleiner. "Viele meiner Kollegen sind in den letzten Jahren dazu übergegangen, lieber den wachstumsorientierten Ansatz zu verfolgen", erklärt der erfahrene Händler Marc Renaud, Gründer des französischen Fonds Manderine Gestion, der sich der Value-Investing-Strategie verschrieben hat, also unterbewertete Unternehmen kauft. Der Grund für die "Überläufer" unter Renauds Kollegen: Die Aktienmärkte in der jüngeren Vergangenheit sind nicht für schwache Nerven, und gerade die Value-Investing-Strategie baut auf ein makroökonomisches Umfeld, in dem sich das angeschlagene (und daher billige) Unternehmen erholen kann. Außerdem haben die Finanzmärkte zu Jahresbeginn eine richtige Achterbahnfahrt durchgeführt, fast täglich wurde ein neues Tal erreicht, auch wenn es dann alle paar Tage wieder nach oben gegangen ist, und viele Aktien durchaus Boden gutgemacht haben.
Eine um sich greifende Panik zu Jahresbeginn
"Der Markt wurde zu Jahresanfang von pechschwarzen Szenarien dominiert", erklärt Renaud bei einem Pressefrühstück in Wien: Auf einmal war die Panik geboren, dass sich das Wachstum in China nicht nur verlangsamt, sondern dass gleich ganz China kollabiert. Es herrschte weiters die Angst, dass in den USA die Wirtschaft nicht in Gang kommt. All das wurde von der Sorge angeheizt, dass die Zentralbanken schon am Ende ihrer Möglichkeiten sind, um den Volkswirtschaften im Falle des Falles vom Boden aufzuhelfen.