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Schatzkiste und Milliardengrab

Von Konstanze Walther

Wirtschaft

Brasiliens Energiekonzern kommt nicht mehr auf die Beine.


Brasilia. Mit der Suspendierung von Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff hat die landesweite Korruptionsaffäre um den teilstaatlichen Energiekonzern Petrobras am Donnerstag ihren neuen Höhepunkt gefunden. Aber während die mediale Aufmerksamkeit sich derzeit auf die Überlebenskämpfe der zahlreichen kompromittierten Politiker richtet, ringt das ehemals stolze Unternehmen von der Öffentlichkeit fast unbemerkt um seine Existenz.

Genau an jenem Tag, als alle Augen auf den Präsidentenpalast in Brasilia gerichtet waren, wo Dilma Rousseff ihre vorläufige Abschiedsrede nach ihrer spektakulären Entmachtung hielt und der nun amtsführende Staatschef Michel Temer sein Kabinett vorstellte, veröffentlichte das Unternehmen spätabends seinen Finanzreport über das erste Quartal 2016 - also die Monate Jänner bis März. Zu der Publikation der Zahlen ist der börsennotierte Konzern schließlich verpflichtet. Doch die Lektüre des Quartalsberichts macht verständlich, weshalb man diese Zahlen nicht an die große Glocke hängen will.

Allein in den ersten drei Monaten machte der Konzern einen Verlust von 1,2 Milliarden Real (umgerechnet 340 Millionen US-Dollar beziehungsweise 310 Millionen Euro).

Der Verlust würde sich laut dem Bericht zum Teil aus höheren Kosten für Zinsen und negativen Wechselkursraten ergeben. Petrobras muss im Ausland Erdöl zukaufen, um die Inlands-Versorgung mit quasi gedeckelten Preisen garantieren zu können - die Differenz musste der Konzern schlucken. Im Quartalsbericht gibt das Unternehmen aber auch eine Reduktion von sieben Prozent bei der Produktion von Öl und Erdgas zu, sowohl in Brasilien selbst als auch im Ausland. Der Verkauf von Erdölderivaten sei allein in Brasilien um acht Prozent gesunken. Die Kosten für die Abschreibungen sowie die von Ausrüstungen sind gestiegen.

Und auch wenn man viele der negativen Faktoren herausrechnet, wie etwa die Abschreibungen und die Zinsen, so ist dieses operative Ergebnis (Ebitda) trotzdem mit 21,1 Milliarden Real um 400 Real niedriger als das Quartalsergebnis im Jahresvergleich (21,5 Milliarden Real im ersten Quartal 2015).

Die Investitionskosten, ein Indikator für die Zukunftspläne, sind - in US-Dollar gerechnet - um 36 Prozent auf vier Milliarden US-Dollar gesunken (in Real gerechnet sind die Investitionskosten nur um 13 Prozent auf 15,6 Milliarden gesunken).

Die in US-Dollar fakturierte Nettoverschuldung ist gegenüber dem Vorquartal um drei Prozent gestiegen. Auch das ist keine gute Nachricht: Während man im Mai vergangenen Jahres einen Dollar für drei Real bekommen hatte, mussten im ersten Quartal 2016 mindestens vier Real für einen Dollar hingelegt werden - Auslandsschulden sind damit um ein Drittel teurer geworden. Derzeit notiert ein US-Dollar bei gut 3,5 Real, das ist noch immer eine Verteuerung von einem Sechstel.

Erst vergangene Woche hat Petrobras mit Chinas Export-Import-Bank Exim ein Abkommen über einen Kredit von einer Milliarde US-Dollar unterzeichnet, der ebenfalls in der US-Währung fakturiert wird.

Für den Konzern ist daher die Frage zentral, wie sich der Wechselkurs in Zukunft entwickelt. Der nun amtierende Präsident Michel Temer hat ein Kabinett zusammengestellt, das als wirtschaftsliberal gilt - Vertreter einer Ideologie, die sich tendenziell nicht in das freie Spiel der Kräfte einmischen will. Stützende Maßnahmen für den Wechselkurs sind daher nicht zu erwarten.

Ein Kabinett der weißen Männer

Zum Finanzminister bestimmte der neue Präsident Temer den 70-jährigen Finanzfachmann Henrique Meirelles, der einst Zentralbank-Chef war und für eine konservative, marktfreundliche Finanzpolitik steht. Dem 24-köpfigen Kabinett von Temer gehören übrigens ausschließlich weiße Männer an. "Zum ersten Mal seit der Diktatur (1964-85) in Brasilien gibt es keine Frau im Kabinett. Das ist besorgniserregend", sagte der Rechtsexperte Ivar Hartmann von dem Think Tank Fundação Getúlio Vargas in Rio de Janeiro. In der Regierung Rousseffs waren mehrere Frauen und schwarze Politiker vertreten.

Petrobras hat sich unterdessen darauf eingestellt, den Gürtel einger zu schnallen. Im Mai wurde zum einen das ganze Verteilernetz von Petrobras in Chile verkauft sowie zum anderen die gesamte Petrobras-Operation in Argentinien.