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Die fetten Jahre sind vorbei

Von WZ-Korrespondentin Simone Brunner

Wirtschaft

Als einziger Regierungschef eines EU-Staates nimmt heuer Kanzler Christian Kern teil.


Sankt Petersburg. Das neue Ausstellungszentrum Lenexpo ist herausgeputzt, die internationalen Flaggen sind gehisst und schwarze Limousinen fahren vor: Von 1. bis 3. Juni hat der russische Präsident Wladimir Putin wieder in seine Heimatstadt zum jährlichen internationalen Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg geladen.

Das Forum, laut Forbes das "wichtigste PR-Instrument des Kremls, um die globale wirtschaftliche Bedeutung Russlands zu zeigen", ist das größte russische Wirtschaftsevent. Zugleich steht Sankt Petersburg, das als "Fenster zum Westen" unter Zar Peter dem Großen gegründet wurde, wie keine andere Stadt des Landes für die Europäisierung Russlands. Doch vor allem seit dem Ausbruch der Ukraine-Krise 2014 und den EU-Sanktionen sind westliche Gäste der Veranstaltung fern geblieben. So klingt das offizielle Thema des diesjährigen Forums eher danach, aus der Not eine Tugend zu machen: "Achieving a New Balance in the Global Economic Arena", das Ziel, eine "neue Balance in der globalen Wirtschaftswelt zu erreichen".

Eine Frage der Moral

Das "russische Davos", wie es oft genannt wird, hat international deutlich an Format verloren. 2013 waren noch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der niederländische Regierungschef Mark Rutte zu Gast. Aus der EU kam dann 2015 nur noch der griechische Premier Alexis Tsipras, 2016 sein italienischer Amtskollege Matteo Renzi - beide bekannte Kritiker der EU-Sanktionen gegen Russland. Doch in diesem Jahr kommen wieder mehr EU-Politiker nach Sankt Petersburg. Neben dem österreichischen Kanzler Christian Kern hat sich auch der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel angemeldet. Am Freitag wird Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer erwartet. Kanzler Kern soll heute, Freitag, eine Rede in der Plenarsitzung mit Präsident Putin halten.

Prominent am Forum sind derweil Indien und Serbien vertreten. "Für uns ist es wichtig, präsent zu sein und an den Verbesserungen unserer Beziehungen mit Russland zu arbeiten", sagt Wladimir Tomic von der serbischen Entwicklungsagentur. "Serbien wird niemals Sanktionen gegen Russland einführen", beteuert Außenminister Ivica Dacic in einer Diskussionsrunde. "Das ist für uns nicht nur eine politische, sondern auch eine moralische Frage." Ein Sprecher auf dem Indien-Stand lobt derweil die Beziehungen zu Russland: "Wie mit der Sowjetunion haben wir auch mit Russland immer nur die besten Erfahrungen gemacht."

Nach den Jahren, in denen Russlands Wirtschaft von der Krise stark gebeutelt wurde, geht es dem Land heute ökonomisch wieder besser. Der Ölpreis hat sich zuletzt erholt, die Wirtschaft ist im ersten Quartal 2017 zumindest um 0,5 Prozent gewachsen. "Russland hat den Doppelschlag aus niedrigen Ölpreisen und Sanktionen verkraftet", sagt Matthias Schepp, Geschäftsführer der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer, der dpa.

So sind auch die Teilnehmer um vorsichtigen Optimismus bemüht. In einem Publikumsvoting werden die Gäste gebeten, ihre Wachstumsprognose für 2017 abzugeben. Die Mehrheit stimmt für zwei Prozent - das ist deutlich höher als EU-Kommission (1,2 Prozent) und Internationaler Währungsfonds (1,4 Prozent) voraussagen. Die russische Sberbank rechnet heuer gar mit nur 0,8 Prozent Wachstum.

Auf den Panels dominiert dennoch der Konjunktiv. "Wenn wir unsere Reformen durchbringen, dann könnte das Wachstum auf zwei bis drei Prozent steigen", sagt Alexej Kudrin. Der Ex-Finanzminister und nunmehrige Leiter des Zentrums für Strategische Entwicklung wurde von Putin beauftragt, ein Konzept zur Ankurbelung der russischen Wirtschaft auszuarbeiten. Darin steht: "Wir müssen Institutionen schaffen und investieren, um auf dem internationalen Markt zu bestehen, abseits der Rohstoffwirtschaft." "Das russische Budget ist kein Wunschkonzert", kontert Finanzminister Anton Siluanow. Er macht deutlich, dass der russische Staat - vor allem im Vergleich zum Wirtschaftsboom in den Nullerjahren - den Gürtel wird enger schnallen müssen. Die Diskussionen drehen sich um wenig kontroversielle Themen wie grüne Energie und digitale Wirtschaft. Die Verhandlungen zwischen Geschäftspartnern finden meist hinter verschlossenen Türen statt, bevor die Verträge medienwirksam unterzeichnet werden.

Werbung für die Krim

Derweil wird auf dem Forum auch für Investitionen auf der Krim geworben. "Krim. Die beste Zeit zu investieren", lockt ein Informationsstand über die ukrainische Halbinsel, die 2014 von Russland annektiert wurde. Auf einem Monitor kann man sich durch "Investitionsprojekte" klicken. Im Nachbarpavillon lässt sich mit einem Flugsimulator die Meerenge von Kertsch überfliegen, wo bis 2018 eine Brücke die Halbinsel mit dem russischen Festland verbinden soll. Es sei eine Frage der Zeit, bis die Sanktionen fallen und die Krim international anerkannt werde, meint Anna Kowalenko, Vize-Wirtschaftsministerin in Sewastopol. Sie redet von den Sanktionen wie von einer Konjunkturflaute. "Wir ermuntern Investoren, jetzt zu kommen und nicht erst in zwei bis drei Jahren, wenn die Sanktionen fallen."