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Globalisierung am Ende

Von Thomas Seifert

Wirtschaft
© itestro - Fotolia Sergio Donà

Trump kündigt Protektionismus an, dem Freihandel geht die Luft aus.


Washington/Peking/Wien. "Build the wall! Baut die Mauer!" Das war einer der wichtigsten Kampagnenslogans des Republikaners Donald Trump. Er versprach seinen Wählern eine massive Mauer entlang der mexikanischen Grenze. Zuletzt ruderte Trump zurück: Ein Zaun tut es auch. Doch Build the Wall ist vor allem auch eine Metapher für Protektionismus, und damit scheint es Trump ernst zu sein. Diese Woche hat er angekündigt, dass er das Transpazifische Partnerschaftsabkommen (Trans-Pacific Partnership, kurz TPP) aufkündigen wird. Damit wäre das geplante Handelsabkommen zwischen den USA, Australien, Brunei, Chile, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam geplatzt. Der Volksrepublik China droht Trump damit, das Land mit Zöllen zu belegen und als Währungsmanipulator zu brandmarken. Das TTIP-Abkommen zwischen EU und USA ist ebenfalls so gut wie tot.

Amerika, das seit dem Zweiten Weltkrieg Garant für globalen Freihandel war, in dessen Zentrum der US-Dollar steht, verabschiedet sich unter Donald Trump offenbar von der Freihandels-Idee, die auf die Säulenheiligen der Ökonomie zurückgeht, den englischen Nationalökonomen Ökonomen David Ricardo (1772-1823) und den Schotten Adam Smith (1723-1790). Nach deren Thesen ist es, vereinfacht gesagt, effizienter, dass Italien Wein keltert und Belgien Bier braut, als wenn jede Volkswirtschaft für den eigenen Bedarf produziert.

Die USA übernahmen nach dem Niedergang des britischen Imperiums die Stafette der globalen wirtschaftlichen Führungsmacht. New York war der neue Dreh- und Angelpunkt des globalen Finanzkapitalismus, der Dollar Leitwährung. Amerika hatte noch während des Zweiten Weltkriegs bei der Konferenz von Bretton Woods im Mount Washington Hotel eine Nachkriegswirtschaftsordnung durchgesetzt, in deren Zentrum seither die Vereinigten Staaten von Amerika stehen.

Werden die USA zu Trumpistan?

Damit könnte, wenn die USA zu Trumpistan mutieren, Schluss sein. Amerikas Verbündete in Europa und Asien werden nach dem Ende der Pax Americana die Führungsrolle der USA nicht mehr unwidersprochen hinnehmen und sich mehr und mehr mit der aufstrebenden Wirtschaftsmacht China arrangieren. Anstatt ein System zu reparieren, das hunderte Millionen Menschen in Lateinamerika, Asien und Afrika aus der Armut geholt hat, aber auch zig Millionen Globalisierungsverlierer produziert hat, droht Trump es nun zu zerschmettern. Dass dieses System in den Industrieländern die Reichen noch reicher gemacht hat, während die Löhne der Niedrigverdiener seit Jahrzehnten stagnieren, hat die Unterstützung für die Globalisierung in den Industrienationen schwinden lassen.

Doch die lauten Rufe nach Protektionismus - noch dazu aus dem Mund eines Republikaners - sind neu. Der Protektionismus-Einflüsterer von Trump heißt Peter Navarro. Er ist Professor für Ökonomie an der Paul Merage School of Business der University of California in Irvine, südlich von Los Angeles. Er fiel China-Beobachtern bereits 2011 mit dem Buch und Dokumentarfilm "Death by China - Tod durch China" auf. Navarro hat seither nachgelegt, in seinem neuesten Werk "Crouching Tiger" schreibt er über die Gefahr eines Krieges zwischen den USA und China. Der an der George Mason University lehrende Ökonom Tyler Cowen bezeichnet Navarros Film in einer seiner Kolumnen für den Wirtschaftsnachrichtendienst Bloomberg als "polemisch" und "neomerkantilistisch". Navarro schrieb in einem E-Mail an Cowen: "Mein Film erzählt die unbezahlbare Geschichte, wie Bill Clinton dafür gesorgt hat, dass Amerika den Schanghai-Fluss hinunterschwimmt." Trump hatte sich in seiner Wahlkampagne als Fan von Navarros Film geoutet und pries den Film: "Tod durch China trifft den Nagel auf den Kopf."

Das Gespenst von 1930

Wenn Trump mit seiner Politik ernst macht, dann drohen schwere Konsequenzen für die Weltwirtschaft. Die Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre ist das Paradebeispiel dafür, wie ein Protektionismus-Wettlauf die Welt in den Abgrund stürzt. 1930 unterzeichnete Präsident Herbert Hoover den Smoot-Hawley Act. Das Gesetz, das eine massive Erhöhung der Zölle auf ausländische Produkte vorsah, war von Senator Reed Smoot aus Utah und dem Mitglied des Repräsentantenhauses, Willis C. Hawley, aus Oregon ersonnen worden, die damit den amerikanischen Markt vor Importen schützen wollten. Die Handelspartner Amerikas reagierten auf der Stelle und verhängten ihrerseits hohe Importzölle. Innerhalb von nur wenigen Jahren schrumpfte der globale Handel, die Wirtschaftskrise vertiefte sich dramatisch, Millionen von Menschen verloren ihre Arbeit und das Heer der Unzufriedenen brachte 1932 in Portugal António de Oliveira Salazar an die Macht, 1933 Adolf Hitler und 1936 General Francisco Franco in Spanien an die Macht.

"Die berüchtigten Smoot-Hawley-Zölle war eine Reaktion auf rückläufige Warenpreise und wirtschaftliche Einbrüche und zielte darauf ab, all jene Wirtschaftsbranchen, die sich im Kongress Gehör verschaffen konnten, hinter hohen Zollmauern vor dem globalen Wettbewerb zu schützen. Smoot-Hawley ist seither zum Synonym für (.. .) destruktiven Protektionismus geworden", schreibt der türkischstämmige US-Ökonom Dani Rodrik in seinem Buch "Das Globalisierungs-Paradox".

© itestro - Fotolia Sergio Donà

Die "Süddeutsche Zeitung" zitierte das Münchner Ifo-Institut mit der Schätzung, dass die US-Wirtschaft um zehn Prozent einbrechen würde, sollte es in der Gegenwart erneut zu einem Protektionismus-Wettlauf kommen.

Die Situationen von 1930 und 2016 zeigen aber erschreckende Ähnlichkeiten: Damals war die Weltwirtschaft aus der klassischen Wirtschaftsordnung herausgewachsen, aber es gab noch keine gangbaren Alternativen. Der Harvard-Politologe Jeffry Frieden schreibt in einem Forschungspapier: "Die Anhänger der klassischen Währungsordnung hatten den Standpunkt vertreten, man müsse, wenn man den internationalen Wirtschaftsbeziehungen den Vorrang gebe, Anliegen wie Sozialreform, Staatenaufbau und nationale Identitätsfindung hinten anstellen."

Die Kommunisten, so Frieden, entschieden sich für Sozialreformen, gegen die Weltwirtschaft und kapselten sich von den Weltmärkten ab. Die Faschisten wiederum entschieden sich ebenfalls gegen die Weltwirtschaft - sie setzten auf radikalen Nationalismus, nicht zuletzt wirtschaftlichen. Eine solchermaßen immer stärker fragmentierte Welt musste fast zwangsläufig in den Zweiten Weltkrieg schlittern.

Der Abbau der sozialen Sicherungsnetze, Lohnstagnation und soziale Ungleichheit lassen die Bürger empfänglich für die Protektionismus-Forderungen der nostalgischen Nationalisten werden. Der Globalisierung geht langsam die Luft aus - mit schwerwiegenden Folgen für die Stabilität der Weltwirtschaft.