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In freudiger Erwartung

Von Anja Stegmaier

Wirtschaft

Steuersenkungen, ein stärkeres Wachstum und ein starker Dollar sorgen an Börsen für gute Laune.


Wien. Ein turbulentes Jahr ging zu Ende - 2016 empfanden viele Menschen politisch wie wirtschaftlich schwer erträglich. Zu den politischen Spannungen wie das Brexit-Votum und der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten gesellten sich etwa ein Börsencrash in China und einstürzende Rohstoffpreise. Für das neue Jahr bestimmen ebenfalls negative Risiken die Prognosen. Die protektionistischen Visionen und außenpolitischen Fauxpas Trumps werden die Weltwirtschaft auch heuer weiter beunruhigen. Terrorismus, geopolitische Konflikte und die anstehenden Wahlen in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden lassen auch in der Eurozone keine Euphorie aufkommen, denn die Zahl der Anhänger europa- und eurokritischer Bewegungen nimmt zu.

So sagte die Chefin des rechtsextremen Front National Marine Le Pen der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch, im Falle ihrer Wahl würden die Staatsschulden Frankreichs in eine neue französische Währung umgerechnet. Sie spielte auf die vor der Euro-Einführung 1999 in der Europäischen Gemeinschaft gebräuchliche Europäische Währungseinheit (European Currency Unit ECU) an. Le Pen hatte sich bereits mehrfach für einen Euro-Austritt Frankreichs ausgesprochen, Details bisher aber offengelassen.

Das Erstarken der Rechtspopulisten scheint die Erwartungen der Aktienmärkte kaum zu dämpfen - auch die nahenden Verhandlungen zum Austritt Großbritanniens aus der EU irritieren die Börsen wenig. Wegen des schwachen Pfunds jubeln die britischen Exporteure - der Einkaufsmanagerindex britischer Unternehmen ist auf dem höchsten Stand seit Jahren. Eine relativ gute Konjunktur trotzt der erwarteten Rezession. Auch die Aktienmarktrenditen steigen - und zwar weltweit - und der "Schein trügt nicht", sagt der Chef-Analyst der RBI Peter Brezinschek. Das Wachstumsumfeld 2017 schaut für ihn durchaus freundlicher aus als 2016 - global gesehen. "Seit der US-Präsidentschaftswahl manifestiert sich deutlich, dass nicht nur die Gefahren, die von einem Donald Trump ausgehen, gesehen werden, sondern auch die Chancen." Freilich müsse abgewartet werden, was der künftige US-Präsident von seinen Wahlversprechen umsetzen werde, aber "Finanzmärkte warten nicht", sagt Brezinschek. Sie setzen auf Meinungen und Erwartungen: Momentan sind dies Steuersenkungen, ein stärkeres Wachstum und ein starker Dollar.

Diese freudige Erwartung dürfte sich aber im Laufe des Jahres auch wieder abkühlen, denn jetzt komme es darauf an, wie viel bei den Zinserhöhungen der US-Notenbank 2017 möglicherweise an Risiken aufgebaut wird. Langfristig höhere Zinssätze stehen nämlich in Konkurrenz zu den Aktienmärkten, so Brezinschek. "Das verteuert die Finanzierung der Unternehmen." Der Rendite-Anstieg der Kapitalmarktsätze wird wohl weitergehen, "aber nicht in dem Tempo, wie wir ihn seit der US-Wahl vor zwei Monaten beobachten konnten".

Starker Dollar, schwacher Euro

2017 wird man sich auf einen noch stärkeren Dollar einstellen müssen, denn die EZB wird es nicht der Federal Reserve gleichtun. Die Zinsen in der Eurozone werden niedrig gehalten werden - und das nicht uneigennützig. Denn von einem schwachen Euro profitieren durchaus auch europäische Exporteure. Die größer werdende Zinsdifferenz zwischen den USA und Europa wird größer. Die damit steigende Attraktivität, in Dollar anzulegen, wird Kapital in die USA locken. Nachdem die Europäer mehr als die Hälfte ihres Gewinns im Ausland erzielen, profitieren letztlich auch die europäischen Aktien von dieser Entwicklung. "So lange, bis protektionistische Maßnahmen ergriffen werden", sagt Brezinschek.

Langfristig prognostiziert der Analyst ein relativ gutes und freundliches Aktienklima weltweit. Die Entwicklungen haben aber durchaus auch Schattenseiten. Ende des Jahres kann der Hype vorbei sein, weil die EZB früher als gedacht - nicht wie Ende 2018 ursprünglich vorgesehen - ihre Zinsen anhebt. Das komme vor allem auf die Inflationsentwicklung an, so Brezinschek. Die Inflationsprognose für 2017 sei bereits jetzt schon veraltet für 2017 wegen des starken Ölpreisanstiegs. Für 2017 erwartet er eine Inflationsrate für Österreich knapp an der Zwei-Prozent-Marke. An den Zinsen werde sich nichts ändern, ist sich Brezinschek sicher. Im Sommer 2017 sei keine Erhöhung zu erwarten. Die Lohnerhöhungen im Herbst 2017 werden zudem sicher höher ausfallen als im Herbst 2016, was wiederum die Kerninflationsrate 2018 auf bis zu 1,5 Prozent ansteigen lassen werde. Das ist doppelt so hoch wie aktuell, prognostiziert Brezinschek. "Sollte die EZB Maßnahmen ergreifen, wäre dies für die Aktienmärkte sicher eine Gratwanderung."

Die steigende Teuerungsrate hat aber auch einen Umverteilungseffekt. Von unten nach oben. Denn von der steigenden Inflation sind die niedrigeren Einkommensschichten stärker betroffen, weil sie den überwiegenden Teil ihres Einkommens in Gütern des täglichen Bedarfs verwenden als einkommenshöhere Schichten. Sparer hätten laut Brezinschek keine Alternative, als in Aktien oder Immobilien anzulegen. "Bei Aktien hat man immerhin noch die Partizipation des Wachstums einer Region oder eines Weltwirtschaftswachstums." Beim Sparbuch werden weiter Realeinkommensverluste erlitten werden.