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Umgehungsgeschäft oder alles legal?

Von Konstanze Walther

Wirtschaft

Der Rohstoffkonzern Glencore kauft zusammen mit Katar einen Anteil am größten russischen Ölkonzern Rosneft - zu einem auffallend niedrigen Preis. Parallel dazu sind die russischen Schulden dahingeschmolzen, was Experten misstrauisch macht.


Moskau/Wien. Es war nicht weniger als ein Paukenschlag, als Anfang Dezember 2016 Russland bekanntgab, dass es einen Teil seines Ölförderers Rosneft verkauft. Und dann noch dazu an Glencore, das den Rosneft-Anteil zusammen mit Katar gekauft hat. Für einen Anteil von 19,5 Prozent zahlen die beiden Partner 10,2 Milliarden Euro. Für Russland ist es eines der bisher größten Privatisierungsgeschäfte der vergangenen Jahre. Und definitiv das Größte seit Beginn der Sanktionen.

Denn bekanntlich sind 2014 über Russland wegen der Krim-Annexion und der "Destabilisierung der Ostukraine" von den USA und den EU Wirtschaftssanktionen verhängt worden. Die betreffen neben Infrastrukturprojekten vor allem die langfristigen Finanzierungsmöglichkeiten.

Glencores Kerngeschäft

Nun hat ausgerechnet Glencore einen Teil des russischen Kronjuwels gekauft. An- und Verkäufe sind an sich unter den Sanktionen nicht verboten. Aber Rosneft wurde so günstig verkauft, dass der Deal äußerstes Misstrauen hervorruft. Vor allem, wenn man die Geschichte Glencores kennt.

Denn das Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, dessen aktueller Name sich aus einem Akronym für Global Energy Commodity and Resources ableitet, hat sein Vermögen damit begründet, mit Ländern Geschäfte zu machen, die eigentlich unter Sanktionen stehen. Der inzwischen verstorbene Firmengründer Marc Rich erklärte etwa 2007 freimütig gegenüber dem Schweizer Journalisten Daniel Ammann, er habe seine "wichtigsten und profitabelsten Geschäfte" mit dem Durchbrechen von internationalen Sanktionen gemacht, angefangen von Handelsbeziehungen mit dem südafrikanischen Apartheidsregime über Deals mit Angola und dem Iran bis hin zu Kuba. Iranisches Erdöl hat Rich übrigens als Mittelsmann dem Erzfeind Israel nach dem Yom-Kippur-Krieg in den 1970ern verkauft. Laut Rich wussten beide Staaten von der Transaktion. Rich wurde in den USA in den 1980er Jahren wegen Steuerbetrugs und Geschäften mit dem Iran angeklagt, setzte sich aber rechtzeitig in die Schweiz ab. Rich stand jahrelang auf der Liste der "Most Wanted" des FBI. Seine Exfrau spendete in seiner Abwesenheit beträchtliche Summen den US-Demokraten - und der Clinton Library. Rich war die prominenteste Begnadigung am letzten Tag der Amtszeit von Bill Clinton.

Rich ist 2013 in der Schweiz verstorben, der CEO von Glencore ist seit 2002 wiederum der in der Schweiz wohnende Südafrikaner Ivan Glasenberg - doch die Art und Weise, wie Glencore sein Vermögen erwirtschaftet hat, ist in der Branche unvergessen.

Derzeit ermitteln EU und USA, ob es durch der Verkauf des Rosneft-Anteils ein Umgehungsgeschäft war, dessen Zweck vorrangig der war, Russland Liquidität zu verschaffen.

"Ob es ein Verstoß gegen die Sanktionen war, wird nur schwer zu beurteilen sein und ist erst nach Kenntnis aller Details möglich", meint der Experte Andrei Belyi, der auf Einladung des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsforschung (WIIW) für einen Vortrag über die russischen Sanktionen in Wien war. Belyi ist derzeit assoziierter Professor an der Universität Eastern Finland, Mitglied des Brüsseler Energie Clubs und berät seit sechzehn Jahren EU-Institutionen, russische Behörden sowie Privatfirmen im Energiebereich. Er wählt seine Worte mit Bedacht.

Finanzierung abgeschnitten

"Das finale Urteil über den Glencore-Deal wird Sache der Ermittler in Washington sein", so Belyi im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Die Privatisierung an sich sei ja erlaubt. Dagegen ist der Kauf von Anleihen, von Obligationen, von längerfristigen Krediten verboten.

Wenn nun, wie Beobachter vermuten, allerdings Glencore Rosneft Kredite gegeben hat, und deswegen eine bevorzugte Preisgestaltung beim Kauf erhalten hat, wäre das ein klassisches Umgehungsgeschäft und ein Verstoß gegen die Sanktionen. Dazu passt ins Bild, dass laut der Nachrichtenagentur Reuters die Struktur des Käuferkonsortiums extrem undurchsichtig ist und Spuren bis zu den Cayman Inseln zu finden seien.

In dem Zusammenhang ist laut Belyi auch interessant, dass die russischen Unternehmensschuldverschreibungen 2014 noch bei 700 Milliarden US-Dollar waren, und sich 2016 auf 500 Milliarden US-Dollar signifikant reduziert haben. "Man fragt sich, woher das Geld für den Schuldenabbau gekommen ist", sagt Belyi, der offenkundig nicht ausschließen will, dass Glencore hier seine Hand im Spiel hatte.

Russland habe durch die Sanktionen ein massives Problem bekommen. Nämlich bei langfristigen Projekten in seinem Erdölgeschäft. In den nächsten zehn Jahren werden die Felder, deren Exploration relativ problemlos verläuft, langsam ausgefördert sein. Was bleibt, sind Ölvorkommnisse, für deren komplizierte Exploration Russland Geld und spezielle Software zur Auffindung der Quellen benötigt - und auch diese Technologie, vom Westen entwickelt, ist explizit auf die Sanktionsliste gesetzt worden. Russland habe laut Belyi derzeit keine Möglichkeiten, eine ähnliche Software im Land selbst zu programmieren - zu sehr habe man die Forschung in der Zeit der Post-Sowjetunion vernachlässigt.