Wien. Fast jeder Österreicher trägt einen Schatz mit sich herum. Er ist rechteckig und passt in jede Hosentasche: das Smartphone. Bis zu 50 verschiedene Metalle sind darin enthalten. Darunter wertvolle und seltene Mineralien wie Kobalt, Tantal, Zinn, Wolfram oder Gold. Ohne sie funktionieren die Smartphones nicht. Doch häufig stammen die Metalle aus Konfliktregionen wie der Demokratischen Republik Kongo (DRK), wo mit der Förderung Kriege finanziert werden. Der Begriff "Konfliktmineralien" entstand.
Auch in Bolivien ist der Boden reich an Rohstoffen. Das erkannten bereits im 16. Jahrhundert die Spanier. Nach der Eroberung sicherten sie sich die großen Silbervorkommen im Land, das dreizehn Mal so groß ist wie Österreich. Heute sind es internationale Konzerne, die Bodenschätze fördern. Mineralien und Erze, vor allem Zink, Gold, Silber, Zinn und Blei, machen 45 Prozent der Exporte aus.
Trinkwasser mit Schwermetallen belastet
Die Folgen des Bergbaus bekommen die Bewohner schmerzhaft zu spüren. "Unser Wasser ist massiv mit Schwermetallen belastet", sagt Jaime Caichoca, Landwirtschaftsexperte des bolivianischen Zentrums für Ökologie und andine Völker (Cepa), das für mehr soziale Gerechtigkeit kämpft, zur "Wiener Zeitung". Caichoca lebt in der Provinz Oruro im Westen Boliviens. In der Region gibt es rund 300 aktive Minen, in den meisten wird Zinn abgebaut, aber auch Gold, Silber und Blei. Seit Anfang der 2000er Jahre würden die Unternehmen verstärkt chemische Produkte zum Abbau einsetzen. "Die Menschen bekommen Durchfall vom Trinkwasser. Wenn sie durch verunreinigtes Wasser gehen, holen sie sich Infektionen", erzählt Caichoca. Darum müssen die rund 3000 Bewohner der Region aus der Provinzhauptstadt Oruro mit Wasser versorgt werden.
Um Zinn aus dem Gestein zu lösen, werden viel Wasser und hochgiftige Zyanide benötigt. Meist bleibt eine orange-braune Brühe zurück, die in Rückhaltebecken aufgefangen wird. Oft gelangt das mit Schwermetallen belastete Wasser jedoch auch in die Umwelt. Böden werden mit Bergbauabfällen kontaminiert, Gräser und Sträucher sterben ab. Auch die Tierwelt wird in Mitleidenschaft gezogen. "Wir haben Missbildungen bei neugeborenen Lämmern und Kälbern", sagt Caichoca. Die katastrophalen Folgen für Mensch, Umwelt und Tiere zwingen viele zur Flucht. Zurück bleibt verseuchtes Land.
Keine Sanktionen zu befürchten
Die Ursache für die massive Verschmutzung: Nur die wenigsten Minen besitzen Becken für die Abwässer oder Kläranlagen. Die meisten Betreiber haben keine Umweltzertifikate. Brauchen sie auch nicht. Denn Sanktionen haben sie von den Behörden keine zu befürchten. Sie tolerieren die Verschmutzung. Ein Umweltzertifikat ist mit vielen Pflichten verbunden, etwa Schäden und Umweltverschmutzungen zu vermeiden. "All das ist mit großen Kosten verbunden", sagt Caichoca. Würden die Behörden kontrollieren, ob Unternehmen Zertifikate haben, müssten viele Minen schließen. Das ist das wahre Dilemma. Am Bergbau hängen viele Arbeitsplätze. "Wir hätten ein Heer von Arbeitslosen", sagt der Landwirtschaftsexperte.
Drei Player mischen in Boliviens Bergbaugeschäft mit: der Staat, private Unternehmen und Bergbaugenossenschaften, die "cooperatives mineras". Letztere sind mächtige Organisationen, in denen rund 200.000 Menschen organisiert sind. Laut Héctor Córdova, Bergbauanalyst der katholischen Denkfabrik Fundación Jubileo, haben von 1700 Genossenschaften 1440 kein Umweltzertifikat. "Die Regierung ist den Genossenschaften wohlgesonnen, denn es handelt sich um potenzielle Wählerstimmen", sagt er. In einem Bericht der Österreichischen Forschungsstiftung für internationale Entwicklung (Öfse) heißt es, viele der "cooperatives mineras" sind für "gravierende Umweltverschmutzung und Menschenrechtsverletzungen verantwortlich."

Um etwas gegen die drastische Umweltverschmutzung zu unternehmen, haben sich knapp 90 Dörfer aus der Region zur Organisation Coridup zusammengeschlossen. Sie fordern von der Politik, die Schäden zu beheben und zukünftige Schäden zu vermeiden. "Wir haben das Recht auf ein Leben in einer gesunden Umwelt", sagt er. Ihre Organisation ist eine der wenigen, die mit öffentlichem Protest die Erfüllung der Umweltgesetzgebung einfordern. Die Gegenwehr zeigte Wirkung: Das Gesundheitsministerium hat in zwei Dörfern Beobachtungsstellen eingerichtet. Die Bewohner haben nun die Hoffnung, dass man genauer rückverfolgen kann, welche Stoffe gesundheitsschädigend sind. "Dass Gestein aus den Minen in Folie eingeschlossen wird, ist für uns ein Erfolg. Dadurch kann das Regenwasser keine Schadstoffe mehr ausspülen", sagt Caichoca. Der Regierung und den Unternehmen ist der Zusammenschluss der Bewohner jedoch ein Dorn im Auge. Es gab Drohungen und auch einige Zusammenstöße zwischen den betroffenen Gemeinden und den mineros.
Finanzielle Unterstützung bekommt das von Caichoca geführte Cepa von der Dreikönigsaktion aus Österreich. "Wir helfen den Gemeinden etwa, Kontakt zu Universitäten herzustellen, damit sie Wasserproben entnehmen können", sagt Herbert Wasserbauer, Koordinator bei der Dreikönigsaktion, die sich gemeinsam mit mehreren NGOs zur Arbeitsgemeinschaft Rohstoffe zusammengeschlossen hat und einen nachhaltigeren Umgang mit Mineralien fordert. "Der Abbau der Rohstoffe muss ökologisch und menschenrechtskonform ablaufen", sagt Wasserbauer. Unternehmen in Europa sollten sich mehr dafür interessieren, woher ihre Rohstoffe kommen.