Wien. (ast) Fast zwei Jahre sind seit dem Bekanntwerden des Dieselabgas-Skandals vergangen. Der kürzlich publik gewordene Verdacht, dass namhafte deutsche Autobauer wie VW, Audi, Porsche, Daimler und BMW sich in Sachen Abgasreinigung verständigt haben sollen, schadet der Autoindustrie zusätzlich. Der Diesel-Verbrennungsmotor hat ausgedient, so scheint es - Norwegen wendet sich von Benzin und Diesel ab und setzt auf Steuervorteile für Elektroautos, ab 2040 will Großbritannien den Verkauf neuer Diesel- und Benzinfahrzeugen verbieten und in diversen deutschen Großstädten steht ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge kurz bevor.
In den kommenden neun Jahren werde Diesel als Antrieb für Pkw "weitgehend verschwinden", meinen sogar UBS-Analysten in einer Studie. In Europa werde der Anteil an Dieselfahrzeugen auf zehn Prozent sinken. Auf Österreichs Straßen ist die große Wende jedoch nicht abzusehen - Österreich ist nach wie vor Diesel-Land. Obwohl auch hierzulande laut der Plattform für Sammelaktionen bei Massenschäden "Cobin claims" die illegale Wettbewerbsverzerrung und die Kartellbildung bei der in Österreich stark vertretenen Zulieferindustrie - darunter auch zahlreiche kleine und mittlere Unternehmen - sowie bei privaten wie gewerblichen Fahrzeughaltern zu Schadenersatz-Ansprüchen führen würde.
Der Gesamtbestand an Diesel-Autos hierzulande beträgt aktuell unerschütterliche 2,77 Millionen - das sind 56,8 Prozent aller zugelassenen Pkw. Laut Verkehrsclub Österreich (VCÖ) hatten in den Jahren 2000 bis 2016 rund 60 Prozent der neu zugelassenen Pkw in Österreich Dieselantrieb. Das ist ein doppelt so hoher Dieselanteil wie in der Schweiz (rund 29 Prozent) und auch deutlich höher als in Deutschland (rund 42 Prozent).
Steuervorteil: 640 Millionen
Vor allem wegen der steuerlichen Bevorzugung ist der Anteil des Dieselantriebs an den Pkw-Neuzulassungen in Österreich nach wie vor hoch. Im Jahr 2016 wurden in Österreich rund 8,06 Milliarden Liter Diesel getankt. Bei gleichem Mineralölsteuersatz wie für Benzin (plus 8,5 Cent pro Liter) und konstantem Absatz ergäbe das 685 Millionen Euro mehr an Mineralölsteuer.
Laut einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo) betrug der Steuervorteil im Schnitt der Jahre 2010 bis 2013 jährlich 640 Millionen Euro (davon Dieselverbrauch außerhalb des Verkehrs rund 75 Millionen Euro pro Jahr). Wird der höhere Energieinhalt eines Liter Diesels im Vergleich zu einem Liter Benzin berücksichtigt, sind es sogar 928 Millionen Euro jährlich (rein im Verkehr 821 Millionen Euro).
Die Mineralölsteuer wurde zuletzt per 1. Jänner 2011 um 4 Cent auf Benzin und 5 Cent auf Diesel erhöht. Die Einnahmen stiegen dadurch von 3,85 Milliarden Euro 2010 auf 4,21 Milliarden Euro 2011. Gleichzeitig wurde die Pendelpauschale erhöht - und noch einmal im Jahr 2013. Die Spritpreise sind seither jedoch deutlich gesunken.
Umweltminister Andrä Rupprechter will das Thema Diesel-oder Benzin-Besteuerung nur als Gesamtpaket diskutieren, dabei solle das Steuer- und Abgabenaufkommen nicht steigen, sondern eher geringer werden. Auch Verkehrsminister Jörg Leichtfried hat sich in der Debatte um die Besteuerung der Treibkraftstoffe gegen Einzelmaßnahmen ausgesprochen und für eine "große Lösung".