Frankfurt. (rs) Auf den ersten Blick sieht alles aus wie in der guten alten Zeit. Auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt (IAA), bei der schon Gottlieb Daimler und Carl Benz 1897 ihre Autos präsentiert hatten, geben die deutschen Hersteller wieder unbestritten den Ton an. Daimler, BMW und VW zeigen bei der am Dienstag schon für die Presse geöffneten Leitmesse nicht nur die meisten neuen Modelle, auch wenn es um die Größe der Messstände und die aufwendigste Inszenierung geht, liegen die Deutschen vorn.
Dass ihnen niemand die Show stiehlt, liegt allerdings auch daran, dass der große Herausforderer diesmal nicht vertreten ist. Der kalifornische Elektroautopionier Tesla, der sich gerade anschickt, mit seinem neuen Model 3 den Massenmarkt zu erobern, hat seine Teilnahme an der IAA bereits im August endgültig abgesagt. Man sei kein traditioneller Autobauer, hieß es damals zur Begründung aus Palo Alto.
Ein Tesla-Jäger aus München
Doch auch wenn Tesla in Frankfurt nicht mit dabei ist, hat das Unternehmen des Internet-Milliardärs Elon Musk ganz klar die Richtung bestimmt. So steht die IAA heuer ganz im Zeichen der geplanten deutschen Aufholjagd beim Thema Elektromobilität. Gelingen soll diese unter anderem mit Modellen wie dem i Vision Dynamics, den BMW am Dienstag vorgestellt hat. Der rein elektrisch angetriebene Viertürer soll eine Reichweite von 600 Kilometern haben, in vier Sekunden von null auf hundert beschleunigen und eine Höchstgeschwindigkeit von mehr als 200 Stundenkilometer schaffen. Damit wäre das über dem bereits erhältlichen Elektro-Kompaktwagen i3 angesiedelte Modell durchaus auf Augenhöhe mit den stärksten Teslas. Über eine praxistaugliche Reichweite von mehr als 500 Kilometern sollen auch der ID. Crozz von VW und der EQA von Mercedes verfügen, die ebenfalls in Frankfurt gezeigt werden.
Investitionen in Milliardenhöhe
Der Gegenangriff der von der Diesel-Debatte schwer gebeutelten deutschen Autobauer soll sich allerdings nicht auf ein paar ausgewählte Modelle beschränken. So soll nach den Worten von Daimler-Chef Dieter Zetsche das gesamte Produktportfolio von Mercedes-Benz bis 2022 elektrifiziert werden, damit würde es von allen 50 Modellen auch eine reine Stromvariante beziehungsweise eine Hybrid-Version mit einem unterstützenden Elektromotor geben. Den ebenfalls zum Konzern gehörenden Kleinwagen Smart soll es ab 2020 überhaupt nur in einer elektrischen Ausführung geben.
Einen ähnlich starken Fokus auf Elektromobilität will man auch in Wolfsburg legen. So hat VW-Boss Matthias Müller, der in den nächsten zehn bis 15 Jahren mehr als 20 Milliarden Euro in die Entwicklung neuer Elektroautos stecken möchte, angekündigt, bis 2025 nicht weniger als 80 Modelle mit Strom-Antrieb auf den Markt bringen zu wollen. "Wir werden die Revolution in unserer Industrie anführen", sagt Müller.
Dass die Umsetzung solcher Ankündigungen alles andere als einfach ist, hat man allerdings schon bei BMW zähneknirschend zur Kenntnis nehmen müssen. Die Münchner, die bis 2025 rund 25 elektrifizierte Modelle anbieten wollen, waren mit dem 2013 vorgestellten i3 einer der Vorreiter in Sachen Elektromobilität. Doch die Nachfrage blieb wegen der zu geringen Reichweite, dem lückenhafte Ladestellen-Netz und dem doch vergleichsweise hohen Preis weit hinter den Erwartungen zurück. Zudem waren Investitionen in Elektroautos für die Hersteller bisher nicht sonderlich attraktiv. Bei einzelnen Modellen sei der Gewinnbeitrag nur halb so hoch wie bei den vergleichbaren Diesel- oder Benzinversionen, sagt Mercedes-Benz-Finanzchef Frank Lindenberg. Bei aller Elektro-Euphorie klingt in Frankfurt daher bei allen Herstellern auch immer wieder eines durch: Um all das zu finanzieren und gleichzeitig die CO2-Ziele einzuhalten, wird es die margenstarken Dieselmodelle auch noch für viele Jahre im Angebot geben müssen.