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Mit Peitsche und ein wenig Zuckerbrot

Von Ronald Schönhuber

Wirtschaft

Die EU zwingt die Autobauer dazu, den CO2-Ausstoß bis 2030 um ein Drittel zu senken. Eine fixe E-Auto-Quote kommt aber nicht.


Brüssel. Der eigentliche Termin der Pressekonferenz war zwar erst für Mittag angesetzt, doch Miguel Arias Canete wollte ganz offensichtlich schon vorher etwas loswerden. "Ich bin nicht unter Druck gesetzt worden, wir haben unsere Arbeit frei erledigt", versicherte der aus Spanien stammende Klimakommissar noch unmittelbar, bevor er sich mit seinen für die Energieunion und den Binnenmarkt zuständigen Kollegen Maros Sefcovic und Elzbieta Bienkowska hinter die Rednerpulte in Brüssel stellte.

Dass sich Canete zu dieser Art von Vorwärtsverteidigung entschlossen hat, ist durchaus nachvollziehbar. Denn die am Mittwoch vorgestellte Regelung der Kfz-Abgasnormen bis zum Jahr 2030 hat in den vergangenen Wochen nicht nur zahlreiche Begehrlichkeiten und Ängste geweckt. Sie zählt mithin auch zu den wichtigsten und weitreichendsten politischen Entscheidungen, die in Brüssel getroffen werden. So hängt von den neuen Bestimmungen und deren Umsetzung nicht nur ab, wie erfolgreich Europa beim Erreichen seiner Klimaschutzziele sein wird. Auch zentrale industriepolitische Entscheidungen wie etwa der Umbau der europäischen Autoindustrie in Richtung E-Mobilität und anderer alternativer Antriebe sind damit verbunden. Und nicht zuletzt betrifft die Frage, wie sauber und spritsparend künftige Fahrzeuggenerationen sein werden, auch die Verbraucher unmittelbar.

Konkret sieht der Gesetzesentwurf der EU-Kommission vor, dass Neuwagen 2025 um 15 Prozent weniger Kohlendioxid (CO2) ausstoßen dürfen als 2021. 2030 soll das durchschnittliche Minus dann schon 30 Prozent betragen, der maximal erlaubte CO2-Ausstoß würde dann bei 67 Gramm pro Kilometer liegen. Bis 2021 gilt noch die aktuelle Regelung, die einen Grenzwert von 95 Gramm vorsieht. Basis dafür ist aber ein altes Messverfahren, das mittlerweile durch einen realistischeren und daher höhere CO2-Werte ausweisenden Fahrzyklus ersetzt worden ist. Für die Industrie, die vor allem in Deutschland auf PS-starke Autos setzt, dürften Einsparungen damit noch schwieriger werden als unter den zuvor geltenden Bedingungen.

Autoherstellern, die die EU-Zielvorgaben nicht erfüllen, drohen zudem saftige Pönalezahlungen. Denn für jedes zuviel ausgestoßene Gramm CO2 sieht die EU 95 Euro Strafe vor, die dann für jedes Auto fällig wird. Bei großen Herstellern wie VW oder Renault könnten auf diese Weise schnell hohe Bußgelder fällig werden.

Bonus für E-Autos

Für emissionsfreie Wagen mit Elektroantrieb oder Brennstoffzelle und emissionsarme Hybridmodelle gibt es dafür einen Bonus. Kann ein Konzern einen hohen Anteil solcher Fahrzeuge vorweisen, ist sein CO2-Ziel weniger streng. Auf eine fixe Quote für Elektroautos wie in China oder im US-Bundesstaat Kalifornien, über die im Vorfeld ebenfalls diskutiert, hat die Kommission allerdings verzichtet. Sie will den Autoherstellern keine Vorgaben machen, auf welche Technologie sie beim Umstieg auf emissionsfreie Autos setzen sollen. Allerdings will die EU Technologien für elektrische Autos fördern. So sollen Infrastrukturprojekte wie etwa Ladesäulen mit 800 Millionen Euro unterstützt werden. 200 zusätzliche Millionen sind für die Batterieentwicklung vorgesehen.

Das von der Kommission in die Wege geleitete Umsteuern sei wichtig, um die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Autobranche zu gewährleisten, insbesondere gegenüber chinesischen Herstellern, die stark in die Produktion von E-Autos investierten, sagte Vizekommissionspräsident Sefcovic, der die europäischen Hersteller auch dazu aufrief, bei neuen Technologien mutiger vorzugehen. "Das Auto wurde in Europa erfunden und muss hier neu erfunden werden."

In der Autobranche, die in den vergangenen Wochen und Monaten massiv gegen scharfe Abgasgrenzwerte lobbyiert hatte, hat man mit dieser Art der Schützhilfe allerdings keine Freude. "Die europäische Automobilindustrie wird im internationalen Wettbewerb stärker belastet als ihre Wettbewerber", erklärte der Verband der Deutschen Automobilindustrie. Auch an der Umsetzbarkeit der neuen Regelung hegt die wohl wichtigste Interessenvertretung der Branche in Europa massive Zweifel und spricht von "extremen Herausforderungen". So sei die Nachfrage nach E-Autos noch unsicher und die Technologie zur Spritersparnis fast ausgereizt. Ebenso sinke der Absatz der verbrauchsärmeren und damit weniger CO2 ausstoßenden Diesel.

Enttäuschte Klimaschützer

Aus Sicht von Klimaschützern sind die neuen Bestimmungen allerdings noch immer zu weich. "Der Schutz der Autoindustrie darf nicht über dem Schutz des Klimas stehen", erklärte Sven Giegold, der Sprecher der Grünen im EU-Parlament. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, wäre ein Emissionsrückgang um 60 Prozent notwendig. Noch drastischer sieht es Anton Hofreiter, der als Fraktionschef der deutschen Grünen gerade an über eine Jamaika-Koalition verhandelt. "Dieser Vorschlag brüskiert die gerade tagende Weltklimakonferenz in Bonn", sagte Hofreiter.