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"Dass die Abgabenquote gesunken ist, ist nicht per se eine gute Nachricht"

Von Anja Stegmaier

Wirtschaft

Laut OECD sind die Sozialabgaben und Steuern in Österreich 2016 stark zurückgegangen. An der Struktur der Abgaben ändert dies aber nichts - diese ist hierzulande nach wie vor ungünstig.


Wien. Die Steuerreform und das starke Wirtschaftswachstum haben die österreichische Abgabenquote im Vorjahr stark sinken lassen. Das zeigt eine am Donnerstag veröffentlichte Übersicht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD. Spontan klingt das doch großartig: Abgaben und Steuern werden gesenkt und wir alle können mehr und günstiger einkaufen oder das Geld zur Seite legen.

Mit den Einnahmen, die der Staat über Sozialabgaben und Steuern generiert, werden aber zum einen gewünschte Sozialleistungen wie Ausbildung, Gesundheitsversorgung oder Pension finanziert. Aber auch produktive Investitionen etwa in Straßen, Schienen und öffentliche Sicherheit getätigt. Zum anderen kann die Abgabenquote sinken, wenn das Bruttoinlandsprodukt relativ stark steigt - das ist natürlich eine gute Nachricht -, im Umkehrschluss heißt das aber nicht, dass je niedriger die Abgabenquote sinkt, die wirtschaftliche Prosperität steigt.

"Grundsätzlich gilt, dass man die Abgabenlast möglichst gering halten sollte. Es geht aber nicht nur um die Summe der Abgaben, sondern vor allem auch um die Struktur", sagt Hans Pitlik, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Wirtschaftsforschungsinstitutes Wifo. "Dass die Abgabenquote gesunken ist, ist nicht per se eine gute Nachricht", so der Wirtschaftsexperte. Schaut man sich die Zusammensetzung der österreichischen Abgaben an, so ist der Faktor Arbeit nach wie vor zu stark belastet, "eine sinkende Abgabenquote hat daran nichts geändert", so Pitlik. Der Makroökonom weist zudem darauf hin, dass es auch stark darauf ankomme, was genau mit den Abgaben und Steuereinnahmen finanziert werde. Steuermittel dürften weder verschwendet, noch für das Falsche eingesetzt werden.

Die schwarz-blauen Koalitionsverhandler haben angekündigt, die Steuer- und Abgabenquote auf 40 Prozent senken zu wollen. Dieser Wert wurde zuletzt vor 26 Jahren knapp unterschritten: Für 1991 weist die Statistik eine Abgabenquote von 39,8 Prozent aus. Das bisherige Rekordjahr war 2001 mit 44 Prozent. Wobei das Finanzministerium zuletzt damit rechnete, dass die Abgabenquote nach dem Rückgang 2016 und 2017 auch ohne weitere Eingriffe sinken wird - auf 41,6 Prozent im kommenden Jahr, schreibt die APA. Die reine Forderung, die Abgabenquote zu senken, hält Pitlik für zu vereinfachend. "Hauptanliegen sollte sein, sich die Struktur der Abgabenquote anzuschauen", so der Ökonom.

Österreichs Vermögenssteuernunter Durchschnitt

Der Rückgang in Österreich war der stärkste unter den 35 OECD-Staaten. Im internationalen Vergleich liegt Österreich mit einer Steuer- und Abgabenquote von nunmehr 42,7 Prozent trotzdem immer noch im Spitzenfeld, genauer auf Rang 7.

Österreich tanzt damit aus der Reihe, denn die OECD weist in ihren aktuellen "Revenue Statistics 2017" für 20 ihrer 35 Mitglieder einen Anstieg der Abgabenquote aus. Im Durchschnitt liegen die Steuern bei 34,3 Prozent der Wirtschaftsleistung - ein neuer Rekordwert. Der mit der Wirtschaftskrise 2008 erfolgte Einbruch wurde damit wieder wettgemacht. Einzig die Steuern auf Unternehmensgewinne bleiben international unter Vorkrisenniveau.

Auch in Österreich liegen die Unternehmenssteuern unter dem Durchschnitt: Während die OECD-Länder neun Prozent ihrer Einnahmen aus Steuern auf Unternehmensgewinnen ziehen, waren es in Österreich zuletzt fünf Prozent (2015). Vermögenssteuern bringen in Österreich überhaupt nur ein Prozent der Einnahmen, im OECD-Schnitt sind es sechs Prozent. Überdurchschnittlich hoch sind dagegen die Sozialbeiträge, die hierzulande ein Drittel (34 Prozent) der Staatseinnahmen ausmachen, während es im OECD-Schnitt nur ein Viertel ist (26 Prozent).

Höher als in Österreich sind die Steuern und Sozialabgaben in Dänemark, Frankreich, Belgien, Finnland, Schweden und Italien. Deutschland liegt mit 37,6 Prozent auf Rang 12, die Schweiz mit 27,8 Prozent auf Rang 29. Allerdings fehlen bei der Schweiz verpflichtende Sozialabgaben an Privatversicherungen im Wert von 53 Milliarden Franken (45,11 Milliarden Euro), die zwar bezahlt werden müssen, die von der OECD aber nicht als Teil der Abgabenquote gewertet werden.

Die durchschnittliche Steuerleistung pro Einwohner lag in Österreich 2015 (also im Jahr vor der Steuerreform) bei 21.579 US-Dollar. Höher war sie nur in Dänemark, Norwegen und Luxemburg.