Ungleichheit zwischen den Staaten nimmt ab
Doch es gibt auch gegenteilige Entwicklungen: Die weltweite Ungleichheit zwischen den Staaten ist seit Jahren im Sinken begriffen. Vormals unterentwickelte Volkswirtschaften wie China oder Indien holen auf, das sorgt international für einen Angleich des Niveaus. Gleichzeitig explodiert die Ungleichheit innerhalb der einzelnen Länder. "In China hat sich die Ungleichheit verdoppelt, der Lebensstandard ist jedoch gestiegen. In den USA hat sich die Ungleichheit ebenfalls verdoppelt, aber der Lebensstandard für die meisten Menschen stagnierte", sagt Historiker Scheidel. Das sei ein gravierender Unterschied.
Im Jahr 1988 hatte ein Chinese, der - bezogen auf die städtische Bevölkerung Chinas - genau das Medianeinkommen verdiente, ein größeres Einkommen als 44 Prozent der Weltbevölkerung zur Verfügung. Das Medianeinkommen ist das Einkommen, bei dem es genauso viele Menschen mit einem höheren wie mit einem niedrigeren Einkommen gibt. Eine Person mit diesem Einkommen steht also in Bezug auf alle anderen Personen genau in der Mitte. Im Jahr 2013 ging es einem Chinesen, der mit dem Medianeinkommen entlohnt wurde, schon besser als 73 Prozent der Weltbevölkerung. "Der Mann oder die Frau hatte innerhalb eines Vierteljahrhunderts fast 30 Prozent der Weltbevölkerung oder 2,1 Milliarden Menschen hinter sich gelassen", rechnete Branko Milanovic im Monatsmagazin "Le Monde diplomatique" vor.
Forscher wie Piketty, Milanovic und OECD-Experte Förster sind nicht so pessimistisch wie Scheidel. Alle drei bleiben dabei, dass Ungleichheit durch politische Maßnahmen reduziert werden kann. Auch Wilfried Altzinger, Vorsitzender des Instituts für Ungleichheit an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU), sieht das so: "Wenn man an die Apokalypse glaubt, kann man auf sie warten. Wenn man aber daran glaubt, dass die Geschichte von Menschen gemacht wird, dann wird es Zeit, dass man etwas bei der Ungleichheit macht." Der Wirtschaftsforscher erklärt: "Die eine Maßnahme gibt es nicht, dafür aber eine ganze Palette verschiedenster Möglichkeiten." Erbschaftssteuern, sozialer Wohnbau und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nennt er etwa.
Aller Gedankenspiele und theoretischer Überlegungen zum Trotz scheint die politische Realität aber ohnehin in eine andere Richtung zu gehen: In den USA wird die Abschaffung der Erbschaftssteuer diskutiert, in Frankreich wurden Teile der Reichensteuer abgeschafft, in Deutschland könnte der "Soli", ein Solidarbeitrag, der bisher Gutverdiener überproportional getroffen hat, fallen.