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Chinas nächster Coup?

Von Gerhard Lechner

Wirtschaft

Ein kühner Plan: Griechenland, Mazedonien und Serbien wollen die Donau mit dem Mittelmeer verbinden.


Thessaloniki/Belgrad. Europas Geographie ist für die Binnenschifffahrt nicht immer ideal. Das zeigt sich etwa daran, dass Schiffe, die über den Suezkanal das östliche Mittelmeer erreichen, oft tausende Kilometer Umweg auf sich nehmen müssen, um die großen europäischen Häfen und Logistikzentren an der Nordsee - etwa Hamburg oder Rotterdam - zu erreichen. Viele Waren werden dann von diesen Häfen aus über Schiene und Straße weiter transportiert - oft zurück in den Mittelmeerraum. Eine direkte Schifffahrtsroute zwischen Mittelmeer und Nordsee, die die Wege beträchtlich abkürzen könnte, existiert bisher nicht.

Das könnte sich in Zukunft ändern. Denn die Balkanstaaten Serbien, Mazedonien und Griechenland lassen mit einem Plan aufhorchen, den ambitioniert zu nennen eine Untertreibung wäre: Sie wollen einen Kanal bauen lassen, der das Mittelmeer mit der Donau verbindet. Das berichteten am Mittwoch griechische Medien unter Berufung auf den Bürgermeister der nordgriechischen Hafenstadt Thessaloniki, Giannis Boutaris. Djordje Ivanov, der Präsident Mazedoniens, "hat mir ein Video vorgespielt, das die Vision eines Kanals zeigt", sagte Boutaris den Angaben nach bei einer Sitzung des Stadtrats von Thessaloniki. Er hatte zuvor die mazedonische Hauptstadt Skopje besucht.

17 Milliarden Euro Kosten

Das Projekt würde, wie Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras bereits im Februar sagte, "die Geographie des Balkan verändern". 17 Milliarden Euro soll der Kanalbau Schätzungen zufolge kosten, binnen sechs Jahren sollte er angeblich realisiert werden können. Nach dem Bau des Megaprojekts sollen die Binnenschiffe unterhalb von Belgrad in die Morava, einen Nebenfluss der Donau, einfahren. Dieser Fluss müsste wiederum durch einen Kanal mit dem Fluss Vardar (oder: Axios) verbunden werden, der bei Thessaloniki in die Ägäis mündet. Sollte der Plan umgesetzt werden, entstünde einer der längsten Kanäle Europas.

Neu ist die Idee einer Verbindung zwischen Mittelmeer und Donau nicht: Schon im 19. Jahrhundert wollte man die Morava schiffbar machen, 1904 gab es erste Versuche, ein solches Projekt realisierbar zu machen. Auch in den letzten Jahren tauchte der Plan mehrere Male auf - um dann wieder einzuschlafen. So machte sich etwa Serbien 2013 dafür stark, chinesische Investoren für den Bau des Kanals Belgrad-Thessaloniki zu gewinnen.

"Noch nicht ausgegoren"

"Das war damals vor allem eine Idee von Ex-Präsident Tomislav Nikolic", meint Vladimir Gligorov, der Balkan-Experte des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW). Viel sei seither jedoch nicht aus dieser Initiative geworden. Sie sei auch in der serbischen Öffentlichkeit nur mäßig unterstützt worden. "Es ist gewiss eine große Idee, die schon mehrere Jahre kursiert, aber auch eine, die noch nicht ausgegoren ist", sagte Robert Stehrer, ein weiterer Experte vom WIIW der "Wiener Zeitung".

Am Balkan hofft man auf chinesische Investoren. Ob die auf die Idee aufspringen, ist fraglich: In den Investmentplänen, die China für die Westbalkanregion ankündigte, sei das Riesenprojekt Belgrad-Thessaloniki bisher jedenfalls nicht aufgeschienen, sagte Stehrer. Dennoch hieß es in der griechischen Presse, dass chinesische Unternehmen Interesse daran bekundet hätten, den Bau des Kanals zu unterstützen. Die Fertigstellung eines solchen Projekts würde jedenfalls nicht nur China zugutekommen, das mit seiner "neuen Seidenstraße" gewaltige Infrastrukturmaßnahmen in ganz Eurasien anstößt, die auch Chinas Einfluss vermehren. Sie würden auch der finanzschwachen Region helfen: Die Balkan- und Mittelmeerländer könnten näher an den Wirtschaftsmotor Zentraleuropa rücken und zum Umschlagplatz zwischen Suez-Kanal und Mitteleuropa werden.