Kampala. "Ratsch" macht es, als Carol Nambuga die Plastikverpackung mit einem Teppichmesser aufschneidet. Die 22-jährige Uganderin packt ihre mit Klebefolie verschnürten Ballen aus. Nach einem erneuten, vorsichtigen Schnitt, einem weiteren "Ratsch" und etwas Ziehen und Zerren am Klebeband, mit dem der Ballen verschnürt ist, entfaltet sich der Inhalt auf dem staubigen Boden. "Das ist immer als würde man Lotto spielen. Man weiß nie, was man kriegt", lacht die quirlige junge Frau und taucht in die 50 Kilo zusammengeballten T-Shirts, Kleider, Röcke, Hosen und Hemden, die sie aus der klebrigen Verpackung befreit.

"Ratsch, Ratsch Ratsch", hallt es von überall her. Wie jeden Montagmorgen schneiden auf Ostafrikas größtem Gebrauchtkleidermarkt tausende Händler und Händlerinnen wie Nambuga die frisch angelieferten Ballen aus. Eingenistet zwischen mehrstöckigen Verkaufshallen und engen geschäftigen Gassen der Altstadt Kampalas ist der Owino-Markt einer der größten Umschlagplätze für Second-Hand-Kleidung in Uganda, ja sogar in der ganzen Region Ostafrikas. Auf über sieben Hektar tummeln sich schätzungsweise 50.000 Händler und Händlerinnen. Viele haben wie Nambuga nur einen Holztisch als Verkaufsstand oder eine Stange, an der Kleiderbügel baumeln. Einige sparen sich die Standmiete und schleppen Büstenhalter, Taschen, Leintücher, Gürtel oder Halstücher über Armen und Schultern mit sich herum, um sie lauthals anzupreisen. In den engen Gassen zwischen den hölzernen Verkaufsbuden ist es laut wie auf einem Rockkonzert: "Gürtel, Gürtel, Gürtel", verkündet jemand im Getümmel. "Hüte, Hüte, Hüte", schreit jemand anderes, "Schuhe, Schuhe, Schuhe", hallt es aus einer anderen Richtung.

Back to the roots: Kleider aus Feigenbaumrindenvlies. - © Schlindwein
Back to the roots: Kleider aus Feigenbaumrindenvlies. - © Schlindwein

Mit prüfendem Blick sortiert Nambuga ihre Ware mit flinken Griffen: T-Shirts und Hemden auf den einen Haufen, Abendkleider und Röcke auf den anderen. Die gute Ware hängt sie auf einen Kleiderbügel, diejenigen mit Rissen oder kaputten Reißverschlüssen landen auf dem Boden. "Die gebe ich zum Schneider, der kann das ausbessern", sagt sie und sortiert weiter. Die bunten Stoffe fliegen schier durch die Luft. Dann zückt sie wieder das Teppichmesser. Mit einem weiteren "Ratsch" wendet sie sich dem nächsten Ballen zu. Bis zu den Knien steht sie schließlich in dem bunten Kleiderhaufen.

Die 2014 eröffnete Nähfabrik "Finespinners" in Kampala prozuziert bereits auch für westliche Labels. - © Schlindwein
Die 2014 eröffnete Nähfabrik "Finespinners" in Kampala prozuziert bereits auch für westliche Labels. - © Schlindwein

All die auf dem Owino-Markt feilgebotenen Textilien haben mindestens eine Weltreise hinter sich, manche sogar zwei: Zum Teil stammt die Baumwolle, die in einer Textilfabrik in Asien gesponnen und gewebt wurde, von ugandischen Baumwollfeldern. In Europa und den USA werden die Kleidungsstücke getragen, bis sie abgetragen sind und in der Altkleidersammlung landen. Dann werden sie in Ballen verschnürt wieder nach Afrika zurückgeschickt: Per Containerschiff aus den USA, Europa oder China bis an den kenianischen Hafen Mombasa, dann per Lastwagen zum Owino-Markt nach Kampala, wo Händlerinnen wie Nambuga sie erneut in einen Kreislauf bringen. Am liebsten kauft sie Ware aus Großbritannien oder Deutschland, verrät sie, denn: "Da stimmt die Qualität und die Größe". Das Gewand aus China sei meist zu kurz, vor allem die Hosen. "Außerdem ist die Qualität schlecht und der Ausschuss enorm".