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Das Euro-Comeback

Von Anja Stegmaier

Wirtschaft

Entgegen allen Erwartungen ist der Euro auf einem Höhenflug. Das birgt aber auch Risiken.


London/Berlin. Weniger als einen US-Dollar war der Euro bei seiner Einführung als Bargeld am 1. Jänner 2002 wert. So tief ist die Gemeinschaftswährung bis heute nicht wieder gesunken - obwohl der Euro zuletzt stark schwächelte und zu Beginn des vergangenen Jahres unter einem Wert von 1,05 Dollar kratze. Viele sagten eine Parität mit Ende 2017 voraus, also für einen Euro würde es nur mehr einen Dollar geben. Aber das Gegenteil ist eingetroffen: Der Euro scheint 2018 ein Comeback erleben zu können. Die Währung markierte mit Montag ein Dreijahreshoch bei knapp 1,23 US-Dollar.

Der erstarkte Euro ist Ausdruck der wirtschaftlichen Erholung der Eurozone. Erst kürzlich prognostizierte die EU-Kommission - erstmals seit zehn Jahren - ein Wirtschaftswachstum in allen 19 Staaten. Private Investoren treiben die Konjunktur an - sie richten ihre Portfolios verstärkt auf Europa aus, was wiederum den Dollar schwächt. Die US-Währung notierte zeitgleich ihren Tiefststand seit 2015. Strategen der US-Bank JP Morgan erwarten, dass die Wirtschaft der Eurozone, die US-Volkswirtschaft 2018 überholen wird. Trotz Wachstum in den USA und der Zinserhöhung durch die US-Notenbank Fed macht dem Dollar das gewaltige Defizit durch die Steuerreform zu schaffen.

Europäische Zentralbank wartet Italien-Wahl ab

Politisch stärkt die Konkretisierung einer neuen Regierung in Deutschland, einer pro-europäischen großen Koalition, das Vertrauen in die EU und den Euro.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte in ihrem Protokoll zur Zinssitzung im Dezember zudem signalisiert, dass sich ihre geldpolitische Ausrichtung früh in diesem Jahr ändern könnte. Zuletzt war am Markt spekuliert worden, die Notenbank könnte Hinweise auf eine mögliche Aufstockung oder Verlängerung des Anleihekaufprogramms streichen. Die Aussagen in ihrem Ausblick, die "Forward Guidance", sind ein wichtiges Instrument der Euro-Hüter, um die Erwartungen an den Finanzmärkten zu beeinflussen. Insidern zufolge wird die EZB bei ihrer Ratssitzung in der kommenden Woche am Ausblick für die ultralockere Geldpolitik aber festhalten.

Denn ein politischer Unsicherheitsfaktor in der EU wird noch abgewartet: Am 4. März wählt Italien ein neues Parlament. Erst danach ist die Phase der großen politischen Risiken in der EU - nach dem Brexit-Votum, den Wahlen in den Niederlanden, Frankreich, Österreich und Deutschland - ausgestanden. Vor der Ratssitzung am 8. März wird die, von dem Italiener Mario Draghi geleitete, EZB also keine Änderungen an ihrer Kommunikation vornehmen. Traditionell haben Vertreter der Notenbank ab einem Wechselkurs von 1,25 Dollar verbal interveniert, um den Eurokurs wieder zu schwächen.

Deutschland hat höchsten Leistungsbilanzüberschuss

Denn ein starker Euro dämpft tendenziell die Inflationsentwicklung, da sich dadurch unter anderem die Exporte verteuern - was wiederum die Konjunkturentwicklung im Euroraum bremsen kann. Eine Konsequenz könnte auch ein Stopp der Gewinne der Aktien und Anleihen in der Eurozone sein. Letztlich kann ein starker Euro der Genesung der Wirtschaft nicht mehr unter die Arme greifen, wie billiges Geld durch den Niedrigzins.

Sollten die Notenbanken heuer stärker als erwartet die Zinsen erhöhen, sorgt dies für weiteren politischen Zündstoff: Deutschland hat dem Ifo-Institut zufolge 2017 erneut den weltweit größten Leistungsbilanzüberschuss erzielt. Mit 287 Milliarden Dollar - 7,8 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP)- sei dieser mehr als doppelt so groß ausgefallen wie der von Exportweltmeister China (135 Milliarden Dollar), so das Wirtschaftsforschungsinstitut. Und dieser könnte mit einer Zinserhöhung 2018 noch höher ausfallen, da diese die Investitionen im Währungsraum dämpft.

Wegen des hohen Exportüberschusses erntet Deutschland nicht nur von US-Präsident Donald Trump Kritik, auch der Internationale Währungsfonds und die EU-Kommission halten Überschüsse von mehr als sechs Prozent des BIPs für stabilitätsgefährdend.