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"Amerika zuerst heißt nicht Amerika allein"

Von Thomas Seifert aus Davos

Wirtschaft

US-Präsident Trump gibt sich beim Weltwirtschaftsforum handzahm. Die Steuerreform hat seine Kritiker besänftigt.


Davos. Standing Ovations im amerikanischen Fan-Sektor, der Rest des Auditoriums im Kongresszentrum Davos blieb sitzen und spendete nur matten Höflichkeitsapplaus. Immerhin, Donald J. Trump hat sich bei seiner Rede vor den globalen Eliten in Davos in den Schweizer Bergen keine Peinlichkeit geleistet. Das ist beim 45. US-Präsidenten bereits auf der Erfolgsspalte zu verbuchen. Die Rede war ja nervös erwartet worden. Was wird der Proponent des Protektionismus vor den Freihandels-Fans sagen? In einem Satz zusammengefasst: "America first is not America alone. - Amerika zuerst heißt nicht nur Amerika allein."

Doch von Anfang an: Beim Forum waren beide Seiten offenbar bemüht, die wechselseitigen Animositäten nicht allzu deutlich zutage treten zu lassen. Trump hatte sogar angedeutet, es könnte vielleicht wieder Gespräche über das Transpazifische Handelsabkommen geben (das er ja vergangenes Jahr aufgekündigt hatte) und er traf sich mit dem ruandesischen Präsidenten Paul Kagame - gleichzeitig Präsident der Afrikanischen Union, der noch vor wenigen Tagen Trump in einem Brief dafür gescholten hatte, dass der US-Präsident eine Reihe afrikanischer Staaten als "Drecksloch-Länder" bezeichnet hatte.

Gute Miene zu bösem Spiel

Trump vermied jene Form von Entschuldigung, Kagame machten gute Miene zum bösen Spiel und erwähnte die Kontroverse um die skandalösen Aussagen Trumps mit keinem Wort. Trump versuchte auch, die Beziehungen zu Großbritannien wieder zu verbessern. Diese haben ja gelitten, als Trump die Tweets eines rechtsradikalen britischen Politikers verbreitet hatte. Seinen London-Besuch sagte Trump obendrein ab: Er wolle nicht ein neues Botschaftsgebäude einweihen, das von der Administration von Barack Obama "in einem schlechten Deal" eingetauscht worden sei. Beides wurde in London als Affront gewertet.

Bei seiner Ankunft in Davos am Donnerstag reckten die neugierigen Kongressteilnehmer des Weltwirtschaftsforums im Kongresszentrum noch die Hälse und hielten ihre Mobiltelefone hoch, um einen Blick oder zumindest ein Foto von Trump zu erheischen. Ein Teilnehmer erhebt die Stimme: "Wird man Sie gut behandeln?" Trump: "Das müssen Sie mir sagen." Vergangenes Jahr hatte am Forum noch Entsetzen dominiert, bei Diskussionen um Donald Trump in den Pausen und Abendveranstaltungen galt der Konsens: Trump ist ein Irrer. Ein Jahr und eine Riesen-Steuersenkung heißt es nun: Irre? Vielleicht, aber eine Steuersenkung ist immer fein.

Vor allem Eigenlob

"Die Frage ist: Kommt Trump, um sich von den Milliardären auf die Schulter klopfen zu lassen, oder wird er Milliardärsschelte betreiben, wie es seine Wählerschaft von ihm erwartet? "Er wird wohl so tun, als mache er beides", wird Robert A. Johnson, Präsident des Institute of New Economic Thinking in der "New York Times" zitiert. Bei einem Abendessen mit 15 Spitzenmanagern von Firmen wie Siemens Nokia, Nestle oder Bayer gab es wechselseitiges Schulterklopfen.

Bei seiner Rede schließlich gab es vor allem eines: Eigenlob. Nach Jahren der Stagnation gehe es nun mit dem Wachstum und den Aktienkursen nach oben (freilich ist das Wachstum ähnlich wie in den Jahren 2014 und 2015 der Präsidentschaft von Barack Obama). Amerika sei "open for business" - Auslandsinvestitionen sind also willkommen, Immigration freilich nicht. Bei seiner Redepassage über Freihandel sprach er davon, dass manche Länder "Raubtier-Praktiken" anwenden würden. "Die Vereinigten Staaten werden bei unfairen Handelspraktiken nicht mehr wegschauen. Wir können keinen freien und offenen Handel haben, wenn manche Länder das System auf Kosten anderer ausnutzen."

Dann der Schwall an Eigenlob: die Steuerreform - ein einziger Erfolg. Die Wettbewerbsfähigkeit - wiederhergestellt. Es gebe eine Renaissance eines "starken, mächtigen und wohlhabenden Amerikas." Nun sei auch die ideale Zeit, in den USA zu investieren und dort Arbeitsplätze zu schaffen. Trump sprach aber wiederholt davon, dass die USA die "Integrität des Handelssystems" wiederherstellen wollen. "Nur, indem wir auf einen fairen und gegenseitigen Handel bestehen, können wir ein System schaffen, das nicht nur für die USA, sondern für alle Nationen funktioniert."

"Verdeckte Besteuerung"

Und Trump sprach auch davon, dass staatliche Regulierung eine "verdeckte Besteuerung" sei. Die Themen Terror, Nordkorea und Iran durften auch nicht fehlen: Der Kampf gegen Islamisten sei noch nicht vorbei. Gemeinsam mit den Verbündeten habe man den IS fast vollständig aus jenen Gebieten vertrieben, die bisher unter der Kontrolle des IS gestanden sind. Dass die USA in einen handfesten Konflikt mit dem Nato-Partner Türkei verwickelt sind, weil die Türkei die von den USA unterstützte und im Kampf gegen den IS erfolgreiche Kurdenmiliz YPG in Syrien bombardiert, erwähnte Trump nicht.

Afghanistan dürfe nie wieder ein sicherer Hafen für Terroristen werden und die US-Verbündeten müssten dazu beitragen, "Irans Weg zu einer Atomwaffe" zu blockieren. Die Donald-Show war beendet und beinahe lag ein Hauch von Enttäuschung in der Luft: So mancher hatte sich zumindest einen klitzekleinen Skandal erwartet. Aber der blieb aus.