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Wie von Geisterhand

Von Bernd Vasari aus Berlin

Wirtschaft
Mobilität der Zukunft: Innerhalb eines festgelegten Stadtgebiets können sich Nutzer per Smartphone bequem ein Car-Sharing-Auto oder ein Robotertaxi ordern, das für die Weiterfahrt fahrerlos zu ihnen gefahren kommt.
© Daimler AG

Die Autoindustrie setzt auf selbstfahrende Robotaxis. Sie sollen die Verkehrsprobleme in Städten lösen.


Berlin. Die Beziehung des Städters zu seinem Auto ist an einem Wendepunkt angekommen. Immer längere Staus, kaum noch Parkplätze, die giftigen Abgase mit denen die Luft verpestet wird. Und nun das Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts: Nicht mehr der Bund, sondern die Städte selbst können Fahrverbote erlassen. Und das werden sie auch tun. Nähert sich also das Ende des Autos in Städten? Das Urteil ist ein klares Signal an die Hersteller, die sich beim jährlichen Kongress des Verbands der Automobilindustrie (VDA) in Berlin trafen. Ihre Lösung: Selbstfahrende Taxis mit Elektroantrieb.

"Individuelle Mobilität wird in Zukunft zu geteilter Mobilität", erklärt Markus Schneider, Abteilungsleiter von Strategie und Innovation bei Continental. Neben öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrrad sollen dann fahrerlose Fahrzeuge die Städter an ihre gewünschten Ziele bringen. Bestellt und bedient werden sie per App. Bereits heute bestellen Taxikunden immer häufiger ihr Fahrzeug nicht mehr mittels Telefonanruf oder per Anhalten. Sie klicken auf das Symbol in ihrem Smartphone und können auf einer virtuellen Karte beobachten, wie sich das Fahrzeug nähert. Der vor der Fahrt gezeigte Preis wird automatisch überwiesen, sobald der Kunde zu seinem Ziel chauffiert wurde und das Taxi wieder verlässt. Auch der Fahrer erhält all seine Informationen über Smartphone. Er folgt dem blauen Pfeil, der ihn zur gewünschten Adresse leitet. Eine Unterhaltung zwischen Fahrgast und Fahrer ist nicht zwingend, die Kommunikation findet virtuell statt.

Der bekannteste automatische Fahrdienst-Vermittler ist Uber. Sein Geschäftsmodell wurde zu einem weltweiten Erfolg. Das 2009 gegründete Unternehmen bietet seine Dienste mittlerweile in etwa 500 Städten an, darunter New York City, Buenos Aires, Lagos, Berlin und Wien. Für die Autohersteller ist Uber der Anwendungsfall. In Zukunft soll aber kein Fahrer mehr nötig sein.

Technologie kurz vor dem Durchbruch

Zum Durchbruch der Technologie ist es nicht mehr weit. Wer heute ein Auto kauft, hat bereits mit einer Vielzahl von automatischen Anwendungen zu tun. Wem das Einparken zu mühsam ist, der stellt auf Autopilot und der Wagen chauffiert sich eigenständig in die Parklücke. Bei Stau kann ebenso das Fahrerassistenzsystem aktiviert werden. Das Auto folgt dem vorderen im gleichen Abstand. Auch Fahrspuren erkennt das Fahrzeug. Wer abseits der Spur fahren möchte, löst ein Signal aus, wie beim Unterlassen des Anschnallens. "Private Pkw haben immer mehr automatische Systeme", sagt Schneider. Und immer mehr Fahrer werden sich darauf verlassen.

"Automatisiertes Fahren ist einer der Megatrends, der unser Mobilitätsverhalten nachhaltig beeinflussen wird, insbesondere im urbanen Umfeld", sagt Hans-Peter Hübner, Bereichsvorstand für Entwicklung bei Bosch. Der Autozulieferer gründete vor kurzem einen eigenen Geschäftsbereich für vernetzte Mobilität mit mehr als 600 Mitarbeitern. Das erklärte Ziel: Die Einführung von selbstfahrenden, elektrischen Robotaxis bis 2022 in Städten. Zunächst noch mit Fahrer, der aber so wie heute bereits in U-Bahnen, nur die Maschine überwacht. "Das Robotaxi wird den Anfang machen, weil es sich rechnet", erklärt Hübner. Es gibt keine Kosten für den Fahrer. Zudem können die Taxis von den Flottenbetreibern rund um die Uhr eingesetzt werden. Die dadurch möglichen niedrigen Fahrpreise werden die Kunden anlocken.

"Das automatisierte Fahren macht den Straßenverkehr effizienter und vor allem sicherer", sagt Hübner. "Menschliche Fehler, die ursächlich verantwortlich sind für neun von zehn Unfällen, werden reduziert." Riskante Überholmanöver, Unachtsamkeit, Müdigkeit, Stress, Alkohol und andere Drogen sind dem Automaten fremd. Nach internen Studien würde ein Drittel aller Unfälle in Deutschland vermieden werden, erklärt Hübner.

Die Konkurrenz ist groß. Neben Bosch entwickeln derzeit die Google-Schwesterfirma Waymo, der chinesische Internet-Konzern Baidu, sowie BMW, Volkswagen, Ford und Tesla selbstfahrende Fahrzeuge. Nissan setzt mit dem japanischen Technikunternehmen DeNA ebenso wie Bosch und Daimler auf Robotertaxis. Wenn in zwei Jahren die Olympischen Sommerspiele in Japan stattfinden, soll der autonome Fahrdienst bereits eingesetzt werden. Die Tests starten in den kommenden Tagen in Yokohama. Auch in Österreich werden Fahrproben mit Automaten durchgeführt. Drei Genehmigungen wurden vom Parlament erteilt. Das Bundesheer testet selbstfahrende Autos, der steirische Autozulieferer AVL List testet Autobahnpiloten mit automatischen Spurwechsel und das Forschungsinstitut Salzburg Research testet einen selbstfahrenden Kleinbus in Salzburg-Stadt.

Privatbesitz von Autos wird zurückgehen

"Mobilität wird in Zukunft eine Dienstleistung sein, ein Service für Kunden", sagt Jörg Lamparter, Leiter der Abteilung Mobilitätsservice bei Daimler. "Die Menschen werden verschiedene Verkehrsformen kombinieren." Vor allem in Städten werden Fahrzeuge häufiger gemeinsam genutzt werden, so wie etwa öffentliche Verkehrsmittel. Der Privatbesitz eines Autos werde zurückgehen. "Im Zuge der Urbanisierung leben immer mehr Menschen auf immer weniger Raum", erklärt Lamparter.

Das wirke sich auch auf die Verkehrsinfrastruktur aus, die an ihre Grenzen stößt. Es gibt kaum noch Parkplätze, der hohe Anteil von Parkplatzsuchverkehr am innerstädtischen Verkehrsaufkommen wird weiter steigen. Ein selbstfahrendes Auto würde hingegen bedeutend schneller als ein menschlicher Fahrer einen Parkplatz finden. Die von den Fahrzeugen gesammelten Daten über freie Parklücken werden an einen Server geschickt. Von dort werden sie an andere Fahrzeuge übermittelt, inklusive der Größe der freien Fläche. Der Automat parkt punktgenau, wodurch die Parkplätze effizient genützt werden. Bei Robotaxis werde es nicht notwendig sein einen Parkplatz zu suchen, sagt Lamparter. Sie werden direkt zum nächsten Kunden weiterfahren.

Die Städte zeigen großes Interesse. In Hamburg soll es Teststrecken geben, genauso in Berlin und in Stuttgart. Fehlt noch der rechtliche Rahmen, um die Automaten für die Bürger zugänglich zu machen. Laut dem ausgehandelten Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU/CSU sollen die rechtlichen Voraussetzungen bis zum Ende der Legislaturperiode erfüllt sein. Eine Umsetzung in Deutschland wird wohl auch eine Umsetzung in Österreich und in Wien zur Folge haben.

Bleibt noch eine Frage offen: Wie werden heutige Taxifahrer - aus Fleisch und Blut - in Zukunft ihr Geld verdienen?