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"Freihandels-Abkommen mit Europa bringen Afrika keinerlei Vorteile"

Von Klaus Huhold

Wirtschaft

Die EU fordert eine stärkere Marktöffnung von den afrikanischen Ländern. Doch diese sind darauf noch nicht ausreichend vorbereitet und werden zu Rohstoffexporteuren reduziert, kritisiert die ugandische Wirtschaftsexpertin Jane Nalunga.


Sie sind ein entscheidender Baustein für die künftigen Beziehungen der EU zu Entwicklungsländern: die Economic Partnership Agreements (EPAs), Es handelt sich dabei um Freihandelsabkommen zwischen der EU und 78 Staaten aus Afrika, der Karibik und dem Südpazifik. Während diese in der europäischen Öffentlichkeit wenig wahrgenommen werden, sind sie in vielen afrikanischen Ländern ein heiß diskutiertes Thema. Einige Staaten wie etwa Kenia haben einen solchen Vertrag schon unterschrieben, andere wie Burundi wollen nicht unterzeichnen, und dann gibt es Länder wie Uganda, in denen diese Frage noch nicht entschieden ist. Auch in der Zivilgesellschaft, unter den Gewerkschaften und an den Universitäten regt sich Widerstand gegen die EPAs. Die "Wiener Zeitung" sprach mit Jane Nalunga, einer Handelsexpertin aus Uganda, die auf Einladung des Wiener Instituts for Internationalen Dialog und Kooperation (VIDC) in Wien war, über die Einwände gegen die Abkommen. Nalunga berät Ugandas Regierung und hat persönlich an den EPA-Verhandlungen teilgenommen.

"Wiener Zeitung": Bringen die EPA-Abkommen mit der EU den afrikanischen Staaten mehr Nachteile oder Vorteile?

Jane Nalunga: Diese Freihandels-Abkommen bringen meiner Ansicht nach Afrika keinerlei Vorteile. Europa verlangt nämlich von den afrikanischen Staaten, dass diese für 80 Prozent der Einfuhren ihre Märkte vollkommen öffnen. Das ist angesichts des Entwicklungsstandes dieser Länder eine zu umfangreiche Liberalisierung. In Ostafrika etwa zählen fast alle Länder zu den LDC-Staaten (Least Developed Countries), also zu den ärmsten Ländern der Welt. Die Afrikanische Union hat von der EU gefordert, dass solche Regionen von den Verträgen ausgenommen und nicht zu einer derartigen Liberalisierung genötigt werden. Doch die EU hat sich diesem Ansinnen verweigert. Und dann gibt es noch einige andere Regelungen, die man sich genauer anschauen sollte.

Welche zum Beispiel?

Dass keine neuen Ausfuhrzölle verlangt werden dürfen. Derartiges wird von der Welthandelsorganisation nicht gefordert, aber in den EPA-Verträgen befindet es sich. Solche Zölle sind sehr wichtig, wenn sich Länder industrialisieren wollen. Denn mit ihnen werden etwa Rohstoffe belegt. Dadurch wird der Export weniger attraktiv, und die Rohstoffe werden im eigenen Land verarbeitet. In ihrer derzeitigen Form machen uns die Abkommen aber zu reinen Rohstoff-Exporteuren. Und auch bei den Importzöllen gilt es auf Details zu achten: Gewisse Zölle sollen wir sofort fallen lassen, etwa die auf Medikamente. Das Argument der Europäer lautet, dass wir ja billige Medizin brauchen. Das stimmt auch - für den Moment. Aber was bedeutet das für die Zukunft, wenn die Zölle auf null gefallen sind? Dass wir keine eigene Medizin mehr produzieren können, weil wir in diesem Wettbewerb ja nicht sofort konkurrenzfähig sein können.

Aber es gibt Ausnahmeregelungen. Afrikanische Staaten können weiterhin 20 Prozent ihres Markts schützen.

20 Prozent sind aber ein viel zu kleiner Anteil, der nicht ausreicht. Und wie sollen wir denn jetzt schon wissen, welche Industrien wir später schützen wollen? Denn üblicherweise war es so, dass ein Staat abhängig von den Umständen Zölle senken und heben kann. Aber nun müssen wir uns für ganz bestimmte 20 Prozent entscheiden, und sogar bei diesen beschützen Produkten dürfen wir die Zölle zu einem späteren Zeitpunkt nicht weiter anheben. Oder blicken Sie auf das Glas, das hier vor uns auf dem Tisch steht: Wenn ein afrikanischer Staat eigene Gläser produzieren will, dann muss er diese Industrie zunächst durch Steuern und Zölle schützen, damit sie sich entwickeln kann. Wenn die Industrie dann konkurrenzfähig ist, können diese Schutzmaßnahmen langsam eingeschränkt werden.

Aber bekommen die afrikanischen Staaten nicht diese Zeit? Schließlich können sie ja bestimmte Industrien für einen Übergangszeitraum von 20 Jahren schützen.

20 Jahre sind aber eine sehr kurze Zeit. Fast alle wohlhabenderen Staaten haben sich zunächst hinter protektionistischen Mauern entwickelt. Und das für einen sehr, sehr langen Zeitraum. Europa schützt heute noch seine Landwirtschaft mit Subventionen. Wir sollen nun aber Konditionen, die einen bestimmten Zeitrahmen ganz genau festlegen, akzeptieren.

EPA-Befürworter argumentieren, dass die Abkommen mehr ausländische Direktinvestitionen anziehen werden. Glauben Sie nicht, dass das der Fall sein wird?

Ich sehe hier keinen Zusammenhang. Investitionen waren ja bisher noch nicht Teil der EPA-Gespräche, dieses Thema soll erst in einer späteren Phase verhandelt werden. Außerdem gibt es ohnehin schon genug andere Abkommen, um Investoren anzuziehen. Hier muss sich zudem die Lage in Afrika selbst verbessern: Manche Länder brauchen mehr politische Stabilität, außerdem müssen die Arbeitskräfte besser ausgebildet und muss die Infrastruktur verbessert werden. Aber das hat nichts mit den EPAs zu tun.

Aber wenn die EPA-Verträge für Afrika so schädlich sind, warum unterzeichnen sie dann afrikanische Länder wie etwa Kenia?

Weil die EU Druck ausübt und die EPA-Verhandlungen mit gewissen Bedingungen verknüpft. Das zeigt sich am Beispiel von Kenia: Das Land exportiert viele Blumen. Die EU hat diese mit Einfuhrzöllen belegt, damit Kenia den EPA-Vertrag unterschreibt. Kenia hat deshalb monatelang viel Geld verloren.

Ist der politische Prozess rund um die EPA-Abkommen symptomatisch dafür, wie Europa mit Afrika umgeht?

Ich habe an den Gesprächen teilgenommen, und die EU ist bei den Verhandlungen doch sehr paternalistisch mit Afrika umgegangen. Nach dem Motto: Wir wissen, was gut für euch ist.

Ist der EPA-Prozess auch eine Reaktion darauf, dass China in Afrika immer mehr Fuß fasst?

Ich denke schon. Die EU und China konkurrieren um die afrikanischen Rohstoffe. Aber wenn sich zwei Elefanten streiten, dann wird das Gras zertrampelt.

Ist China ein besserer Handelspartner für Afrika?

Nein. China ist enorm rücksichtlos und aggressiv, geht überall dorthin, wo das Geld ist, selbst in kleine Wirtschaftszweige wie den Einzelhandel. Aber für Afrika sollte die Wahl nicht lauten: entweder Europa oder China oder Indien. Sondern wir sollten uns die Frage stellen, wie wir uns in der globalen Arena mit ihrem harten Wettbewerb positionieren, damit unsere Wirtschaft wächst.

Afrika sollte stärker zusammenwachsen, den Handel innerhalb des Kontinents mehr fördern - hier ist mit der Einigung auf eine afrikanische Freihandelszone zuletzt auch viel geschehen. Zudem sollte Afrika gegenüber anderen Parteien als einheitlicher Block auftreten. Das würde dem Kontinent bei Verhandlungen mehr Macht geben.

Zur Person

Die EPA-Abkommen

Die Economic Partnership Agreements (EPAs) sind Abkommen über Freihandel, die die EU mit afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten (den sogenannten AKP-Staaten) bereits abgeschlossen hat oder demnächst abschließen will. Die vertragliche Grundlage der EPA liegt in den Cotonou-Abkommen, die im Jahr 2000 von der EU mit den AKP-Staaten abgeschlossen wurden. EPA soll Cotonou erweitern beziehungsweise modifizieren.

Im Grunde geht es dabei um einen Abbau von Handelshemmnissen, und dass es eine - von der Welthandelsorganisation (WTO) geforderte - stärkere Reziprozität, also Wechselseitigkeit, zwischen beiden Seiten gibt. Nachdem Europa seinen Markt für viele Produkte aus den Entwicklungsländern geöffnet hat, soll dies nun auch umgekehrt stärker der Fall sein. 80 Prozent der Importe aus der EU sollen zollfrei abgewickelt werden. Dafür wird den AKP-Staaten eine Übergangsfrist von 20 Jahren gewährt. 20 Prozent des Import-Volumens können die Länder dauerhaft vor internationalem Wettbewerb schützen. Zudem soll es weitere Ausnahmeregelungen geben, wenn lokale Industrien gefährdet sind. Gleichzeitig besteht die EU darauf, dass die AKP-Staaten in Zukunft keine neuen Ausfuhr- und Schutzzölle verabschieden dürfen. Damit würde sie sich den dauerhaften Zugang zu günstigen Rohstoffen sichern.

Jane Nalunga ist Direktorin der Denkfabrik Southern and Eastern Africa Trade Information and Negotiations Institute in Uganda. Sie forscht seit 20 Jahren zu Handels-, Steuer- und Investitionsfragen. Sie ist Mitglied von mehreren wirtschaftspolitischen Gremien in Uganda und Beraterin der Regierung. Sie hat Geschichte und Anglistik an der Makerere University in Ugandas Hauptstadt Kampala und afrikanische Geschichte an der University of London studiert.