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Auszug aus den Kohlegruben

Von Ronald Schönhuber

Wirtschaft

Die Allianz zieht sich völlig aus dem Geschäft mit Kohle zurück. Das Beispiel der größten europäischen Versicherung könnte bald Schule machen.


München. Die Anerkennung der Klimaschützer hatte sich Oliver Bäte schon vor drei Jahren verdient. Damals hatte der Vorstandschef der deutschen Allianz-Versicherung unmittelbar vor dem Beginn des historischen Klimagipfels mit einer Ankündigung aufhorchen lassen, die bei vielen die Hoffnung auf eine Trendwende bei der Reduktion von Treibhausgasen weckte: Statt weiterhin auf fossile Energieträger zu setzen, sollte das größte Versicherungsunternehmen Europas seine Investments in diesem Bereich spürbar zurückfahren und nur noch Geld in jene Unternehmen stecken, die weniger als 30 Prozent ihres Geschäfts mit dem Abbau von Kohle oder der Produktion von Kohlestrom bestreiten.

Knapp drei Jahre später dürfte Bäte in der Achtung der Umweltschutzorganisationen aber nun nochmals deutlich gestiegen sein. Denn der Allianz-Chef hat am Freitag den nächsten großen Schritt in Richtung Kohleausstieg vollzogen. So wird der DAX-Konzern ab sofort auch keine Kohlekraftwerke und Kohleminen mehr versichern. Alle bestehenden Verträge sollen daher nach dem Ende der meist einjährigen Laufzeit nicht mehr verlängert werden.

Bis zum Jahr 2040 soll zudem kein Geld mehr in Unternehmen investiert werden, die mit ihrem Geschäftsmodell das Zwei-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommen gefährden. Dafür soll die bestehende 30-Prozent-Grenze in den kommenden Jahren in Fünf-Prozent-Schritten bis auf null reduziert werden. "Bis 2040 wollen wir keine Art von Kohlerisiko mehr haben", sagt Bäte.

Für die Kohlebranche dürfte der Rückzug der Allianz nicht unbeträchtliche Folgen haben. Denn das Münchner Unternehmen war in der Vergangenheit nicht nur einer der führenden globalen Kohleversicherer, sondern mit 600 Milliarden Euro an verwalteten Kundengeldern auch ein maßgeblicher Investor am Markt.

Eine Frage des Geldes

Wirklich hart dürfte es die Kohleindustrie aber vor allem dann treffen, wenn andere Unternehmen dem Beispiel der Allianz folgen und sich ebenfalls vollständig aus der Kohle zurückziehen. Denn Anzeichen für ein Umdenken gibt es bereits viele. So finanziert die niederländische Großbank ING etwa nur noch Energieversorger, deren Kohleanteil bei der Stromproduktion bei unter fünf Prozent liegt. Kohleverarbeitende Betriebe will auch der französische Versicherungskonzern Axa ins Visier nehmen. So sollen ab 2020 keine neuen Kohleminen oder Ölsand-Abbauanlagen versichert werden.

Klimaschützer erhoffen sich zudem viel von der Initiative "Climate Action 100+", die Ende 2017 bei einem weiteren Klimagipfel in Paris vorgestellt worden war. Dabei hatten 200 institutionelle Finanzinvestoren zugesagt, ihren Druck auf jene Unternehmen zu erhöhen, die zu den größten Verursachern von Treibhausgasen gehören. So wollen die Geldgeber, die gemeinsam ein Vermögen von mehr als 22,3 Billionen Euro verwalten, die Unternehmen unter anderem dazu bringen, in ihren Finanzberichten die Risiken des Klimawandels einzubeziehen.

Verantwortlich für den Rückzug aus der Kohle ist allerdings nicht ausschließlich das zunehmende Klimaschutzbewusstsein. In vielen Fällen wird die Entscheidung für mehr grüne Energie und weniger fossile Brennstoffe von wirtschaftlichen Überlegungen geleitet. Denn die Preise für Solar- und Windstrom fallen dank technologischer Fortschritte und einer weltweit gestiegenen Produktion von Panelen und Turbinen von Jahr zu Jahr. "Die Reduktion unsere Treibhausgasemission und der Wechsel zu erneuerbaren Energien haben uns viel Geld gespart", sagt etwa Laura Phillips, die als Vize-Präsidentin für die Nachhaltigkeitsagenden beim US-Supermarktriesen Wal-Mart zuständig ist.

Fracking statt Kohlegrube

Unter Druck kommt die Kohle aber nicht nur durch den Aufstieg der erneuerbaren Energie. Seit die US-Fracking-Industrie die unterirdischen Schieferformationen im großen Stil aufsprengt, wird auch Erdgas von Jahr zu Jahr billiger, während die Kohle unter Marktgesichtspunkten immer weniger konkurrenzfähig ist. Und selbst in den USA, wo Präsident Donald Trump medienwirksam das Comeback der Kohle verkündet hat, dürfte sich dieser Trend kaum noch umkehren lassen. So gehen die derzeitigen Prognosen davon aus, dass die US-Kohleproduktion nach einem vor allem vom Export getriebenen Anstieg um acht Prozent im Vorjahr schon heuer wieder zurückgeht. Auch mittelfristig dürfte es kaum besser werden. "Wir planen keine zusätzlichen Kohlekraftwerke", sagt Melissa McHenry vom Energieversorger American Electric Power, der als eines der größten Unternehmen der Branche Strom in elf Bundesstaaten liefert.