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Weniger Geld aus China als erwartet

Von Klaus Huhold

Wirtschaft

Eine Studie zeigt, dass sich der wirtschaftliche Einfluss der Volksrepublik in Osteuropa in Grenzen hält.


Wien. Eine Militärparade hier, ein Händeschütteln da, ein Rahmenabkommen dort - Chinas Außenminister Li Keqiang ist ein in Europa viel und oft auch gerne gesehener Gast. Und vor allem in den CEE-Ländern, das sind die neuen osteuropäischen EU-Mitgliedsländer plus der Balkan, ist der Politiker viel unterwegs. So war er etwa bereits in Ungarn, Tschechien und Serbien - um nur drei Beispiele zu nennen.

Denn China rückt immer mehr in diese Region vor, und das auch und vor allem wirtschaftlich. Huawei, Lenovo, ZTE, Comlink haben beispielsweise im Technologie-und Energiebereich Geld investiert, im Autosektor waren es unter anderem Zhi Dou für Elektroautos oder Linglong für Reifen. Allerdings, das hat gerade eine Studie der Erste Group festgestellt, befindet sich trotz aller Investitionen kein chinesisches Unternehmen unter den Top-20-Produktionsbetrieben in der Region.

"China nicht bedrohlich"

Und generell kommt die Untersuchung, in der Chinas wirtschaftliche Präsenz in den CEE-Staaten in den vergangenen zehn Jahren untersucht wurde, zu dem Schluss, dass China seinen wirtschaftlichen Einfluss in Osteuropa nicht derart erfolgreich ausweitet wie erwartet. "Unserer Ansicht nach ist das aktuelle Niveau der chinesischen Präsenz in der Region nicht bedrohlich und sollte keinen signifikanten Einfluss auf diese Märkte haben", heißt es in der Analyse.

Zoltan Arokszallasi, einer der Autoren der Studie, verweist im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" aber darauf, dass es sich bei der Untersuchung um eine Beschreibung des Ist-Zustandes und nicht um eine Prognose für die Zukunft handelt.

Größter Importeur chinesischer Waren ist demnach Polen, wo 7,8 Prozent der Importe aus China kommen, größter Exporteur Ungarn, das 3,1 Prozent der Exporte dorthin verschifft. Insgesamt macht der Anteil der Exporte und Importe mit China aber in kaum einem Land mehr als drei Prozent des Gesamthandels aus.

Auch eine Untersuchung der in Berlin ansässigen Denkfabrik "Mercator Institute for China Studies" (Merics) und der New Yorker Rhodium Group kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. "Die chinesischen Investitionen gehen noch immer viel stärker nach Westeuropa in die großen Mitgliedsstaaten als nach Osteuropa", sagt der österreichische China-Experte Thomas Eder, der für Merics forscht.

Das bedeute aber nicht, dass die Präsenz der chinesischen Konzerne in Zentral- und Mitteleuropa nicht in einzelnen Branchen den Markt verändert. "In der Baubranche etwa sind österreichische Unternehmen Platzhirsche am Balkan. Sie bekommen nun durch chinesische Unternehmen neue Konkurrenz", sagt Eder.

Ein Beispiel dafür ist die Peljesac-Brücke in Kroatien, die in Süddalmatien das Festland mit der Halbinsel Peljesac verbinden soll. Bei der Ausschreibung dieses Projekts wurde die österreichische Strabag von einem chinesischen Konsortium unter der Leitung des staatlichen Bauunternehmens China Road and Bridge Corporation unterboten, das nun die Brücke baut.

Abbau von Überkapazitäten

Es ist eine für China typische Investition. Konzentriert sind die chinesischen Geschäfte in dieser Region nämlich laut der Studie der Erste Group auf Transport, Energie und Technologie.

Das deckt sich mit der Initiative der "Neuen Seidenstraße", in die China viele CEE-Länder einbinden will. Durch diese will die Volksrepublik - und das nicht nur in europäischen, sondern auch in asiatischen und afrikanischen Ländern - durch ein Netzwerk aus Investition und Projekten neue Märkte erobern und so Überkapazitäten der eigenen Industrien, etwa in der Stahlbranche, abbauen. Den Ländern, die Teil der "Neuen Seidenstraße" sind, bringt dies wiederum neue Gelder.

Arokszallasi weist allerdings darauf hin, dass Geld aus China zu weniger attraktiven Konditionen fließt als die Mittel aus den EU-Fördertöpfen. "China vergibt Kredite, die zurückgezahlt werden müssen", sagt der Analyst. Die Infrastrukturförderungen der EU sind zwar an Bedingungen geknüpft, müssen jedoch nicht zurückgezahlt werden."

Die Erste Group untersuchte nur die wirtschaftlichen Aspekte. Doch hat die Seidenstraße-Initiative auch eine politische Seite. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping stellt mittlerweile offen den Anspruch, dass Peking wieder eine Großmacht sein will.

Peking hat sich mit dem 16+1-Forum, das es mit den CEE-Staaten gegründet hat, bereits ein Forum geschaffen, mit dem China Brüssel umgehen kann. Und manche Staaten haben, offenbar in der Hoffnung auf weitere chinesische Investitionen, eine einheitliche Front der EU gegenüber China verhindert. So konnte die EU China wegen seiner aggressiv gestellten Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer nicht derart hart verurteilen, wie das die meisten Staaten wollten, weil sich Ungarn quer stellte.

"Nicht naiv sein"

Ob chinesische Investitionen mehr Chance oder mehr Gefahr sind, darüber sind die Meinungen geteilt. Die einen sehen die Initiative der "Neuen Seidenstraße" als Europas einzige Möglichkeit auf mehr Wachstum, die anderen nur als einen Schritt der Volksrepublik, um seinen Einfluss auszuweiten und langfristig auch das demokratische Modell anzugreifen. Befürworter chinesischer Investitionen argumentieren, dass diese Arbeitsplätze bringen. Die Gegner meinen, dass chinesische Konzerne vor allem europäische Technologie absaugen wollen, um selbst Marktführer zu werden.

Tatsächlich hat sich China im Rahmen seiner Initiative "China 2025" das Ziel gesetzt, die Wertschöpfungskette möglichst schnell möglichst hoch hinaufzuklettern. Deshalb etwa steht Deutschland noch immer stärker im Fokus chinesischer Investitionen als Osteuropa - weil es hier im Hochtechnologiebereich, etwa in der Robotik, viel mehr attraktive Firmen gibt.

"Grundsätzlich sind Investitionen, und damit auch chinesische, zu begrüßen" sagt Eder vom Merics-Institut. "Dabei sollte man aber nicht naiv sein, gewisse Ziele Chinas kennen und bei den betreffenden Sektoren und bei der betreffenden Art von Investition auch zwei Mal nachdenken, was auf lange Sicht am meisten Sinn ergibt."