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Der andere Preis von Ceta

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Am Mittwoch haben ÖVP und FPÖ im Ministerrat das Handelsabkommen zwischen Kanada und der EU, kurz Ceta, durchgewunken. Der parlamentarische Beschluss des Abkommens, das seit September 2017 vorläufig angewendet wird, ist damit nur noch eine Frage der Zeit.

Im Nationalrat kochte daraufhin die Debatte über Ceta über. Wieder einmal, schließlich quält der bilaterale Vertrag die heimischen Parteien seit Jahren, indem er die Abgründe zwischen Worten und Taten recht erbarmungslos dem interessierten Publikum vor Augen führt.

Die Aufführung im Parlament geriet zum Schauerstück. Nur zur Erinnerung: Die SPÖ stand Ceta erst skeptisch ablehnend gegenüber, war dann mit Bauchweh dafür, nur um nun doch dagegen zu sein. Dafür jetzt umso entschlossener. Zwischen dem einstigen Bauchweh und der aktuellen Entschlossenheit liegt der Weg vom Kanzleramt auf die Oppositionsbank.

Genau umgekehrt verläuft die Meinungsbildungskurve der FPÖ: Die Blauen waren nämlich zunächst dagegen, und zwar so dagegen, wie man als politische Partei nur sein kann, die in der Vergangenheit gegen fast alles war, was Brüssel für vernünftig hielt; und jetzt, als Regierungspartei, sind die Freiheitlichen doch dafür, wenn auch nur irgendwie, weil sie ohne ein Ja halt immer noch nicht in der Regierung säßen.

Dass Parteien ihre Meinung ändern, ist prinzipiell nichts Verwerfliches; dass es trotzdem schwerfällt, hinter einem veränderten Standpunkt einen Lernprozess zu vermuten, hängt damit zusammen, dass Politiker in jedem Moment für sich beanspruchen, allein die selig machende Wahrheit zu besitzen. Und weil das so ist, geraten Parlamentsdebatten wie am Mittwoch über Ceta zu einem solchen Debakel der politischen Glaubwürdigkeit.

Während ÖVP sowie Neos mit ihrem Ja, und die Liste Pilz in Vertretung der Grünen mit ihrem Nein immerhin stimmige Ceta-Positionen argumentieren, entscheiden sich SPÖ und FPÖ dafür, den Haltungswechsel des jeweiligen anderen als Zeichen besonderer moralischer Verkommenheit zu brandmarken. Das, ehrlich gesagt, muss man sich auch erst einmal trauen.

Und so nahm eine Debatte ihren vorhersehbaren Verlauf, in dem die SPÖ vom "Verrat" der Interessen Österreichs und seiner Bürger durch die Regierung irrlichterte, während die FPÖ ihren Umfaller mit ihrer Niederlage bei der Präsidentschaftswahl zu rechtfertigen versuchte.

Es gibt inhaltliche Argumente gegen und solche für Ceta. Dieses Abkommen wird auch nicht über Wohl und Wehe entscheiden, weder Österreichs noch Europas. Aber das ist für SPÖ und FPÖ irrelevant. Und wer will, kann genau darin schon auch einen Verrat an Österreich erkennen.