Zum Hauptinhalt springen

Das globale Match um Bits und Bytes

Von Klaus Huhold und Konstanze Walther

Wirtschaft

Alle gegen die USA: Der G7-Gipfel, der am Freitag beginnt, steht im Zeichen des Handelsstreits.


Quebec/Wien. Vielleicht wird es vor lauter Streit nicht einmal eine gemeinsame Abschlusserklärung geben. Seit Präsident Donald Trump sein Amt in den USA angetreten hat, entfernen sich diese zusehends von ihren Verbündeten - und das zeigt sich bereits im Vorfeld des am Freitag und Samstag stattfindenden G7-Gipfels, bei dem in der Nähe von Quebec die reichsten westlichen Industrienationen zusammenkommen.

Es ist schon von G6 gegen G1 die Rede, so weit auseinander liegt Trumps Position von der der Europäer, Japans oder der kanadischen Gastgeber. Mit den Importzöllen von zehn Prozent auf Aluminium und 25 auf Stahl hat Trump sie vor den Kopf gestoßen. Er kündigte bereits an, dass er auch beim Gipfel hart bleiben wolle. Und Trumps Wirtschaftsberater Larry Kudlow setzte noch eins drauf: Die USA spielen sich mit dem Gedanken, Entscheidungen der Welthandelsorganisation (WTO) - bei der zahlreiche Staaten Beschwerde gegen die neuen US-Zölle eingebracht haben - nicht mehr zu respektieren. Multilaterale internationale Organisationen werden nicht die amerikanische Politik bestimmen", sagte Kudlow. Er räumte aber zugleich ein, dass die USA weiter an der WTO interessiert sein könnten - schließlich habe man dort ja selbst Klage gegen Chinas Handelspraktiken eingebracht.

Negieren der WTO als Bedrohung des Welthandels

Wenn sich die USA nun tatsächlich nicht mehr um Urteile der WTO kümmern, dann ist das "eine existenzielle Bedrohung des Welthandelsystems", betont Gabriel Felbermayr, der Leiter des Zentrums für Außenwirtschaft des Münchner Ifo-Instituts, eines der größten deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute. Warum sollten sich kleinere Staaten an die WTO gebunden fühlen, wenn die in Dollar gerechnet größte Volkswirtschaft es nicht macht? "Das ganze Regelwerk wird damit in Frage gestellt."

Deshalb sei es nun wichtig, den USA ihre zunehmende Isolation deutlich zu machen - und das weit über den G7-Gipfel hinaus. Schließlich hat die WTO 164 Mitglieder. "Die WTO-Mitglieder, die darunter leiden würden, wenn die Organisation kaputtgeht, müssen nun zusammenstehen", sagt Felbermayr im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Das betrifft Größen wie China, das als Exportnation vom WTO-Regelwerk profitiert, aber auch kleinere afrikanische oder asiatische Länder, die einzeln zwar ökonomisch wenig Gewicht haben, aber gemeinsam viel ausmachen. "Die USA vereinen zwar 20 Prozent des Welt-BIP auf sich", analysiert der aus Österreich stammende Professor für Volkswirtschaft. "Wenn sie aber 80 Prozent gegen sich haben, dann ist das ein Argument, das wohl auch Donald Trump einleuchtet."

Das ist aber nicht die einzige Drohkulisse, die gegen die USA aufgebaut werden kann. Die EU hat laut Felbermayr noch weitere Trümpfe in der Hand.

Trump argumentiert ja, dass die USA ein Leistungsbilanzdefizit mit Europa hätten. Das stimmt aber nicht, sagt Felbermayr. "Wenn man sich die Zahlen ansieht, haben die USA einen leichten Überschuss mit Europa." Zwar hätten die Europäer in der Industrie, in der sogenannten Old Economy, einen Vorteil. In der New Economy, also den digitalen und finanziellen Dienstleistungen oder auch auf dem Unterhaltungssektor, seien hingegen die USA klar im Vorteil. Einen beträchtlichen Teil machen hier auch die in Europa erzielten Gewinne von US-Giganten wie Apple aus - die aus steuerlichen Gründen ihre Dienstleistungen in Europa etwa aus Irland anbieten.

Hier könnte die EU das von der Kommission ohnehin auf den Tisch gelegte Modell einer digitalen Umsatzsteuer in Spiel bringen, sagt Felbermayr. Denn wenn Trump Zölle auf die Automobilindustrie androht, träfe er den Kern der europäischen Industrie. Europa "zappelt aber noch an der Peripherie herum", wenn es im Gegenzug Erdnussbutter und Jeans besteuert. Mit einer Drohung einer Digitalsteuer würde es aber auf den Kern der US-Wirtschaft zielen. Somit hätte Europa auch etwas zum Abtauschen mit den USA: Wenn diese von den Zöllen auf die Automobilindustrie absehen, kann die EU auf die Digitalsteuer verzichten.

USA wollen Chinas digitalen Aufstieg abbremsen

Wie entscheidend der High-Tech-Bereich für die USA ist, ist auch der Trump-Administration bewusst. Im Machtkampf mit China sei der Streit um Einfuhrzölle daher nur vorgeschoben, meint Fabrice Jacob. Der Asienexperte des Investmentfonds La Française, der selbst seit mehr als 20 Jahren in Hongkong lebt, sieht im Technologie-Wettstreit den wahren Grund zwischen den Verwerfungen der beiden Großmächte. Denn die USA waren lange Zeit - und sind es noch immer - Nummer eins im Technologiemarkt. Aber ihre Position ist bedroht.

"Die chinesische Regierung hat kürzlich einen Plan vorgelegt, dass sie ihr Land zur globalen Nummer eins machen wollen", erläutert Jacob bei einem Wienbesuch. Die langfristigen Wirtschaftspläne der chinesischen Führung gingen bisher so gut wie immer in Erfüllung. Das Abbauen von Kohle war gestern: Schon heute macht die "New Economy" 21 Prozent des chinesischen BIPs aus. Jacob ist davon überzeugt, dass "die USA den Aufstieg von China zur Technologie-Macht verlangsamen wollen".

Konkret will China seine Tech-Führerschaft über das 5G-Netzwerk erreichen, dass laut Jacob 2020 überall auf der Welt der neue Standard sein wird. Doch die Frage ist, wie viel 5G die jeweiligen Länder haben. "China möchte das erste Land sein, das lückenlos 5G verwendet." Wozu braucht man 5G? Es erleichtert und beschleunigt die Kommunikation zwischen Servern, damit kann man etwa schneller Inhalte aus dem Internet herunterladen. Aber es ist auch lebenswichtig für die Kommunikation von selbstfahrenden Autos untereinander.

"Der heutige Standard, 4G, kann das alles noch nicht anbieten", erklärt Jacob. Und um Technologie-Primus zu werden, baut China jetzt schon die notwendige Infrastruktur. Der Haken: Es ist dabei noch an die USA als Lieferant gebunden. Denn von den nötigen Baseband-Prozessoren (vereinfacht gesagt einer Art Chip) gibt es weltweit nur drei Hersteller. Texas Instruments - in US-amerikanischen Besitz. Caviar Technologies, ebenfalls in den USA. Und derzeit versucht die US-Chipfirma Qualcomm die Übernahme des niederländischen Rivalen NXP. Qualcomm verhandelt derzeit mit der chinesischen Kartellbehörde über etwaige Auflagen. "Diese Prozessoren sind sicherlich gerade die Schwachstelle im chinesischen Technologie-Plan", urteilt Jacob. Ob China solche Prozessoren nachbauen muss - oder importieren darf -, wird sich herausstellen.

Der G7-Gipfel

(apa/afp) Als Forum zur gemeinsamen Bewältigung globaler Probleme wurde die G7-Gruppe vor mehr als 40 Jahren gegründet. Und trotz immer wieder harten
Ringens gelang es dem Verbund meist, Geschlossenheit herzustellen. Doch damit ist es seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump vorbei. Seither ist die G7 zu einem Club der Streithähne geworden.

Dies wird am Wochenende beim Jahresgipfel der Gruppe in Kanada deutlich werden. Die Erwartungen an das Treffen der Staats- und Regierungschefs in dem Städtchen La Malbaie in der Provinz Quebec sind von vornherein gering.

Die von Trump in der vergangenen Woche in Kraft gesetzten Strafzölle auf Aluminium und Stahl aus Europa und Kanada haben einen tiefen Keil in die G7 getrieben. Schon zuvor hatte der US-Präsident sich durch seine Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran und dem angekündigten Rückzug aus dem Pariser Klimaschutzabkommen von den übrigen G7-Mitgliedern weit abgekoppelt.

Bereits der G7-Gipfel vor einem Jahr auf Sizilien war mehr durch Dissens als Konsens geprägt - damals stand Trumps Kurs gegen das Klimaabkommen im Vordergrund. Der mit Geringschätzung auf die multilateralen Institutionen blickende US-Präsident hat es also geschafft, in nur kurzer Zeit die Bedeutung der G7 zu dezimieren. Unter Bedeutungsschwund leidet die Gruppe, bestehend aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und den USA, allerdings schon seit längerem.

Die G7 verband einst die mächtigsten Wirtschaftsnationen der Welt. Rund 70 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung wurden vor drei Jahrzehnten durch die Gruppe repräsentiert. Inzwischen sind es weniger als 50 Prozent. China, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, gehört der Gruppe nicht an.