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Amazon bläst zum Angriff

Von Ronald Schönhuber

Wirtschaft

Der Online-Gigant will Pakete künftig selbst zustellen. Der neue Lieferdienst, der in Österreich schon im Oktober starten soll, dürfte etablierte Anbieter wie die Post massiv in Bedrängnis bringen.


Seattle/Wien. Es ist knapp fünf Jahre her, dass Jeff Bezos mit einer ungewöhnlichen Idee für Warenlieferungen für Aufsehen sorgte. Der Amazon-Chef hatte damals in der bekannten US-Interview-Sendung "60 Minutes" ein neues Logistik-Konzept vorgestellt, bei dem vollautomatisierte Mini-Drohnen zentrale Aufgaben in der Zustellkette übernehmen. Die sogenannten "Octocopter" sollten dabei die Bestellungen direkt vom Band eines Logistikzentrums abholen und diese dann direkt vor der Haustür des Empfängers abliefern - im besten Fall schon 30 Minuten nach dem Kauf auf der Amazon-Website.

Die Mini-Drohnen, von denen Bezos gehofft hat, sie innerhalb von vier bis fünf Jahren an den Start zu bringen, fliegen auch heute noch nicht. Die Bemühungen Amazons, die gesamte Lieferkette unter Kontrolle zu bekommen, sind allerdings nach wie vor ungebrochen - auch wenn man mittlerweile wieder deutlich konventionellere Methoden forciert. So setzt der weltgrößte Online-Händler, der seit zwei Jahren auch schon eine eigene Flugzeug-Flotte unterhält, derzeit vor allem auf den massiven Ausbau des eigenen Zustelldienstes.

Dabei will Amazon die Pakte allerdings nicht selbst ausliefern. Für die Zustellung sollen vielmehr kleine oder mittlere Subunternehmen zuständig sein, die bis zu 40 Fahrzeuge mit Amazon-Logo betreiben können. Dafür bietet Amazon auch ein regelrechtes Starthilfe-Paket an. So will der Versandhaus-Riese die Uniformen der Mitarbeiter stellen und Lieferwägen zu attraktiven Konditionen verpachten. Zudem soll es günstige Versicherungsmöglichkeiten und Schulungen für Firmengründer geben. Als Startkapital seien nicht mehr als 10.000 Dollar nötig, sagte Amazon-Vizepräsident Dave Clark bei der Vorstellung des Programms am Mittwoch.

Mit der Zeit will Amazon auf diese Art "hunderte" kleine Lieferfirmen in den USA gewinnen. Weltweit dürften es freilich noch viel mehr sein. Denn das Unternehmen aus Seattle will das Konzept auch in andere Länder exportieren. Vor allem in Ländern wie Deutschland, wo schon jetzt 35 kleine Firmen in 20 Städten Pakete im Namen von Amazon zustellen, dürfte die Zahl der Subunternehmen in nächster Zeit rasch wachsen.

Verteilzentrum bei Wien

Doch Amazon hat auch Märkte im Visier, in denen es noch nicht mit einem eigenen Zustelldienst vertreten ist. So will der US-Onlinegigant ab Oktober auch in Österreich Pakete in Zusammenarbeit mit externen Partnern zustellen. Ein Verteilzentrum, von dem die Subunternehmen dann die Waren abholen können, entsteht offenbar bereits in der Nähe von Wien in Großebersdorf. Für den neuen Standort werden laut dem Online-Magazin "futurezone" auch schon Schlüsselarbeitskräfte wie ein Betriebs- oder Bereichsleiter mittels Anzeigen gesucht.

Den Aufbau einer eigen Lieferinfrastruktur argumentiert Amazon offiziell vor allem mit den zunehmenden Kapazitätsengpässen. Demnach würden die etablierten Zusteller wie FedEx und UPS mit dem explosionsartig anwachsenden Paketvolumen ebenso wenig mithalten können wie die diversen nationalen Post-Unternehmen. Auf keinen Fall aber, so heißt es immer wieder von Amazon, wolle man etablierten Paketzustellern Konkurrenz machen.

Dass das 1994 von Bezos gegründete Unternehmen mit seinen eigenen Zustelldiensten allein das abschöpft, was die anderen nicht mehr bewältigen können, scheint allerdings wenig realistisch. Vielmehr dürften die etablierten Anbieter Amazons eigenen Lieferdienst massiv zu spüren bekommen.

Um welche Dimensionen es dabei geht, zeigt ein internes Vorstandspapier der Deutschen Post, aus dem das "Handelsblatt" zitiert. So machen Amazon-Lieferungen derzeit noch 17,6 Prozent der gesamten Paketmenge der Post-Paket-Tochter DHL aus. Laut den Einschätzungen der hauseignen Experten könnte Amazon Logistics aber bereits in vier Jahren so stark gewachsen sein, dass die Post nur noch doppelt so viele Pakete ausliefert wie Amazon selbst. Damit gingen der Deutschen Post, die schon im Juni eine Gewinnwarnung herausgegeben hat, weitere eingeplante Gewinne von 115 Millionen Euro pro Jahr verloren.

Bei der österreichischen Post, wo man auf Anfrage keine Zahlen nennen wollte, dürfte die Situation nicht viel anders sein. Trotzdem gibt man sich nach außen hin gelassen. "In München oder Berlin hat es ja bereits zuvor Amazon-Eigenzustellungen gegeben. Die Ankündigung für Österreich war daher jetzt nicht die sehr große Überraschung", sagt Post-Sprecher Michael Homola gegenüber der "Wiener Zeitung". Der Auftritt des neuen Mitbewerbers sei dementsprechend auch schon in der Planungen berücksichtigt worden. Homola sieht die Post zudem gut aufgestellt. So soll in den kommenden Jahren massiv in die Paketlogistik, etwa durch neue Verteilzentren und den Ausbau der Sortierkapazität, investiert werden.