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Im Infight

Von WZ-Korrespondent Finn Mayer-Kuckuk

Wirtschaft

Im Handelskrieg zwischen China und den USA hat die heiße Phase begonnen.


Peking/Washington. Bisher waren es vor allem Maßnahmen mit hohem Symbolgehalt. Denn aus volkswirtschaftlicher Sicht waren die Ende Jänner von den USA verhängten Zölle auf Waschmaschinen und Solarpaneele für China ebenso verkraftbar wie die höheren Abgaben auf Stahl- und Aluminiumeinfuhren knapp einen Monat später. Gleiches galt umgekehrt: Für eine Volkswirtschaft wie die USA, die im Jahr knapp 330 Milliarden Dollar erwirtschaftet, spielten die von Peking als Konter verhängten Strafzölle auf Schweinefleisch- und Obstimporte de facto keine Rolle.

Die Politik der gegenseitigen Nadelstiche ist allerdings vorbei. Stattdessen hat im Handelsstreit zwischen China und den USA am Freitag das begonnen, was in der Boxersprache Infight heißt: also jene Phase, in der die beide Kontrahenten ganz dicht aneinandergeraten und dabei versuchen, dem Gegenüber aus kurzer Distanz möglichst schmerzhafte Schläge zuzufügen. So sind auf der US-Seite am Freitag Zölle auf Waren mit einem jährlichen Handelsvolumen von gut 40 Milliarden Dollar in Kraft getreten. China wiederum hat noch am selben Tag Einfuhren mit einem ähnlich hohen Wert belastet. "Die USA haben den größten Handelskrieg in der Geschichte losgetreten", wetterte das Handelsministerium in Peking. "Wir sind nun gezwungen, die nötigen Gegenmaßnahmen einzuleiten."

Schon vor zwei Wochen hatte China eine Liste mit Warengruppen vorgelegt, auf die nun quasi automatisch höhere Zölle fällig werden. Betroffen sind unter anderem Elektroautos und Agrarprodukte: Die USA exportieren massenhaft Sojabohnen, Obst, Weizen und Wein nach China.

Zölle als Bumerang

Die US-Zölle wiederum betreffen vor allem chinesische Elektroprodukte. Denn Präsident Donald Trump will laut eigener Aussage vor allem Chinas Aufstieg zum Technikanbieter entgegenwirken und das Land für Ideendiebstahl in der Vergangenheit strafen. Bei der Begründung seiner Politik verhält sich Trump - wie so oft - widersprüchlich. Einerseits nennt er oft klassische Industriewaren wie Autos und Stahl, wenn er die Bedrohung durch China beschreibt. Zuletzt hat er sich jedoch vor allem auf die Initiative "Made in China 2025" eingeschossen, mit der China die eigene Industrie aufwerten und die Lebensverhältnisse im Land weiter verbessern will.

Tatsächlich hat ein erheblicher Techniktransfer in den vergangenen Jahrzehnten Chinas Entwicklung stark beschleunigt. Doch Ökonomen wie Wirtschaftsmanager sind sich einig, dass sich die Uhr nicht zurückdrehen lässt - und dass das auch nicht sinnvoll wäre, schließlich ist ein reiches China ein zahlungskräftigerer Wirtschaftspartner.

Trumps Angriff auf Lieferungen von Technikprodukten aus Fernost könnte zudem einen unerwarteten Effekt haben. China ist nicht nur der weltgrößte Produktionsstandort für Elektronik, sondern auch eine Drehscheibe für die Zwischen- und Endfertigung. Damit sind auch die Lieferketten von Firmen betroffen, für die China nur eine Zwischenstation in einem globalen Herstellungsprozess ist. Viele davon kommen aus den USA und tragen bekannte Namen wie HP, Dell oder Apple. Eine Störung dieser Beziehungen kann sich in den betreffenden Branchen wie eine Welle rund um den Globus fortsetzen. Da es bei den entsprechenden Waren sehr auf den Preis ankommt, können die Zölle den Firmen durchaus schaden.

Während die Kontrahenten in dieser dritten Runde des Handelskonflikts Zölle in vergleichbarer Höhe verhängt haben, wird sich der Charakter des Schlagabtauschs in den kommenden Wochen verändern. Denn Trump hat schon neue Belastungen auf Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar angedroht. Hierauf kann China jedoch nicht mehr mit eigenen Zöllen reagieren: Es importiert einfach nicht genug aus den USA. Im Gespräch sind daher nun andere Vergeltungsmöglichkeiten. China könnte beispielsweise die Vergabe von Krediten an die US-Regierung drosseln. Die staatliche Devisenaufsicht des Landes kauft nämlich US-Staatsanleihen, um die im Handel eingenommenen Dollar anzulegen. Auch ein Verbot von US-Filmen und Fernsehserien käme in Frage.

Wachsende Sorge in Peking

Schon jetzt zeichnet sich eine Abwertung der chinesischen Währung ab. Würde sie sich fortsetzen, wären die eigenen Waren auf dem Weltmarkt billiger. Auch eine Propagandakampagne, die Amerika als Feind darstellt, wäre für Peking leicht einzuleiten - die Folge wäre dann wohl ein Boykott von US-Produkten.

Die chinesischen Politiker würden all das allerdings nur höchst ungern tun, wie in Peking von Beamten zu hören ist. Sie wollen eine Eskalation immer noch vermeiden und senden hinter den Kulissen weiter Kompromissangebote nach Washington. Das geht schon aus der Sprache des Handelsministeriums hervor: Es sei nun Zeit für den "notwendigen" Gegenangriff, heißt es. Die neuen Zölle seien an den US-Angriff "angepasst", man bemühe sich um eine "angemessene" Reaktion.

Die chinesischen Staatsmedien spielen derzeit zwar die Folgen der Auseinandersetzung herunter, doch die Führung macht sich offenbar durchaus Sorgen. "Die Entscheider befürchten bei einer Fortsetzung des Streits eine deutliche Verlangsamung des Wachstums", sagt der Ökonom Lu Ting vom Wertpapierhaus Nomura. Das zeige sich auch an der lockereren Geldpolitik und der gesteigerten Konjunkturförderung.

Die USA sind ihrerseits in gigantischem Maße an Einfuhren aus China gewöhnt. Das fängt beim preiswerten Stahl als Ausgangsprodukt für viele Branchen an: US-Getränkehersteller fürchten, den Preis für Limonade in Dosen anheben zu müssen; Anbieter von Fahrwerken für Container kämpfen jetzt schon mit höheren Kosten - und so weiter.

Vor allem aber betrifft die Abhängigkeit der USA von Asien das Herz jedes modernen Produkts: die Mikrochips. China hat bei Halbleitern einen weltweiten Marktanteil von 60 Prozent. Und die USA haben erst kürzlich vorgemacht, wie es geht: Indem sie dem chinesischen Telekom-Ausrüster ZTE die Lieferung elektronischer Bauteile verweigerten, haben sie ihn praktisch in den Konkurs gedrängt. Was, wenn China umgekehrt keine Chips mehr in die USA liefert? Ein Ölembargo wäre ein Witz dagegen. Im ganzen Land müssten Hersteller ganz unterschiedlicher Waren vom Flugzeug bis zum Herzschrittmacher ihre Produktion einstellen.