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Digitale Monokulturen

Von Alexander Dworzak

Wirtschaft

Apples Börsenwert von einer Billion Dollar macht die gefährliche Dominanz einer Handvoll Unternehmen deutlich.


San Francisco/Wien. Apple, das sei doch ein Investmentfonds mit angeschlossener Innovationsmaschine, witzelte Martin Wolf, Doyen der "Financial Times". Tatsächlich hat das Unternehmen mehr als eine Viertelmilliarde Dollar in Anleihen gesteckt. Alleine im zweiten Quartal dieses Jahres stieg der Gewinn um 32 Prozent auf 11,5 Milliarden Dollar (9,9 Milliarden Euro). Erfolgsgarant war und ist das iPhone: Trotz des Preises von 1000 Dollar greifen die Kunden beherzt zu.

Nun ist Apple wieder in aller Munde, erreichte doch der Aktienkurs am Donnerstagabend die Marke von 207 Dollar. Damit war Apple mehr als eine Billion Dollar (891 Milliarden Euro) wert - so viel wie noch nie ein US-Unternehmen zuvor.

Apple steht an der Spitze der sogenannten Gafa-Ökonomie. Das Akronym setzt sich aus den Anfangsbuchstaben von Google (gemeint ist der Mutterkonzern Alphabet), Apple, Facebook und Amazon zusammen. Deren kumulierter Börsenwert liegt nur mehr knapp hinter dem Bruttoinlandsprodukt Deutschlands - rund 3200 Milliarden Euro. Auf der einen Seite steht Europas größte Volkswirtschaft mit rund 81 Millionen Einwohnern. Auf Gafa kommen vergleichsweise lächerliche 420.000 Angestellte.

Daten sichern Vormacht

80 Prozent der weltweiten Suchanfragen im Web wickelt Google ab, drei Viertel aller mobilen Chats laufen über Facebook beziehungsweise seine Töchter und 55 Prozent der Produktsuchen werden über Amazon abgewickelt. Die vier Unternehmen verdienen ihre Milliardengewinne über Plattformen, auf denen sie die Regeln vorgeben. Essenziell für die Plattformökonomie: Sie schlägt eine Brücke zwischen Anbietern und Konsumenten. Google und Facebook, indem sie mehr als 60 Prozent der Online-Werbung auf beide Dienste vereinen. Amazon ist führender Anbieter bei E-Commerce, zusätzlich kommt die dominante Stellung im Cloud-Computing. Und Google sowie Apple punkten dank der von ihnen vertriebenen Musik und der Apps - wobei sie Softwareentwicklern bis zu 30 Prozent der Einnahmen abknöpfen. Konkurrenten haben unter diesen Bedingungen kaum eine Chance. Und werden sie gefährlich, kauft man sie einfach auf und sichert so seine Vormachtstellung.

Die digitalen Monokulturen werden durch drei Effekte verstärkt. Dank des Netzwerkeffektes steigert jedes weitere Mitglied eines Netzwerkes den Nutzen von diesem für alle Beteiligten. Denn wenn etwa alle meine Freunde und Bekannten auf Facebook sind, lege ich mir auch dort einen Account zu. Dazu kommt der Skaleneffekt: Hohe Aufwendungen entstehen etwa für die Entwicklung einer Software, die Vervielfältigung und der Vertrieb verursachen aber nur marginale Kosten. Und vor allem sammeln die Tech-Giganten enorme Datenmengen ihrer Nutzer an - das Gold des 21. Jahrhunderts.

Der Datenschatz soll Gafa auch die Vormachtstellung beim nächsten Technologiesprung sichern und sie nicht wie einst IBM oder Nokia vom Thron fegen. Mit den Daten werden neue Erkenntnisse, Güter oder Dienstleistungen erschlossen. Die Grenzen zwischen den Branchen verwischen, Gafa reichen von Zahlungssystemen über Telekom-Anbieter bis hin zum Einzelhandel, der insbesondere durch Amazons Logistikkette im Umbruch ist.

Zu den Großtrends der kommenden Jahre gehört das "Internet der Dinge", dazu zählen jene Produkte, die mit Sensoren ausgestattet und dem Internet verbunden sind. Unter diesen wird intelligenten Lautsprechern die beste Zukunft vorausgesagt. Alleine von 2017 bis Ende dieses Jahres steigt die Zahl der "Smart Speakers" um 145 Prozent auf 100 Millionen Stück, so die Analysten von Canalys. Und fast schon selbstredend marschieren Google (Assistant), Apple (Siri) und Amazon (Alexa) vorneweg.

Neben "Big Data" und dem "Internet der Dinge" ist die Automatisierung der dritte große Trend. Mithilfe künstlicher Intelligenz werden immer mehr Entscheidungen von Maschinen übernommen. "Wenn ich mich für etwas entscheiden müsste, wären das autonome Fahrzeuge. Das wird schneller kommen, als wir glauben", tippt Casper Klynge. Er ist erster Digital-Botschafter eines Staates und seit 2017 für Dänemark im Silicon Valley stationiert. Im Wettlauf mit den traditionellen Autobauern schickt sich Alphabets Tochter Waymo bereits an, auch diesen Markt umzuformen.

Die große Gefahr dahinter: Dass intransparent bleibt, nach welcher Logik diese selbstlernenden Maschinen ihre Entscheidungen treffen. Im Straßenverkehr könnten zwar Unfälle durch selbstfahrende Autos reduziert werden. Doch wie entscheidet das System, wenn ein Unfall unvermeidlich ist und Leben bedroht sind: Verschont es das Kind und lässt das Auto in den alten Mann krachen, weil er eine geringere Lebenserwartung hat?

"Es ist wahnsinnig, dass wir Atomwaffen regulieren, nicht aber künstliche Intelligenz", sagt Elon Musk. Diese Warnung erregte Aufsehen, gehört der Tesla-Gründer doch einer Branche an, die sonst allergisch auf Regelwerke reagiert. Die Gafa-Größen wollen ungestört neue Wachstumsmärkte erschließen. Unter US-Präsident Barack Obama erreichte der Personaltausch zwischen Washington und dem Silicon Valley neue Höhen: Laut der Campaign for Accountability wechselten 197 Mitarbeiter der Regierung alleine zu Alphabet und dessen Partnerfirmen, im Gegenzug wirkten 61 Alphabet-Mitarbeiter in der Obama-Administration. Entsprechend lasch war die Gesetzgebung.

Zwar pflegen das Valley und Donald Trump Distanz, mit Amazon-Boss Jeff Bezos verbindet den Mann im Weißen Haus nichts bis auf die tiefe gegenseitige Abneigung. Aber angesichts der von Trump angedrohten Handelskriege schont der nunmehrige Präsident die wertvollsten Unternehmen der Vereinigten Staaten. Im März wurde gar der "Cloud Act" erlassen, laut dem die US-Behörden von Cloud-Providern die Herausgabe sämtlicher Daten einer Person oder eines Unternehmens verlangen dürfen.

Strafen nutzen nicht

Die EU-Kommission verhängte zwar zwei ihrer drei höchsten Wettbewerbstrafen an Google in Höhe von insgesamt 6,7 Milliarden Euro. Doch die Pönalen schmerzen nicht, betragen sie doch nicht einmal die Höhe eines Quartalsgewinns. Die eigentliche Quelle der langfristigen Macht von Gafa lässt die Kommission unangetastet: die Daten.

Finanzanalysten erwarten daher, dass Gafa noch stärker werden. So ist Apple Pay, der Bezahldienst des Unternehmens, ab Herbst auch in Europas größtem Markt, Deutschland, verfügbar. Derartige Markteintritte befeuern zusätzlich die Hoffnung auf noch höhere Börsenkurse. Von einer Blase kann aber zumindest bei Apple keine Rede sein: Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 19 ist die Aktie günstiger bewertet als Boeing, Nike oder McDonald’s.

Tipp für das EFA 18
Die digitale Transformation und ihre Bedeutung für Recht, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft war ein Thema der Seminarwoche des Europäischen Forums Alpbach 2018. Am 24. August 2018 findet ebendort eine weitere Diskussionsveranstaltung zu dem Thema statt: "Gesellschaftliche Konsequenzen digitaler Monokulturen". Am Podium unter anderem Christa Schlager, Ökonomin der Arbeiterkammer Wien, Johannes Gungl von der österreichischen Rundfunk- und Telekom-Regulierungs- GmbH (RTR) und Semjon Rens von Facebook.