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Die ungeliebten Investoren aus China

Von Johannes Mayerhofer

Wirtschaft

Nach den USA und Australien planen nun auch einige europäische Staaten Restriktionen gegen die chinesischen Expansionen am Technologiemarkt. Experten bezweifeln allerdings die Wirksamkeit dieser Maßnahmen.


Peking/Berlin. Riesige Fabrikhallen, in denen Legionen an chinesischen Arbeitern am Fließband stehen und mit einfachen Handgriffen billige Elektrogeräte und Kinderspielzeug für den Westen produzieren: Geht es nach der chinesischen Führung, sollen solche Bilder in ein paar Jahren der Vergangenheit angehören. Mit dem 2015 gestarteten Programm "Made in China 2025" will sich die asiatische Wirtschaftsgroßmacht von der "Werkbank der Welt" zur hoch technologisierten Volkswirtschaft wandeln, in der zahlreiche nationale Champions den etablierten Weltmarktführern wie etwa Apple oder Tesla Paroli bieten. Erreicht soll dieses Ziel nicht nur durch massive staatliche Subventionen werden. Um Zufluss und Verfügbarkeit von Know-How zu sichern, sieht die Strategie auch Investitionen in Schlüsselindustrien und Hochtechnologiebranchen vorrangig in den USA, Australien und der EU vor. Dort regt sich aber zunehmend Unmut und Widerstand gegen diese Vorgehensweise.

Deutschland für einfacheres

Veto gegen Investitionen

Während die USA bereits seit Längerem ihre schützende Hand über das "Silicon Valley" halten, ergreifen nun europäische Staaten ebenfalls Maßnahmen gegen chinesische Anteilskäufe. Vorrangig natürlich jene Staaten, welche über die fortschrittlichsten Industriebranchen verfügen.

In Deutschland sind die Chinesen schon seit Jahren stark involviert. Allein im ersten Halbjahr 2018 haben sie dort 10 Milliarden Dollar für Firmenbeteiligungen ausgegeben, so eine Studie der Unternehmensberatung EY. Im Moment läuft der Kauf des bayerischen Autozulieferers Grammer. Erst im Juli musste die deutsche Regierung mit einer Milliarde Euro einspringen, um die Übernahme des Netzbetreibers 50Hertz durch einen chinesischen Investor zu verhindern. Es gibt auch Beispiele aus anderen EU-Staaten, wie der chinesische Aufkauf des französischen Computerspieleherstellers Ubisoft.

Nun versucht die deutsche Regierung die Bremse zu ziehen und möchte die Schwelle für ein staatliches Veto gegen Investitionen aus Drittländern absenken. War dies bisher nur bei Anteilskäufen von mindestens 25 Prozent erlaubt, sollen es künftig 15 Prozent sein. Doch ist diese Maßnahme effektiv? "So etwas hat maximal Signalwirkung", relativiert Ökonom Rolf Langhammer. Er ist Professor am Kieler Institut für Weltwirtschaft und überzeugt davon, dass Europa gegenüber China niemals die harte Haltung der USA einnehmen wird. "Natürlich kann man diese Regelung leicht umgehen, etwa indem man Anteilskäufe auf mehrere Investoren aufteilt", erklärt der Volkswirt.

In Australien zieht man wesentlich höhere Zäune gegen chinesische Investitionen in Bereichen mit Top-Priorität hoch. So schloss das Land den chinesischen Telekom-Konzern Huawei vom Aufbau der fünften Mobilfunkgeneration "5G" aus. Mobilfunkfirmen und -ausrüster arbeiten dabei an einem Netzwerk, welches die Echtzeitübertragung riesiger Datenmengen ermöglicht. Automatisiertes Fahren, Drohnenlieferungen, die Vernetzung von Maschinen (Internet der Dinge) und vieles mehr soll damit alltagsfähig werden.

Österreich aufPrioritätenliste weiter unten

Australien begründete den Schritt damit, dass die Einbindung ausländisch kontrollierter Konzerne die Gefahr von Hackerangriffen erhöhen und letztlich die nationale Sicherheit gefährden würde. Vergleichsweise wenig Interesse haben chinesische Investoren laut einer Analyse der Wirtschaftskammer Österreichs (WKÖ) dagegen an Zukäufen in Österreich. Das könnte nicht zuletzt daran liegen, dass die hiesige Wirtschaft über weniger Schlüsselindustrien- und -technologien verfügt, als etwa Deutschland, Frankreich oder Japan. Die hierzulande operierenden Firmen sind zudem oft kleinere Familienbetriebe und auf Nischentechnologien spezialisiert.

Was gegenseitige Investitionen betrifft, so hat Österreich China sogar bei weitem überholt: "2017 haben wir 3,7 Milliarden Euro in China investiert, umgekehrt waren es knapp 690 Millionen Euro", heißt es auf eine Anfrage im Wirtschaftsministerium. In der Frage der Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen wolle man aber "nicht blauäugig sein", vor allem was die Bereiche Energieversorgung, Telekommunikation und Rüstungsindustrie angehe. Den Vorstoß der EU-Kommission zur Schaffung eines EU-weiten Kontrollrahmens für ausländische - gemeint sind da aber vor allem natürlich chinesische - Investitionen mit Letztentscheidungskompetenz der Mitgliedsstaaten "begrüße" man, sagt eine Sprecherin des Ministeriums gegenüber der Wiener Zeitung.

EU und China im gleichenBoot wegen Trump?

Doch wird eine Abschottung der europäischen Schlüssel- und Hochtechnologiebranchen angesichts der welthandelspolitischen Situation überhaupt aufrecht zu erhalten sein? Immerhin ist das Verhältnis zwischen den Europäern und China seit Monaten schon von tendenziellen Annäherungen geprägt. Der Hauptgrund dafür ist die protektionistische Handelspolitik des US-Präsidenten Donald Trump. Dieser hat eine ganze Reihe chinesischer und europäischer Güter mit neuen Zöllen belastet. Finden sich Europäer und Chinesen aufgrund des Trump’schen Protektionismus also plötzlich im gleichen Boot wieder? "So eine Situation sehe ich eigentlich nicht", meint Volkswirt Langhammer. Natürlich gebe es Druck aus Amerika. So könnten deutsche Unternehmen, die in China investieren, im Falle von US-Sanktionen gegen das Land in eine Zwickmühle geraten. "Trotz dieser hauptsächlich symbolischen Veto-Erleichterungen werden die Europäer die Balance zwischen den USA und China halten", zeigt sich der Wirtschaftswissenschaftler zuversichtlich. Europa sei stets liberal gewesen gegenüber Auslandsinvestitionen. Bis auf Deutschland habe etwa kaum ein anderes EU-Land ein Außenhandelsgesetz.

Darüber hinaus findet Langhammer Pekings Strategie "Made in China 2025" hinterfragenswert: "Unter den zehn Sektoren, in die sie investieren wollen, befindet sich kein einziger Dienstleistungsbereich." Die Volksrepublik würde im wesentlichen auf Prozessinnovation, nicht aber auf Produktinnovation setzen, erklärt Langhammer. "Das heißt, die Chinesen fragen sich nicht, wie sie Neues entwickeln, sondern nur, wie sie das Alte effizienter herstellen können."