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Der Drache sichert sein Revier

Von Ronald Schönhuber

Wirtschaft

Mit Finanzhilfen soll der Einfluss Chinas in Afrika deutlich weiter ausgebaut werden.


Peking. Auch knapp zweieinhalb Jahre nach ihrer Eröffnung wirkt die Stadtbahn ein wenig wie ein Ding aus einer anderen Welt. Unberührt vom täglichen Verkehrschaos in Addis Abeba gleiten die hochmodernen Züge auf ihrer Stelzenkonstruktion über die äthiopische Hauptstadt. Die grünen Kunststoffsitze sind bequem, die großflächigen Glasfenster lassen viel Licht herein. Noch wichtiger als Komfort und moderne Anmutung ist den meisten Passagieren allerdings der Ticketpreis. Denn mit umgerechnet 0,30 Cent kostet eine Fahrt gerade einmal ein Drittel des Buspreises und ist damit für fast alle leistbar.

Ganz anders sieht es dagegen bei den Bau- und Finanzierungskosten aus. Mit 475 Millionen Dollar allein für die Errichtung liegt das aufsehenerregende Stadtbahnprojekt weit über dem, was Äthiopien und die Stadt Addis Abeba allein hätten stemmen können. Gebaut wurde die knapp 17 Kilometer lange Tram-Linie daher von überwiegend chinesischen Unternehmern, die das erste Projekt dieser Art in Subsahara-Afrika in weniger als drei Jahren aus dem Boden stampften. 85 Prozent der benötigten Gelder kamen dabei von der chinesischen Import-Export-Bank.

"Willkommen im Expresszug"

Doch nicht nur in Äthiopien, sondern in ganz Afrika hat Peking in den vergangenen Jahren mit atemberaubenden Tempo seinen Einfluss ausgebaut. So hat die Volksrepublik mit einem Handelsvolumen von zuletzt rund 145 Milliarden Euro sowohl schon die USA als auch die alte Kolonialmacht Frankreich als wichtigste Handelspartner des Kontinents hinter sich gelassen. Dabei spielt China nicht nur eine wichtige Rolle als Handelspartner, sondern auch als Investor. Nach Schätzungen der Unternehmensberatung McKinsey sind inzwischen mehr als 10.000 chinesische Firmen in Afrika tätig und beschäftigen mehrere Millionen Afrikaner.

Geht es nach der chinesischen Regierung, soll Afrika in den kommenden Jahren aber noch vielmehr in den Fokus rücken. So stellte Präsident Xi Jinping zum Auftakt des zweitägigen China-Afrika-Gipfels in Peking, an dem mehr als 50 afrikanische Staats- und Regierungschefs teilnehmen, weitere 60 Milliarden Dollar an Krediten und Investitionen in Aussicht. 15 Milliarden Dollar sollen dabei als Hilfe und zinslose Darlehen fließen, dazu soll es eine Kreditlinie in Höhe von 20 Milliarden Dollar und einen zehn Milliarden Dollar schweren Spezialfonds für die China-Afrika-Entwicklung geben. Auch sollen einigen besonders armen Staaten Schulden gestrichen werden. "Wir begrüßen Afrika im Expresszug der chinesischen Entwicklung", sagte Xi, der am Montag bei seiner Eröffnungsrede auch versprach, bei Großprojekten künftig mehr einheimische Arbeiter zu beschäftigen. Der Vorwurf, dass die Volksrepublik bei den vor ihr gebauten Krankenhäusern, Autobahnen und Staudämmen alles in Eigenregie abwickelt und damit kaum Know-how-Transfer ermöglicht, war bisher einer der Hauptkritikpunkte der Länder Afrikas gewesen.

Für die in Peking zusammengekommenen Staats- und Regierungschefs ist Xis Angebot aber nicht nur deswegen verlockend. Denn anders als die Europäer und die Amerikaner stoßen sich die Chinesen weder an einem staatlich dominerten Wirtschaftssystem, noch stellen sie unangenehmen Fragen nach Menschenrechten. Peking habe keine Scheu, mit Autokraten zu arbeiten, solange es sich Zugang zu Afrikas Bodenschätzen sichern könne, sagt der südafrikanische Wirtschaftsexperte und Politologe William Gumede gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.

Zudem ist es der chinesischen Führung in den vergangenen Jahren auch zu vermitteln gelungen, dass sie ein langfristiges und stabiles Interesse an Afrika hat. Und seit Xi vor fünf Jahren den Bau einer Neuen Seidenstraße eingeleitet hat, mit der neue Wirtschaftskorridore von China nach Südostasien, Europa und Afrika entstehen sollen, wird dieses Interesse noch viel stärker artikuliert. "Viele afrikanische Führer begrüßen Pekings Engagement als eine Alternative zu dem, was sie als halbherzige Ansätze der Vereinigten Staaten und Europas betrachten", schreibt Sabine Mokry vom China-Institut Merics in einer Analyse anlässlich des Gipfels. Während in den USA "keine kohärente Afrika-Politik" erkennbar sei, täten sich auch die Europäer schwer. Deutschland und andere Staaten hätten zwar damit begonnen, ihr Engagement zu vergrößern. Von einer gemeinsamen Linie könne aber keine Rede sein.

Der ganzheitliche Blick

Wie sehr Europa in Afrika mittlerweile im Hintertreffen ist, musste erst vor wenigen Tagen auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel einräumen. "Afrika ist schon noch ein bisschen ein unentdecktes Terrain", sagte Merkel auf ihrer dreitägigen Reise durch Westafrika, die sie in den Senegal, nach Ghana und Nigeria führte. Einen der Gründe, warum das so ist, lieferte Merkel dabei allerdings gleich selbst mit. So würden Länder wie China bei der Anbahnung von Geschäften auch gleich ein Finanzierungsangebot mitliefern.

Tatsächlich betrachtet vor allem die Volksrepublik Afrika viel stärker aus einer ganzheitlichen Perspektive als die Europäer, die den Kontinent viele Jahre lang vor allem mit Flüchtlingen, Hunger und Katastrophen verbunden haben. So geht es China bei seinem Engagement längst nicht mehr nur um die Sicherung von Rohstoffen. Als Antwort auf die steigenden Lohnkosten in der Heimat verlagern chinesische Firmen auch Teile ihre Produktion in afrikanische Länder. Die Chinesen hoffen zudem, dass die wachsende afrikanische Mittelschicht zu einem zuverlässigen Abnehmer der eigenen Produkte wird - eine Perspektive, die mit der Eskalation des Handelsstreits mit den USA wohl nun noch wichtiger werden wird.

Einhergehend mit der engeren Verflechtung im Handel verfolgt China aber zunehmend auch militärische Interessen. Erst im Juli richtete Peking zur Vorbereitung auf den Gipfel ein Militärforum mit afrikanischen Staaten aus. Experten erwarten, dass China über die Militärkooperation mit Afrika auch seine Wirtschaftsinteressen auf dem Kontinent wie auch seine Seewege sichern will. Seit 2017 unterhält China einen ersten Marinestützpunkt im Ausland in Dschibuti, von wo auch die chinesischen Einsätze gegen Piraten unterstützt werden.