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Ohne Instrument "ka Musi"

Von Pia Miller-Aichholz

Die Klaviermanufaktur Bösendorfer gilt als eines der traditionsreichsten Unternehmen in Österreich.


Wien. Über die Jahrhunderte sind neben Komponisten auch immer wieder Instrumentenbauer in die Geschichte eingegangen. Fast fünf Generationen lang schrieb die Wiener Familie Bösendorfer Musikgeschichte, und der Mythos um die Klavierbauer und Musik-Mäzene klingt bis heute nach.

Gründer der "ältesten Klavierschmiede im Premium-Segment", wie auf der firmeneigenen Website steht, war der Tischlersohn Ignaz Bösendorfer. Er ging beim Klavierbauer Joseph Brodmann in die Lehre und übernahm nach dessen Tod 1828 - übrigens das Todesjahr von Franz Schubert - seine Werkstatt und Firma. Zunächst verkaufte Bösendorfer die Klaviere noch mit dem Zusatz "vormals Brodmann". Doch bald hatte Bösendorfer die Bekanntheit seines Lehrers weit überstiegen.

Nicht nur in Österreich, sondern auf der ganzen Welt war der Name Bösendorfer Garant für Klaviere, die klanglich und in ihrer Fertigungsweise unerreicht waren. Ob dieser Ruf immer gerechtfertigt war, sei dahingestellt. Jedenfalls schwärmte auch die "Wiener Zeitung" davon, Bösendorfer-Klaviere genießen "das seltene Glück, zugleich vortrefflich und populär zu sein".

Während Ignaz Bösendorfer das Fundament für den Weltruhm der Wiener Klavierbaufabrik legte - er wurde von Kaiser Ferdinand I. zum "k.k. Hof-Klavierverfertiger" ernannt und schließlich 1858 von Kaiser Franz-Joseph zum "k.k. Hof-Kammer-Pianoforte-Verfertiger -, wusste ihn sein ältester Sohn Ludwig geschickt auszubauen. Er folgte seinem Vater 1859 nach, wurde zu einem der wertgeschätztesten Wiener Bürger seiner Zeit und scheint auch bei seinen Mitarbeitern sehr beliebt gewesen zu sein. Das "Neue Wiener Tagblatt" schrieb: "Sein Name klingt dem Herzen seiner Arbeiter so harmonisch, wie der Ton seiner Klaviere dem Ohre des Hörers."

Ludwig Bösendorfer könnte man als Marketing-Genie bezeichnen. Er führte nicht nur die Tradition seines Vaters weiter, Konzerte in den eigenen Ausstellungsräumen abzuhalten, sondern stellte über die Jahre zahlreiche Klaviere als Preise für Musikwettbewerbe zur Verfügung und schenkte beispielsweise auch dem Verein der Musikfreunde in Wien mehrere Flügel, die er unentgeltlich pflegte.

Franz Liszt sang Loblieder

Zum Auftakt der diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Japan schenkte die Delegation dem japanischen Kaiser Tenno Mutsuhito neben einer Porzellanstatue von Kaiser Franz Joseph einen Bösendorfer-Flügel. Ludwig Bösendörfer baute den Reitstall des damaligen Palais Liechtenstein in der Herrengasse in einen Konzertsaal um, zu dessen Eröffnung Hans von Bülow ein Konzert gab. Heute steht an der Stelle des 1913 abgerissenen Palais das Hochhaus Herrengasse. Viele der namhaften Musiker, die über die Jahre im "Bösendorfer-Saal" spielten - manchmal spöttisch auch "Bösendorfer-Stall" genannt -, waren gute Freunde des "Klavierbauers", wie er sich zeit seines Lebens weiterhin nannte - unter anderen Anton Rubinstein, Johannes Brahms, Anton Bruckner und auch Franz Liszt. Liszt soll so stürmisch gespielt haben, dass sämtliche Klaviere zusammenbrachen, bevor das Konzert zu Ende war. Ein Bösendorfer soll das erste Instrument gewesen sein, das stabil genug war, damit er ein Konzert vollenden konnte. Daraufhin entwickelte sich eine gute Freundschaft zwischen dem Klavierbauer und dem Klaviervirtuosen, der in der Folge Loblieder auf den Wiener sang, wohin auch immer er ging.

Heute eine Yamaha-Tochter

Kaiserin Elisabeth hatte einen Bösendorfer-Flügel, Zar Nikolaus II. ebenfalls, Frank Sinatras und Leonard Bernsteins Bösendorfer wurden nach ihrem Tod teuer versteigert. Bei seinem Konzert 2016 spielte Jamie Cullum in Wien nicht nur auf einem Bösendorfer, sondern tanzte auch darauf. Bösendorfer-Flügel standen und stehen also nicht nur sprichwörtlich im internationalen Rampenlicht.

Zu hohen Geburtstagen Ludwig Bösendorfers und nach seinem Tod 1919 regnete es Lob für den trotz Vermögens und Weltruhms bescheiden gebliebenen Unternehmer. Er habe es geschafft, die Seele des Wieners einzufangen und in sein Instrument zu bannen, hieß es im "Neuen Wiener Tagblatt". Von den wirtschaftlichen Schäden durch die Weltkriege und die Weltwirtschaftskrise Anfang des 20. Jahrhunderts erholte sich das Unternehmen nur sehr langsam. Dass es untergehen könnte, galt in der Branche aber stets als ausgeschlossen.

Der legendäre Ruf und die Liebe der Musikszene zu Bösendorfer-Klavieren mit dem "Wiener Klang" blieben jahrzehntelang erhalten, obwohl die Firma fast 40 Jahre lang in amerikanischer Hand war, bevor die Bawag sie zurückkaufte. Der Kauf wurde zu einem Verlustgeschäft für die Bank, aber immer hieß es, es sei kein wirtschaftliches, sondern ein patriotisches Investment gewesen. Schließlich verkaufte die Bawag doch an den japanischen Konzern Yamaha - unter der Bedingung, dass Österreich der Unternehmensstandort bleibe. Seit einigen Jahren schreibt das Klavierbau-Unternehmen wieder schwarze Zahlen. Während der Vertrieb heute über Yamaha läuft, werden die jährlich rund 300 Bösendorfer-Klaviere in Wiener Neustadt handgefertigt.

Der engen Verbundenheit Ludwig Bösendorfers zum Verein der Musikfreunde ist zu verdanken, dass der Bösendorfer-Flagshipstore bis heute im Musikverein untergebracht ist. Zum siebzigsten Geburtstag Ludwig Bösendorfer schrieb das "Neue Wiener Tagblatt": "An den Namen Bösendorfers knöpft sich der Weltruhm eines österreichischen Erzeugnisses: des Bösendorfer-Klaviers."

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