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"Wir sind in der Realität angekommen"

Von Marina Delcheva

Wirtschaft
© Christoph Liebentritt

WU-Rektorin Hanappi-Egger über Frauen in Chefetagen und Arbeiterkinder an den Unis.


Wien. Sie ist die erste Frau an der Spitze der Wirtschaftsuniversität Wien (WU). Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" erklärt Edeltraud Hanappi-Egger, warum es eine Frauenquote braucht, warum Nationalismus dem Forschungsstandort schadet und warum so wenige Arbeiterkinder studieren.

Wiener Zeitung: Bei Ihrem Amtsantritt 2015 haben Sie angekündigt, die Ausbildung aus den 1970ern herausholen zu wollen. In welchem Jahrzehnt steht die WU jetzt?

Edeltraud Hanappi-Egger: Ich würde sagen, in der Realität des Jahres 2018. Wir sind viel internationaler geworden, wir haben 240 Partneruniversitäten auf der ganzen Welt. Wir versuchen, unsere Professoren und Professorinnen international zu rekrutieren. Hinzu kommt, dass in den 70ern die Öffnung der Universitäten das große politische Thema war. Inzwischen haben wir das Thema, wie wir gemäß den Kapazitäten gute Studienbedingungen bieten können.

Wie beurteilen Sie die Integration der Universitäten ins Bildungsministerium?

Prinzipiell war meine Kritik damals und das ist sie noch heute, dass mit der Integration der Universitäten in ein gemeinsames Bildungsressort das Schlaglicht auf Bildung, Ausbildung und Lehre gelegt wird. Wir sind aber in erster Linie Forschungsinstitutionen. Wir sehen jetzt auch in der Diskussion, dass der Bildungsminister öfter mit Themen aus der Schule und dem Bildungsbereich auftritt. Andererseits ist es aber so, dass mit der Person des Ministers zumindest eine Person aus dem universitären Bereich kommt.

Bildungsminister Heinz Faßmann hat auch die Finanzierung der Unis in Richtung bedarfsorientierter Studienplatzfinanzierung umgestellt. Wie beurteilen Sie diese Neuerung?

Man muss in Erinnerung rufen, dass die kapazitätsbasierte Studienplatzfinanzierung eigentlich von den Vorgängern Reinhold Mitterlehner und Christian Kern verhandelt wurde. Neu ist, dass es jetzt finanzielle Sanktionen für Universitäten, die ihre Planwerte nicht erfüllen, gibt. Das Modell ist auf Basis der jetzigen Erfahrungen zu adaptieren. Zum Beispiel ist die WU als einzige Fachuniversität Österreichs zu 100 Prozent in der Gruppe der sogenannten Buchwissenschaften (diese sind am niedrigsten dotiert, Anm.), und hat im Vergleich zu den anderen Universitäten schlechte Betreuungsverhältnisse. Das spielt aber in der Verteilung der Gelder explizit keine Rolle. Gezählt werden in den Säulen Lehre und Forschung nur die Anzahl der prüfungsaktiven Studierenden und die Forschenden.

Aktuell schließen mehr Frauen ein Studium ab, in den Vorständen der ATX-Prime-Unternehmen sind aber nur fünf Prozent Frauen. Woher kommt diese Diskrepanz?

Unterschiedliche Studien zeigen, dass in Unternehmen sehr klare Vorstellungen herrschen, was Mann oder Frau tun muss, um als gute Führungskraft durchzugehen. Wenn Frauen so gut sind wie Männer, gelten sie oft als unweiblich. Wenn sie die Dinge anders machen, gelten sie oft als unprofessionell. Man nennt das in der Literatur das Double-Binding. Diesen Spagat zu meistern, ist für Frauen oft schwierig. Auch zeigt sich, dass bei Personalentscheidungen oft davon ausgegangen wird, dass Frauen nicht karriereinteressiert seien oder eh nicht ins Ausland gehen würden, ohne dass ihnen tatsächlich entsprechende Angebote gemacht werden. Ein Punkt, der immer wieder ins Rennen geführt wird, ist, dass Frauen sich nicht aktiv melden.

Geht es ohne Frauenquote?

Die Empirie sagt Nein. Quotenregelungen bewirken die aktive Suche nach Frauen und sind letztlich eine Entscheidungshilfe, bei gleicher Qualifikation Frauen solange zu bevorzugen, bis es eine entsprechende Erfüllung der Quote gibt.

Inwiefern profitieren Universitäten von der Internationalität?

Junge, mobile, weltoffene Menschen suchen ein internationales Umfeld. Auch bekommen Sie keine international ausgewiesenen Forschenden, wenn die kein internationales Umfeld vorfinden.

Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Abschottungstendenzen in Österreich und einigen anderen EU-Ländern?

Das wird der internationalen Ausrichtung und dem Wettbewerb der Universitäten keinen Dienst erweisen. Studierende und Forschende richten sich danach, welchen internationalen Ruf eine Institution hat. Aber selbstverständlich auch, ob es im Land ein positives Klima gibt.

Es schließen relativ wenige Arbeiterkinder eine Universität ab. Wie kann man das ändern?

Das Problem ist nicht die Drop-out-Quote, sondern dass sie gar nicht erst kommen. Weil wir die Früchte unseres Bildungssystems ernten. Universitäten müssen sich trotzdem überlegen, wie sie jene, die eine Uni-Reife haben, attrahieren. Da braucht es sehr umfassende Maßnahmen. Man müsste schon in der Schule beginnen, den Schülerinnen und Schülern die Studienwahl näher zu bringen. Hier wäre ich dafür, ihnen nicht ständig zu sagen, was sie nicht können, sondern wo ihre Stärken sind. Wir versuchen das Interesse durch sogenannte Campus Days für Schulen zu wecken. Wir haben WU-Boschafter und -Botschafterinnen, die an die Schulen gehen und dort präsentieren. Wenn die Schulabsolventinnen und -absolventen dann zu uns kommen, bieten wir ihnen Mentoring-Programme an. Und dann haben wir ein Stipendienprogramm für Schülerinnen und Schüler, die begabt sind, aber aus irgendeinem Grund nicht in der Lage sind, sich das Studium zu finanzieren.

Den FHs gelingt es besser, Studierende aus sozioökonomisch schwächeren Familien anzusprechen - trotz Studiengebühren und Aufnahmeprüfungen. Warum?

Sie sprechen einen anderen Studierendentypus an. Dort sind zum Beispiel Studienbedingungen andere, es ist eher ein schulisches Umfeld. An den Unis wird den Studierenden viel mehr Selbstorganisation abverlangt.

Zur Person

Edeltraud Hanappi-Egger
ist seit 2015 Rektorin an der Wirtschaftsuniversität Wien. Die studierte Informatikerin ist auch Professorin für "Gender und Diversity in Organisationen".