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"Superstar-Regelung" als Hürde für kleine Online-Händler

Von Andrea Möchel

Wirtschaft

Anfang Dezember tritt die Geoblocking-Verordnung der EU in Kraft. Viele heimische Unternehmen sind nicht ausreichend darauf vorbereitet.


Wien. Am 3. Dezember 2018 tritt die sogenannte Geoblocking-Verordnung der Europäischen Union in Kraft. Sie soll dafür sorgen, dass alle Konsumenten innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums unter exakt denselben Bedingungen einkaufen können wie lokale Kunden. Unternehmen müssen daher sicherstellen, dass kein Konsument aufgrund seines Wohnsitzes von Inhalten und Angeboten ausgeschlossen wird.

"Viele Händler haben in den AGB derzeit festgelegt, dass sie nur an österreichische Konsumenten verkaufen. Das darf nicht mehr sein", erklärt dazu Thorsten Behrens, Mitarbeiter der Streitschlichtungs- und Beratungsstelle Internet Ombudsmann. "Die Händler können allerdings festlegen, dass sie nur in Österreich liefern. Damit schließt man keinen EU-Bürger vom Einkauf aus, und der ausländische Kunde muss sich selbst darum kümmern, dass er die Ware bekommt."

Das Problem sei jedoch, dass ein Großteil der österreichischen Händler derzeit nicht ausreichend auf die Geoblocking-Verordnung vorbereitet ist, warnt Behrens. "Viele, vor allem kleine Händler verkaufen nur in Österreich und haben sich daher das Thema Internationalisierung noch gar nicht angeschaut oder für sich als zu aufwendig erkannt."

Bürokratische Zusatzbelastungen befürchtet

Der Handelsverband Österreich hat sich gegen die Geoblocking-Verordnung in der derzeitigen Form gewehrt und Entschärfungen vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen gefordert. "Besonders negativ beurteilen wir, dass für den heimischen Handel durch die Geoblocking-Verordnung das Risiko entsteht, im Streitfall nach ausländischem, dem Händler unbekannten Verbraucherrecht verklagt zu werden", begründet Handelsverbands-Geschäftsführer Rainer Will die Ablehnung. "Bisher konnten sich Händler vor solchen Rechtsstreitigkeiten schützen, indem sie derartige Transaktionen an sich abgelehnt haben. Dies ist künftig nicht mehr möglich."

Auch in bürokratischer Hinsicht werden Zusatzbelastungen befürchtet. So muss künftig jeder Webshop und jede Shopping-App derart designt sein, dass alle Kunden aus allen EWR-Ländern ihre Bestellung auf einfache Weise aufgeben können. "Bei der Angabe von Kontaktinformationen oder einer Rechnungsadresse müssen daher sämtliche Adressformate zulässig sein, sodass Adressen, Postleitzahlen oder Telefonnummern aus allen EWR-Staaten in die Formulare eingetragen werden können", sagt Will. "Drop-Down-Listen nur für Österreich, Deutschland und die Schweiz sind künftig nicht mehr erlaubt."

Aus diesen und anderen Gründen betrachtet der Handelsverband die Geoblocking-Verordnung als eine reine "Superstar-Regulierung", die insbesondere KMU in ihrer Geschäftstätigkeit gefährde. "Durch die Verordnung werden die administrativen Kosten massiv steigen. Aufgrund der unterschiedlichen Gesetze in den einzelnen EWR-Staaten entstehen neben Programmierungskosten vor allem Rechtsunsicherheiten, die für mittelständische Unternehmen fast nicht zu stemmen sind", befürchtet Will. "Ein Rückzug der KMU und eine wachsende Dominanz der E-Commerce-Superstars Amazon und Alibaba, die hierzulande kaum Steuern zahlen und nichts zur Wertschöpfung beitragen wird die Folge sein."

Auch Thorsten Behrens sieht Nachteile für heimische KMU. "Händler, die bereits in mehreren EU-Ländern vertreten sind, haben es deutlich leichter, die Verordnung umzusetzen. Ein kleiner Anbieter, der nur in Österreich verkauft, kann zwar ausschließen, ins Ausland zu liefern, wenn aber doch mal eine Bestellung aus dem Ausland kommt, dann kann es für ihn ein hoher Aufwand werden, die Bestellung abzuwickeln."

Dass es den EU-Gesetzgebern bei der Verordnung ausschließlich um Konsumenteninteressen gegangen sei, kann man im Handelsverband ebenfalls nicht nachvollziehen. "Da hätten auch die geografischen Einschränkungen bei urheberrechtlich geschützten digitalen Inhalten berücksichtigt werden müssen", moniert Will. "Ich kann absolut nicht nachvollziehen, warum etwa Streamingdienste wie Netflix oder Amazon Prime von der Regelung ausgenommen bleiben."

Gravierende Einschränkung der Vertragsfreiheit

Für Will stellt sich darüber hinaus die Grundsatzfrage, "ob freier Handel bedeutet, dass Händler die freie Entscheidung darüber haben, mit wem sie handeln möchten." Die Verordnung stelle jedenfalls eine gravierende Einschränkung der Vertragsfreiheit der Händler dar. "Einem mittelständischen Handelsunternehmen, das nicht über eine Armada an Rechtsanwälten verfügt, sollte es erlaubt sein zu sagen: Ich will meine Geschäftstätigkeit nur auf jene Länder ausrichten, mit deren Verbraucherrechten ich auch vertraut bin", fordert der Handelsexperte. Eine praxistauglichere Geoblocking-Verordnung hätte daher Ausnahmen für KMU, eine längere Übergangsfrist zwischen Beschluss und Inkrafttreten der Verordnung und die Berücksichtigung digitaler Inhalte vorsehen müssen.

Unter www.handelsverband.at kann man einen kostenlosen Geoblocking-Leitfaden abrufen. Fragen an den Internet Ombudsmann kann man unter www.ombudsmann.at stellen.