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Neue Roboterkollegen

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

KPMG-Studie: Die Bankenbranche befindet sich wegen der Digitalisierung im Umbruch.


Wien. Während der ersten industriellen Revolution im 19. Jahrhundert wurde die Muskelkraft des Menschen durch Maschinen ersetzt. Güter, die man früher langsam und in geringen Stückzahlen in den Handwerkstätten der Meister fertigte, ließen sich bald schnell und im Überfluss an den Fließbändern großer Industriebetriebe herstellen. Viele alte Gewerbe gingen verloren, es kamen aber in und um die Fabriken eine Menge neuer Jobs hinzu.

Jetzt, während der vierten industriellen Revolution, der Digitalisierung, ersetzt die Maschine zunehmend den menschlichen Verstand. Informationsverarbeitung, Rechenaufgaben, Datenanalysen werden zunehmen von Algorithmen erledigt. Wie der Jobsaldo dieser Revolution ausfallen wird, kann seriöserweise niemand vorhersagen. Fakt ist aber, dass Jobs, die bisher von Menschen gemacht wurden, in immer größerer Zahl von Computern erledigt werden. Und das auch in qualifizierten Bereichen, wie etwa dem Bankensektor.

Programmierer statt Kundenberater

Eine Studie des Unternehmensberaters KPMG im Auftrag der Arbeiterkammer (AK) und der Gewerkschaft für Privatangestellte zeichnet einen spürbaren Umbruch innerhalb der Bankenbranche. Demnach soll die Beschäftigung im Zahlungsverkehr, bei Retailkundenbetreuung oder im Treasury in den kommenden Jahren zurückgehen. Im Bereich IT, Datenmanagement und Produktentwicklung soll es hingegen Zuwächse geben, meint Studienautor Alexander Lippner am Freitag vor Journalisten.

"Genaue Zahlen dazu können wir nicht liefern, weil das unseriös wäre", sagt eine Sprecherin der AK auf Nachfrage. Es hänge nämlich auch sehr stark davon ab, wie die einzelnen Banken mit welchen Maßnahmen auf diesen Umbruch reagieren.

Etwas konkreter wird eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts zum Wandel im Bankensektor: Wegen der voranschreitenden Digitalisierung wird die Branche laut Prognosen von derzeit nicht ganz 75.000 Stellen langfristig auf 50.000 schrumpfen.

"Es werden Jobs wegfallen, aber auch neue entstehen", meint Lippner. "Wir sehen, was den österreichischen Markt betrifft, keine revolutionäre Entwicklung, sondern eher eine evolutionäre." Die Branche hat seit der Finanzkrise einige Umbrüche erlebt. Waren 2008 laut AK-Branchenreport noch 80.293 Personen (nach Köpfen gerechnet) tätig, waren es 2016 nur noch 74.543 Mitarbeiter. Das ist ein Minus von 7,2 Prozent. Wie viel davon auf Kosten der Digitalisierung und wie viel den Personalkürzungen aufgrund der Finanzkrise geschuldet ist, ist unbekannt.

Laut dem deutschen Statistik-Portal "Statista" hat sich die Anzahl der Österreicher, die das Internet auch für E-Banking nutzen, seit 2007 fast verdoppelt. War es damals rund jeder Dritte, sind es heute gut 57 Prozent der heimischen Internetuser.

Laut KPMG-Studie werden vier Technologien die gesamte Wertschöpfungskette des Bankwesens dominieren: Künstliche Intelligenz, Biometrie, Blockchain und Cloud. Die Cloud bietet die Möglichkeit, zeit- und ortsunabhängig zu arbeiten. Die künstliche Intelligenz wird jetzt schon flächendeckend, etwa bei Kreditbewertungen, eingesetzt. "Die Robots und künstliche Intelligenz sind die neuen Kollegen und werden Beschäftigung insbesondere im Backoffice und im Zahlungsverkehr reduzieren und neue Jobprofile und Beschäftigung vor allem in den Bereichen IT, Daten-, Kunden- und Produktmanagement sowie im Risikobereich schaffen", meint Lippner. Er legt deshalb Banken nahe, nicht den Kontakt mit sogenannten Fin-Techs und großen Tech-Konzernen zu scheuen und neue Geschäftsfelder zu erschließen.

Übrigens ist nicht nur die Bankenbranche wegen der Digitalisierung im Umbruch. Die Wissenschafter Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne von der Oxford Universität widmen sich in ihrem umstrittenen Forschungspapier "Die Zukunft der Arbeit" den Folgen der Digitalisierung für den Arbeitsmarkt. Sie schlussfolgern: Von den 700 analysierten Berufen in den USA sind fast die Hälfte vom Aussterben bedroht.

Die Weltbank warnt in ihrem Bericht "Die Dividende der Informationsgesellschaft" vor einer Zunahme der globalen Ungleichheit. Demnach würden wohlhabende Industriestaaten stärker von der Digitalisierung profitieren als Schwellenländer. Das könne dazu führen, dass die Ungleichheit zwischen ärmeren und wohlhabenden Staaten und Gesellschaftsschichten weiter zunehme.