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Neue, grüne Unternehmenswelt

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

Der Klimawandel sorgt für einen Boom in der Umwelt-Industrie. Diese kommt ohne Förderungen aber nicht aus.


Wien. Manchmal ist es besser, das ganze Schwein zu kaufen. Direkt beim Bauern, der garantiert, dass es ein glückliches und nachhaltiges Leben hatte. Und es dann mit anderen teilen. So in etwa könnte man das Geschäftsmodell des steirischen Start-ups "Nahgenuss" beschreiben. Dieses bringt Fleischkonsumenten mit Biobauern zusammen. Das Ziel dabei ist, die lange Lieferkette über den Handel zu umgehen, bessere Preise für Bauer und Kunden zu erzielen und möglichst alles vom Tier zu verwerten.

"Die Bauern legen den Preis selbst fest und die Kunden bekommen mehr Transparenz", erklärt Micha Beiglböck, Geschäftsführer von Nahgenuss. Das Geschäft laufe gut. 100 Biobauern habe man schon mit 2000 Kunden in ganz Österreich zusammengebracht. Nach eigenen Angaben setzt der Betrieb 250.000 Euro um, heuer soll das Ergebnis verdoppelt werden.

Umwelttechnik wächst

Nahgenuss ist eines von zahlreichen sogenannten "green Start-ups", die in den vergangenen Jahren einen Aufschwung erleben. Die globale Diskussion rund um den Klimawandel, wachsende Müllberge und die Energiewende sorgen derzeit für einen regelrechten Boom im Bereich der ressourcenschonenden Wirtschaft. Immer mehr Gründer setzen auf Geschäftsmodelle, deren Ziel Nachhaltigkeit ist. Energiekonzerne investieren große Summen in die Entwicklung erneuerbarer Energieträger. Und auch in der Landwirtschaft schlägt sich ein regelrechter Bio-Boom zu Buche.

Die Investitionen in diesem Sektor werden auch von einer Prognose der Europäischen Kommission befeuert: Um die Klimaziele von Paris zu erreichen, werden EU-weit bis zum Jahr 2030 Investitionen in der Höhe von 180 Milliarden Euro benötigt.

Wie stark der Bereich der heimischen Umwelttechnik wächst, zeigt eine Studie des Industriewissenschaftlichen Instituts im Auftrag des Umwelt- und Wirtschaftsministeriums aus dem Jahr 2017. Die Umwelttechnik-Industrie erreichte zuletzt einen Anteil an der heimischen Wirtschaftsleistung (BIP) von drei Prozent.

Gut 2500 heimische Industrie- und Dienstleistungsbetriebe im Bereich der Umwelttechnik beschäftigen 41.400 Menschen und setzen jährlich 12,3 Milliarden Euro um. Rechnet man die sogenannten Multiplikatoreneffekte hinzu - das sind zum Beispiel Vorleistungen im Produktionsbereich, Vertriebsmaßnahmen -, dann setzt der Sektor 24,3 Milliarden Euro um.

Dieser Trend ist allerdings nicht ganz neu. Die Studie zeigt auch, dass die Umsätze aus umwelttechnischen Aktivitäten seit 1993 um das 6,5-Fache gestiegen sind. Das liegt zum Teil daran, dass Österreich zu jenen Ländern in Europa gehört, die relativ früh flächendeckende Umweltmaßnahmen gesetzt haben. Das Recyceln von Papier feierte erst kürzlich sein 30-jähriges Jubiläum. Kunststoff wird seit 25 Jahren wiederverwertet. Und Glas weist derzeit eine Recycling-Quote von 87 Prozent aus.

Zurück zu den Start-ups. Jährlich suchen bis zu 50 Start-ups um eine Förderung im Rahmen der Initiative "greenstart" des Klima- und Energiefonds an, erklärt Ingmar Höbarth, Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Das Programm besteht seit vier Jahren "und das Interesse reißt nicht ab", sagt er.

Die Projekte, die dabei eingereicht werden, seien sehr vielfältig - von der Mobilität bis Landwirtschaft und Bioökonomie. Eines dieser Projekte ist Kern Tec. Die Gründer Luca Fichtinger und Michael Beitl haben eine Technologie zur Aufspaltung, Sortierung und Veredelung von Steinobstkernen entwickelt. Täglich würden 550.000 Tonnen Marillen-, Kirschen-, Zwetschkenkerne auf dem Müll landen oder verheizt. Das Wiener Start-up verarbeitet einen Teil davon für die Kosmetik- und Lebensmittelindustrie weiter. Und auch hier ist das Unternehmensziel: Möglichst wenig wegwerfen, möglichst viel weiterverwerten.

Stark geförderter Sektor

Der Öko-Boom setzt sich auch in der Landwirtschaft fort. Erst diese Woche vermeldete das Landwirtschaftsministerium, dass in Österreich 638.000 Hektar Land von Biobauern bewirtschaftet werden. Das sind 45 Prozent der heimischen Agrarflächen. Damit ist Österreich weltweiter Spitzenreiter, was den Flächenanteil betrifft. Und der Bio-Trend wird sich in den kommenden Jahren wohl auch weiter fortsetzen.

Dass ökologische und umweltfreundliche Geschäftsmodelle und erneuerbare Energieträger gerade boomen, liegt wohl auch daran, dass dieser Bereich sehr stark gefördert wird. Das ruft immer wieder Kritiker auf den Plan, die den Vorwurf erheben, dass viele Unternehmen, etwa im Energiebereich, unter "normalen" Marktbedingungen gar nicht tragbar wären. Dass die Förderungen zu weitreichenden Verzerrungen auf den Märkten führen. Und dass es viele Unternehmen ohne großzügiger Förderungen auch nicht gäbe.

"Es gibt keine Kostenwahrheit zwischen fossiler und erneuerbarer Energie", entgegnet Höbarth vom Klima- und Energiefonds. Früher wurden in Österreich auch der Kohleabbau und Gaskraftwerke staatlich gefördert. Auch Atomkraft sei ohne staatliche Förderungen und Garantien nicht rentabel. Und Diesel werde in Österreich weiterhin niedriger besteuert als Benzin.

Seit seiner Gründung 2007 hat der Klima- und Energiefonds 1,3 Milliarden Euro an 125.000 Projekte vergeben. Die Umweltförderung im Inland (DFI) des Nachhaltigkeitsministeriums ist mit jährlich 90 Millionen Euro dotiert. Ohne entsprechende politische Maßnahmen sind die Klimaziele von Paris - die Erwärmung auf zwei Grad Celsius zu drosseln - wohl kaum zu erreichen. "Die Förderungen sollen eine Chancengleichheit herstellen und neue Technologien auf den Markt bringen", sagt Höbarth, die dann auch nach marktwirtschaftlichen Kriterien rentabel werden.

Im Rahmen der "Mission 2030" hat sich Österreich verpflichtet, seinen Treibhausgasausstoß bis zum Jahr 2030 um 36 Prozent im Vergleich zu 2005 zu reduzieren. Derweilen ist das Land aber noch weit weg davon. Erst kürzlich vermeldete das Umweltbundesamt, dass der Treibhausgasausstoß das dritte Jahr in Folge wieder gestiegen ist, nämlich um 3,3 Prozent.