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Revolution in der Schallplattenindustrie

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft
Totgesagte leben länger: Die Vinyl-Kultur erlebt eine Renaissance.
© fotolia/hecke71

Ende des Jahres sollen die ersten "HD Vinyl"-Scheiben auf den Markt kommen. Dahinter steckt ein innovatives Unternehmen aus Tulln.


Wien. Wenn sich der Tonarm senkt, die Nadel in die Rille gleitet und die ersten samtenen Töne erklingen, schlägt das Herz des Schallplattenfans höher. Galt Vinyl bis vor ein paar Jahren noch als ein Relikt aus der Vergangenheit und Liebhaberei von Nostalgikern, die am Wochenende auf Flohmärkten herumstöbern, haben die schwarzen Scheiben heute wieder einen fixen - wenn auch kleinen - Platz im Musikbusiness. In den Regalen des Musikhandels finden sich nicht nur LP-Neuerscheinungen der unterschiedlichsten Richtungen, sondern auch Neuauflagen älterer Alben bekannter Musiker.

In Österreich wurden laut Verband der österreichischen Musikwirtschaft (IFPI) im vergangenen Jahr rund 340.000 Schallplatten verkauft. Der Vinyl-Umsatz blieb mit 7,8 Millionen Euro zwar unverändert zum Jahr davor, und der Marktanteil pendelte sich bei acht Prozent ein, jedoch hatte es in den Jahren davor zweistellige Steigerungsraten gegeben. Vor zehn Jahren lag der Marktanteil gerade einmal bei knapp einem Prozent des damals 185 Millionen Euro schweren Musikmarkts.

Die Herstellung der runden Scheiben läuft derzeit mehr oder weniger noch so ab wie vor hundert Jahren - was sich bald ändern könnte. In der niederösterreichischen Kleinstadt Tulln bahnt sich nämlich eine Revolution in der Schallplattenproduktion an. Mit moderner Lasertechnik will das im Digitalvertrieb tätige Unternehmen Rebeat unter der Leitung von Günter Loibl der Schallplatte ein Update verpassen.

Gemeinsam mit dem Grazer Forschungsinstitut Joanneum Research hat Rebeat ein Verfahren entwickelt, das die Produktion von Schallplatten besser, einfacher und umweltverträglicher macht und gleichzeitig die Qualität und Spieldauer der Platte selbst. Die "HD Vinyl" genannte Erfindung wurde zum Patent angemeldet, und nach ersten Pressemeldungen "war plötzlich die ganze Musikwelt daran interessiert", erzählt Loibl, dessen Mailbox sich quasi über Nacht mit "gefühlt tausend E-Mails" füllte.

Um die Technik zur Marktreife zu bringen, wurde Geld benötigt. Die Finanzierung gestaltete sich allerdings schwieriger als gedacht. "Das war die ärgste Achterbahnfahrt, die ich je erlebt habe", sagt Loibl. Rebeat reichte das Projekt bei der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG ein, der Antrag wurde abgelehnt. Loibl: "Die FFG wollte, dass das Know-how in der Firma bleibt."

Ein großer dänischer Hersteller von Audio-Zubehör zeigte sich interessiert an Loibls Unternehmen, sprang aber wieder ab. Auch der US-Musikproduzent Tom Misner bekam nach anfänglicher Begeisterung wieder kalte Füße.

Nachdem zwei weitere Anträge auf Förderung bei der FFG abgelehnt worden waren, klappte es mit einem "Seed Financing" der Austria Wirtschaftsservice (aws). Zudem stieg ein Gärtnereibetrieb aus Tulln in das Projekt mit ein. Loibl: "Wir haben gleich den Laser bestellt." Die ersten "HD Vinyl"-Schallplatten sollen Ende des Jahres auf den Markt kommen.

Besserer Klang,längere Spielzeit

Bei der herkömmlichen Methode schneidet - vereinfacht gesagt - eine Maschine Toninformationen in eine Lackfolie hinein. Nach mehrmaligem Kopieren und elektrochemischem Galvanisieren entsteht daraus eine Pressmatritze, auch Stamper genannt. Damit werden die Vinylplatten gepresst. Die wenigen Presswerke, die es noch gibt, seien wegen des Vinyl-Booms voll ausgelastet und würden mit dem Pressen nicht mehr nachkommen, sagt Loibl. Der komplexe Produktionsprozess sei zeitaufwendig und fehleranfällig. HD Vinyl soll dies ändern. Loibl: "Mit dem neuen Verfahren schreibt ein Laser die Daten direkt auf die Pressvorlage, das Kopieren und der galvanische Prozess entfallen komplett."

Die neuen HD-LPs, die man auch auf alten Plattenspielern abspielen wird können, haben einen besseren Klang, eine höhere Dynamik und eine um 30 Prozent längere Spielzeit. "Wir bringen bis zu 30 Minuten pro Seite heraus", sagt Loibl. Bei herkömmlichen Schallplatten seien es 22 Minuten pro Seite. Rebeat wird die Pressvorlagen für europäische Presswerke vor Ort in Tulln herstellen und dadurch hochbezahlte Jobs schaffen. Noch gibt es viel zu tun: "Die Stamper-Herstellung dauert derzeit noch 40 Stunden, das muss kürzer werden."

Der gelernte Elektriker Loibl war schon immer ein glühender Fan von Schallplatten, auch Musik hat er selbst produziert. Mindestens 20.000 Stück Tonträger habe er verkauft, schätzt er. Das Revival der Schallplatte führt er nur zum Teil auf den warmen Klang und Sammelleidenschaft zurück. "Vinyl ist auch zum Lifestyle-Produkt geworden", meint er. In den USA ist die Zahl der verkauften Vinyl-Alben 2018 gegenüber dem Jahr davor um 11,9 Prozent auf 9,7 Millionen gestiegen, während die CD-Verkäufe um 18,5 Prozent auf 60,7 Millionen sanken.