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Frauen unter der gläsernen Decke

Von Marina Delcheva

Frauentag

Frauen sind heute besser ausgebildet als je zuvor. Der Karriereaufstieg gelingt aber noch immer eher den Männern.


Wien. "Planen Sie eigentlich, Kinder zu bekommen?" Paul S. blinzelt ungläubig. "Ähm, ja, irgendwann. Entschuldigen Sie, aber was hat das mit der Position zu tun?" Seine zukünftige Vorgesetzte schmunzelt: "Naja, Sie könnten in Karenz gehen und dann müssen wir Ersatz suchen." Er sitzt immer noch, ungläubig blinzelnd, bei seinem Vorstellungsgespräch. "Ich hatte mit einer solchen Frage überhaupt nicht gerechnet. Das hat mich total aus dem Konzept gebracht", erzählt er.

Seine weiblichen Mitbewerberinnen im sogenannten "gebärfähigen Alter" überlegen meist schon im Vorhinein, was sie bei Bewerbungsgesprächen auf diese, unzulässige, Frage antworten sollen. "Jetzt steht das nicht auf meiner Agenda." "Ich plane eigentlich keine Kinder." Irgendetwas Unverfängliches, das einen nicht den Job kosten könnte.

Mehr Absolventinnen als Absolventen

Mittlerweile sind 61 Prozent der heimischen Universitätsabsolventen Frauen. Im Durchschnitt ist die Österreicherin, zumindest formal, besser ausgebildet als der Österreicher. Wenn man sich die späteren Karriereverläufe und Einkommen von Männern und Frauen ansieht, dann gibt es einen beträchtlichen Unterschied - zugunsten der Männer. Irgendwo zwischen Universitätsabschluss und Führungsebene fallen viele Frauen zurück und holen das ein Leben lang nicht auf. Warum ist das so?

Gundi Wentner, Gründungsmitglied des Unternehmensberaters Deloitte, hat darauf eine ganz einfache Antwort: "Wenn Sie wollen, dass Ihr Kind irgendwann die Matura macht, können beide Eltern nicht Vollzeit arbeiten", sagt sie. Das Bildungssystem lagere nach wie vor sehr viel Lernarbeit an die Eltern aus. Und in der Regel blieben dann die Mütter eher zu Hause. Zum einen liege das noch immer an festgefahrene Rollenbildern. Zum anderen daran, dass Frauen meist weniger verdienen als ihre männlichen Partner. "Sie entscheiden sich auch seltener für technische Studien, wo aber die Zukunftsmusik spielt und es später mehr Geld gibt", so Wentner.

Laut Statistik Austria verdienen Frauen in Österreich im Schnitt um 38 Prozent weniger als Männer. Bereinigt man diese Zahl um Faktoren wie Teilzeitarbeit, regionale Unterschiede und niedriger bezahlte Branchen, in denen tendenziell mehr Frauen beschäftigt sind, bleibt immer noch ein Gender-Pay-Gap von 13,6 Prozent.

Wenn man sich die Führungsebene anschaut, ist diese vorwiegend männlich. Zwar werden laut Wirtschaftskammer 45 Prozent der Unternehmen mittlerweile von Frauen gegründet, oft handelt es sich dabei aber um Ein-Personen-Unternehmen mit einem unterdurchschnittlichen Einkommen. Laut Arbeiterkammer sind derzeit nur zehn der Vorstände in allen börsennotierten Unternehmen in Österreich Frauen. Das ist eine Frauenquote von 4,9 Prozent. Immerhin: Bei den Aufsichtsräten sind es, dank EU-Verordnung, mittlerweile 27,7 Prozent.

Kindererziehung ist Frauensache

Eine Umfrage von Deloitte unter 442 heimischen Führungskräften zeigt, dass 68 Prozent der Befragten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die größte Hürde für Frauenkarrieren halten. Die Umfrage ergab weiters: Zwar versprechen sich 93 Prozent der Befragten einen Wettbewerbsvorteil durch Frauen in Führungspositionen. In der Praxis herrsche aber nur bei einem Fünftel der untersuchten Unternehmen tatsächliche Chancengleichheit.

"Noch in der Karenz wurde mir eine Beförderung versprochen, und ich werde nach wie vor hingehalten", erzählt eine junge Mutter. Der Umgang seitens der Kollegen und Vorgesetzten habe sich verändert, und es würden oft Sätze fallen wie: "Deshalb habe ich keine Kinder." Kurz nach der Karenz arbeitete sie 20 Stunden pro Woche und hat später wieder aufgestockt. Laut Statistik Austria arbeiteten zuletzt 47,7 Prozent der Frauen in Teilzeit. Bei den Männern sind nur 11,9 Prozent. Und es gibt einen beträchtlichen Unterschied zwischen Müttern und Frauen ohne Kinder: Bei Letzteren beträgt die Teilzeitquote immerhin noch 30 Prozent; bei Müttern im Alter zwischen 25 und 49 Jahren, die Kinder unter 15 Jahren haben, arbeiten 73 Prozent in Teilzeit, Tendenz steigend.

Wentner von Deloitte hält diesen Trend und politische Maßnahmen, die das begünstigen, für problematisch, weil er Altersarmut und wirtschaftliche Abhängigkeiten fördere. "Man kann ja ein Leben lang eine glückliche Ehe führen", man könne sich aber auch trennen, der Mann krank werden oder seinen Job verlieren. Dann funktioniere das Modell nicht mehr. Sie spricht sich für eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung für beide Geschlechter aus.

"Es hat schon wehgetan, deutlich weniger zu verdienen als mein Mann. Spontankäufe aus eigener Tasche gingen dann nicht mehr, und du weißt, dass er Wochendausflüge und den Urlaub zahlt", erzählt die junge Mutter. Im Streit sei das auch immer wieder aufgekommen.

Kinder als einzige Karrierehürde für Frauen? Ganz so einfach ist es doch nicht. "Ich habe immer gesagt, dass ich keine Kinder haben möchte", sagt eine Juristin, die ebenfalls nicht namentlich genannt werden möchte. "Für solche Sätze wirst du geächtet." Es sei gesellschaftlich nach wie vor nicht akzeptabel, dass Frauen keine Kinder möchten. Und im Job laufe es deshalb auch nicht unbedingt reibungslos. Die Juristin spricht von sexistischen Äußerungen und dass männliche Kollegen bei Beförderungen oft vorgereiht werden.

Teilzeit wird oft Dauerlösung

Viele Frauen entscheiden sich bewusst dafür, zunächst mehr Zeit mit ihren Kindern zu Hause zu verbringen und beruflich zurückzustecken. Sie möchten die Zeit mit dem Nachwuchs nicht missen und verzichten dabei auf mehr Geld. "Die Teilzeit ist meistens gewollt, und sie wäre auch kein Problem, wenn die Frauen nach fünf Jahren wieder Vollzeit arbeiten würden", sagt Katrin Wilkens. Sie hilft Frauen beim Jobeinstieg nach der Karenz und hat das Buch "Mutter schafft!" geschrieben.

Das Problem bestehe darin, dass viele in diesem Modell verharren und im Alter kaum ein Einkommen beziehen würden. "Die größte Hürde ist der Satz: Ich möchte etwas haben, wofür ich brenne", erklärt sie. "Wir sagen dann immer: Der Job darf Spaß machen, aber er muss kein Gottersatz sein."